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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1902)
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Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [14]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0621

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und das mühsam gesuchte „poetisch" stellt sich ganz von selbst ein, da
uns das srohe Lebensgesühl, das die Erbauer jener Zeit solche Bauten
gestalten ließ und das sie mit hineinbauten, auch heute noch daraus an-
weht und wir diese Gcfühlswerte, die unser Auge uns übermittelt, eben
poetische nennen, da uns keine bessere, bezeichnendere Formel dafür ge-
läufig jst. Hier hat auch der kleine Kuppelaufsatz einen Sinn, da ein
Oberlicht die Jnnenseite der Kuppel beleuchtct.

Da wir grade bei dem Park der Tollen sind, möchte ich noch ein
Beispiel aus ihm anführcn, das sehr bezeichnend dafür ist, wie erbärm-
lich schlecht selbst die einfachsten sachlichen Aufgaben heut gelöst werden,
sobald sie sich von ganz bestimmtcn Gebieten entfernen, in dcnen der
Gcnius des sy. Jahrhunderts triumphiert.

Ein steilcr Abhang. Man möchte eincn Weg anlegen, der seinen
Gipfel mit seinem Fuße verbindct. Jch glaube, vor hundert Jahren
hätte jedes Kind gcwußt, daß man das macht, indem man bei ganz
geringer Neiguug dcr Wegcbcnc so dem Gelände folgt, daß zwar ein
langer, aber dafür recht wenig stciler Weg entsteht. Je nach dem
Terrain ergeben sich dann Serpentinwindungen oder sonstwelche Formen.
Heut fällt dem Gartenbaudirektor vor seinem Neißbrett rein gar nichts
Andercs ein, als oben und unten mit einer gebogcnen Linie zu ver-
binden. Das fällt dann, sieht er's in Lebcnsgröße ausgeführt, freilich
fatal aus. Teufcl nochmal, denkt er, so kann das nicht bleiben! Man
hat nümlich widcr allcs Erwarten eine steile Wasserrinne angelegt statt
eines Wcgcs, und jcdcr Gewitterrcgen schwemmt nicht nur allen Kies
weg, sondern reißt auch noch liefe Rinnsale in die Erde dieses sogenanntcn
Kommunikationsmittels. Also: So kann's nicht bleiben. Man kommt
auf eine ganz schlaue Jdee: Man zicht Dämme über den Weg. Jch
treibe wiedcr keincn Schcrz. Damit man mir's glaube, zeige ich die
Photographien, Abb. 2 s und 22. Jch mußte mcinen Kodak stark nach
oben richten, um den ganzen Wcg mit darauf zu bekommen, daher
erscheint er viel weniger steil, als er thatsüchlich ist. Und nun muß
man alle zwanzig Schrittc eincn Hupfer machcn, um die Steindämme
zu überwinden, die Abb. 2 s gcnau zeigt. Abgeschcn davon, daß so ein
Weg bci Nacht gcradezu lcbensgefährlich ist — denn wer vcrmutet auf
einem gebahnten Wcge solchc künstliche Hindernissc? — so ist auch bci
Tage die Passagc cin Hindernisrcnnen. Mußte dcr Weg durchaus cin
so steiler sein, warum vcrwendere man denn dann die oben beschriebenen
künstlichcn Trümmcrhaufen (Abb. (8) nicht lieber dazu, eine breite und
bchagliche T repp en anlage zu schaffen, an die der menschliche Fuß ge-
wöhnt ist und dic cr selbst im Dunkcln nahezu gefahrlos geht? Hütte
man Augen im Kopf gehabt, so hütte man ein klassisches Vorbild dazu
gerade fünf Minuten weit um die Ecke gefunden. Aber ich fürchte, das
wird man nächstens als alt und unbrauchbar wcgreißen und dafür ein
ähnliches Kunstwerk wie das bcschriebenc hinbaucn.

Auch da, wo man auf die natürliche Lösung zur leichten Be-
wältigung cines steilen Abhangs, die Trcppe, kommt, fehlen die Grund-
clcmente der Gestaltung dazu. An demselbcn Ortc finde ich wiedcr Bei-
spiel und Gegcnbeispiel beisammen. Jch bitte hier Hcft ( dieses Jahrgangs
nochmals zur Hand zu nchmen und in ihm Abb. 7 meines Aufsatzcs als
wcitercs Gcgenbeispicl dancbcn zu halten. Jn No. 7 und No. 23 tcilt

2. Märzhcft

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