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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1901)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Überschätzen wir den Gehalt?
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Bartels, Adolf: Christian Dietrich Grabbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0297

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Es wäre nicht möglich, wcnn nicht immcr wiedcr jene alte Kon-
susion auftauchtc, die in dem Schlagworte „l'art pour I'art^ ihren
klassischen Niedcrschlag gebildet hat. Alle Kunst, gewiß, liegt im Wie,
aber die beste Wirkung des Kunstwcrks liegt nicht im Wie, sondern in
dem, was diescs Wie uns gibt — nicht in der Technik, heißt das,
liegt sie, noch im Stofsc, sondcrn im Gehalt. Was der, letzten Endes
ein Stück Persönlichkcit, an Lcbenswert sür mich bedeutet, um was
cr dcir Menschen in mir bereichert, krästigt, bildet, das bestimmt den
höchsten Wcrt auch des Kunstwerks sür mich. Denn diescs sclbst ist
ja, wie dic Kunst überhaupt, nur Mittel, nur Sprache, schließlich v er-
weilen thun wir doch beim Ergebnis der Uebcrmittelung. Wer Manet
mit Böcklin odcr Liebermann mit Klinger aus die Lcbenswcrte ihrer
Kunst hin vcrgleichen will, vergleicht, gleichnisweise gesprochen, einen
vorzüglicher Nedncr mit cincm großen Dichter. Man kann das nicht,
wenn man die Künstler vergleichen will. Abcr man kann's aller-
dings, wcnn man die Menschen in beiden auf ihren Persönlichkeits-
gehalt vergleicht, wobei sich denn freilich Böcklin wie Klinger um mehr
denn Haupteslänge cmporhcben.

War das Haftcn am Stofflichen platt, so dürsen wir, scheint mir's,
uns nicht drüber tüuschcn, daß das Haften am Technischen zum
Banausentum führt. Wir müssen über das cinc wic über das andere
hinaus. Sind wir so iveit, daß wir Schöpfungen, die Geistcsthaten
sind, licbcr im Schrankc der Reichsten luftdicht verschließen wollen, als
ue Allen zu geben, dic Herz dafür haben, bloß deshalb, weil dic Repro-
duktion „die Technik umschlciert" — so sind wir leider auf dem Wege,
der vom Lebcn zur Staffclci führl, statt von der Staffelei ins volle
Leben hinaus. , ^ A.

Lffrislian Oielrick Grabbe.

Zu seinem hundertsten Geburtstage.j

Grabbe ist scit sünfundscchzig Jahren tot, abcr scine Wcrkc wcrden
noch immer gclcsen und noch immer viel gelobt. Freilich, wcr liest sic?
Sagt man zu viel, wenn man behauptet, daß es vornehmlich die heran-
reifendc abcr noch nicht gercifte Jugend ist, die ihn liest? Und wcr
preist sie? Ucbertreibt man, wcnn man sagt, daß es außcr jencr Jugcnd
vornehmlich die Leute sind, wclchc überhaupt nicht rcifcn, die sich in
übcrschwünglicher Begcistcrung vor Grabbes Werken ergchcn? Es gab
eine Zeit, und sie licgt gar nicht wcit hinter uns, da wurdcn Grabbe
und Hebbel in einem Atcm als die Genies der nachgoethischcn Literatur
genannt. Ein wcnig vorwärts sind wir ja wohl seitdem, aber bis zur
Klarheit sind wir noch nicht gekommen. Und doch ist cs, wie gcrade
im Kunstwart ja ost genug ausgcsührt ward, cincs der größtcn Erfor-
dcrnisse allcr gerechten Urtcilsbildung, daß man sich im Unterschcidcn,
daß man sich im Abstand halten übt. War Grabbe wirklich das Genie,
als das er uns immcr und immcr wicdcr gcpricscn wird? Bcnutzen wir
dcn hcutigcn Tag, um unscre Meinung darüber auszusprechen, ob sie
auch von dcr, dic in dcn Blättcrn sonst wicdcrhallt, noch so betrüchtlich
abweichcn müge. Kurz zusammensassen licße sic sich etwa so: cs wird
keiner so lange gclescn, dcr nicht ctwas ,hat", und so .hat" auch Grabbe

2. Dezcmberheft ^oz
 
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