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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1901)
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Batka, Richard: Cornelius als Liederkomponist
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Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [12]: die Tradition
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0021

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eiu Seitenstück zu dem eutzückeudeu „Auftrng" (Hölty), mit dem köstlicheu,
wunderzarten Humor, der sich zuletzt iu leiseu melaucholischeu Dust zu lösen
scheint? Die Feiuheit der Umrisse, die Kunst mit den uuscheinbarsten
Mitteln zu wirkeu ist schier unvergleichlich. Mau sehe sich uur die
sprechenden Modulatiouen an, welche in dem Leitmotiv des Liedes die
auf die beidcu Trioleu folgeude Koda erfährt: Erst, im Präludium die
Gchör forderndc, kühue Arpeggie; dauu iu deu beiden Zwischenspielen
die schmerzliche Harmouie, zuerst das herbe persönliche Weh des Sängers,
dann das beiuahe humoristisch wirkende Beileid der Reisegesellschaft (man
glaubt ihre von konventioneller Rührung überzogeneu Gesichter zu sehen)
und schliehlich die schmachtende Versöhnlichkeit des Ausklangs I Oder
wie diskret Cornelius das Errönen der Saiten oder das Herbeitrippeln
der Kinder wiedergegeben hat! Es ist ein Lied, von dem man wochen-
lang gar nicht wieder loskommt. Die Jmitation der Laute darin hat
sich Wagner in seinen „Meistersingern" zu Nutze gemacht, und in dem
Liede ^Zum Ossa sprach der Pelion" wird man an eine markante
Stelle dcs Wanderers im „Siegfricd" crinncrt. Jch berühre das, um
an sicheren Beispielen zu zeigen, wie sehr man im allgemeinen irrt,
wenn man bei gewissen Gleichklängen innerhalb der neudeuischen Musik
ohne weiteres Nachempfindung vermutet. Die von wuchtigen Sekunden-
schritten der Bässe begleitete Rede des alten Bergriesen bildet zu der
wiederkehrenden stöhnenden Klagefigur einen charakteristischen Gegensatz.
Minder originell, aber von lebendiger innerer Bewegung und schöner
Linienführung erscheint die „Botschaft". Den Kern des inhaltsreichcn
Heftcs bildcn die beiden Lieder auf Hebbelsche Texte. Jn der Be-
wältigung solcher tiefsinnigen Dichtungen zeigt sich Cornelius als ein
cbenbürtiger Vorlüufer des Komponisten der Michel Angelo-Liedcr.
Das erste ,An eine Unbekannte" teilen wir zur Probe mit. Beim
ersten flüchtigen Lesen scheint das Gedicht die musikalische Mitwirkung
auszuschliehen. Singt man sich's vor, so staunt man aber, mie das Mittel
des Tons das Gefühlsverstündnis befördert, uns den Asfekt dcr Be-
trachtung, der sie doch erst zur Kunst macht, zu versinnlichen im stande
ist. Dasselbc gilt von dcm zweiten: „Auf ein schlummerndcs Kind", in
dessen leidenschaftlichcn Aufschwüngen und Vorhaltswirkungen man den
Einfluh dcs „Tristan" schon zu verspüren glaubt. Wie der Komponist
seinem Dichter den Vortritt gönnt und, ohne sich unntttz zn machen, ihn
auszudeuten, den Eindrnck zu vertiefen weih, das muh einen mit Be-
wunderung crfüllen, je länger man sich in diese künstlerischcn Gebilde
versenkt. Mögen diese Zeilen dazu beitragen, die Zahl ihrer Kenner
und damit ihrer Schätzer zu vermehren. Rickard Latka.

Rullurarbeiien. lL.

Dio Tradition.

Jm vergangenen Jahrgang des Kunstwarts konnten unsere Lescr
eine grohe Anzahl guter und schlechter Bauten als Beispiel und Gegen-
beispiel in Abbildungen konsrontiert sehen. Das Endergebnis der Be-
trachtung war immer, dah die Arbciten aus älterer Zeit sachlichcr,
praktischer und vornchmer, dic neuen unsachlicher, unpraktischer und un-
vornehmcr waren, und dah diese Eigenschaften sich derartig im Aeuhern

Annstwart
 
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