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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1902)
DOI Artikel:
Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [14]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0622

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die Futtcrmauer die beiden Terrasseu. Auch iu No. 2^ siud zwei ver-
schiedene Geläudehöhcu, aber eiu trockener steiuiger Raseuabhang tcilt
beide und gliedert sie deshalb nicht für das Auge. Jch habe schou
an verschiedenen Stellen darauf hingeiviesen: es ist eine Geldfrage. Eine
Futtermauer ist uicht billig. Aber es sei ganz besondcrs betont: Man
muß eben deshalb die Gelder in der Aulage richtig disponieren.
Heute ivirft man das Geld für hundert Nichtigkeiten und Albernheiten
aus dem Fenster und hat's danu dort, wv es rvirklich gebraucht wird,
nicht mehr zur Verfügung.

Man vergleiche nun die drei Trcppen selbst. Bei Abb. 7 und 23
schön gefügte, z. T. vorspringeude Stufen, die ein bcqucmes Beschrciten
ermöglichen; bei Abb. 2^ Stufen, welche lebhaft an die auf dem Thcater
erinnern, bei denen ein Lattengcstell mit Leinwand überzogen wird.
Man hat nämlich roh behauene Blöcke mit Zement verschmiert. Was
die spitzen Steine rechts und links von der Treppe bedeuten solleu, das
möge man erraten. Sachlichen Zwecken können sie nicht dienen, denn
sich daran anzuhalten oder sich auf sie zu setzen, verhindert, soweit es
die Polizeivorschriften nicht schon verbieten, ihre Form. Diese Form kann
aber zu einer wirklichen Gefahr werden, wenn jemand über diese Hindcr-
nisse im Wege stolpert. Also wird ihr einziger Daseiuszweck wohl wiedcr
die mehrfach erwähnte sog. „Poesie" sein. Und auch hier wicder kann
ich nur auf Beispiel und Gegcnbeispiel verweisen und das Auge uach
der Poesie fragen lassen.

Widersprechen macht nun einmal so viel Freude, und so werden
sich auch manche Leser die Freude machen und sagen: ja, aber die alte
Anlage, besonders Abb. 7 umgibt dcr Zauber des Alten, Ruinösen, und
die Neue muß erst schün „werden." Jch könnte diesen so oft gehörten
Einwand ganz einwandfrei widerlcgen, wcnn ich über ein Mittel ver-
fügte: wenn ich eine Photographie zur Hand hütte, die zeigt, wie
Abb. 2H in hundert Jahreu aussehen wird, und eine zweite, wie Abb. 23
oder auch 7 vor hundert Jahren aussah. Es ist aber auch ohnc dicsen
Augenbeweis gar kein Zwcifel, daß hier nicht Alter oder Neuheit die
Ursacheu vou Schönheit und Unschönheit sind, sondern daß diese Ursachcn
lediglich in der Anlage selbst stecken. Man wolle sich nur einmal die
Veränderungen recht klar machen. Auf den beidcn Bildcrn 7 und 2H
stehen auf der oberen Terrasse junge Büume. Sind solche junge Büume
nicht etwas entzückendes, wie sie an ihre Stümmchen gebunden dastehen?
Jst auf dcm Bilde 7 die Mauer mit der Scheune etwas schöneres, als
auf dcm 2ss die weite Ferne mit dem alten Schlosse dahinten? Alles
andere aber ist Anlage. Die Schlinggewüchse auf dem Vordergrund des
Bildes 7 sind fast ausnahmclos einj äh rig e Gewächse, die man, wcnn
man wollte, auch in der jüngstcn Anlage ziehen künnte. Kaum viel
anders fällt der Vergleich mit Abb. 23 aus. Nein — mit dieser Aus-
rede ist nichts zu machcn. Wcr's nicht vcrsteht, eine Anlage gleich s ch ö n
zu machen, wird umsonst auf ihre Vcrschvnerung durch ihren Ruin warten.

j) aal Schultzc - dkauinl> u r g.

Aunstwart
 
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