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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 7 (1. Januarheft 1902)
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Weber, Leopold: Sprechsaal: in Sachen Maeterlincks
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0361

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das Empfinden mystischen Grauens kann in den verschiedcnsten Ab-
schattnngen von der blotzen körperlichen oder seelischen Angst bis zu tief
geistigem Bangen spielen, es kann die verschiedensten Reaktionsgefühle
von knirschender Ohnmacht bis zu erhabenem Groll und titanischem Trotz
auslöseu und sich so in einem Wechsel der grohartigsten Traumbilder
wiederspiegeln. Bei Maeterlinck aber lritt das Grauen kaum je anders
denn als gespcnstische Angst zarter und licbeooller Menschen aust die
Reaktion dagegen in Wutanfällen der gereizten Schwäche, in nahezu
hysterischem Krampf; und die Traumbilder, dic dabei entsteheu, erheben
sich ivohl nie über meisterhafte Schilderungen des Uuhcimlicheu zu
dämonisch erschütternden und durch ihre Gewalt zugleich erhebendeu
Visionen. Jch verkenne die Feinheit und Jnnigkcit Maeterlinckscher
Poesie keiueswegs, er ist auch für mich mehr als ein bloßer Virtuos,
ich gestehe ihm selbst Tiefe zu, soweit solche der Schwäche überhaupt
zugänglich ist — aber über diesen Eindruck, datz wir es bei seinen
Kundgebungen mit einem schwächlichen, wenn auch noch so fein oer-
anlagten Temperament und mit einem ganz eng begrenzten Geiste zu
thun haben, darüber komme ich nicht hinweg. Tiese des Starken und
Mncht, gerade dicse Eigenschaften vermisse ich bei Maeterlinck vollstündig.
Man rufe sich nur einmal, um ganz klar zu empfiuden, was ich meine,
Klingersche Radiernngen vor Augen, die das Mystisch-Grauenvolle be-
haudeln, wie die Darstelluug der Zeit etwa, die über deu Nuhm
wegschreitet, oder die Schilderung des Todes, der die Köpfe der Menschheit
cinstampft. Das sind gcistig-körperliche Trüume von Macht und Tiese l
D a ist seclische Gewalt, grauenhaftcr Humor, dämonische Grütze! Hier,
in Klinger, haben wir den Maun, der von allen Krankheiten unsres
Zeitalters geschüttclt und doch im Jnnersten gesund scines Weges geht!
Um uns aber das Bewußtsein vom wahrhaft Grotzen ungetrübt und
ungeschwächt zu erhaltcn, können wir, glaub' ich, mit den Ausdrückcn
unsrer Bewunderung nicht vorsichtig und sparsam genug umgehen, könncn
wir in unserm Urteil nicht scharf genug scheidcu und unterschciden,
mögen immerhin dic Schwammerlingsgemüter, zu denen ich übrigens
Bonus ganz nnd gar nicht zähle, solch ethisch ästhetisches Neinlichkeits-
bedürfnis als kleinliche Nörgclsucht vornchm verachten.

Leopold Weber.

Vlättsr.

Episollen aus frenssens „ölörn Qkt".

Vorbemerkung. Der Zufall hat uns und den Lesern einen Streich
gespielt: er hat uns für den „Literarischen Ratgeber"' einen neuen nürklichen Dichter
übersehen lassen. Dcnn zwar ist eines Buches von Gustav Frenssen in der Ab-
teilung jübcr Religion gedacht, nicht aber sind unter moderner Literatur seinc
Erzählungen erwähnt. Es ist einmal so, wir haben sie jetzt erst kcnnen gelcrnt.
Nun abcr zögern wir keincn Augenblick, sie warm zu empsehlen. Frensscns
neuestes Buch, „Jörn Uhl", stellt ihn neben die besten Dichter-Erzählcr unserer
gegenwürtigcn deutschen Literatur.

Und was vielleicht das Schönste ist: Frenssen entwickelt sich. Vor fünf
Jahren schricb er seinen ersten Noman „Die S a n d g r ü f i n". Damals
mußte noch cin ganzer Turm einsallcn, um den Knoten zur Lösung zu bringen

I. Iauuarheft tyoe
 
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