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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1902)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Zur Rede des Kaisers
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0395

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Tur Keäe äes Käi^ers.

Als wir fürs crste Novemberhcft den Leitaufsah schriebcn, ahnteu
wir nicht, daß der Kaiser seine Grundsätze so bald in amtlicher Form
proklamieren würde. Denn um nichts Anderes handelt sich's bei der
Ansprachc an ,seine Künstlcr". Bisher hat Wilhelm II, wenn er sich
über Kunst äußerte, das immcr mehr als Privatmann gethan, in der
Ilntcrhaltung ein paar Worte fallen lassend, die dann aufgelesen und
weitergetragen wurden, wobei verloren ging und hinzukam. Eben des-
halb knüpften wir ja unsre Betrachtung nicht an die Redcn, sondern an
die Handlungen des Kaisers an. Jetzt sind wir gezwungen, auch zu
seinen Worten Stellung zu nehmen. Denn seinc Ansprache an die Bild-
hauer hat cr ausgesprochcner und betonter Maßen „als Landesherr" ge-
haltcn, und er hat selbst ihre Drucklegung im Wortlaut angcordnct.

Die Künstler warcn zum Kaiser ins Schloß geladen, um den Ab-
schluß der Siegesallee mit ihm zu feicrn. Von dieser also, von der
Siegesallee ging die Rede des fürstlichen Gastgebers aus, und schon was
cr über sie sagte, entsprach der von uns gekennzeichneten Auffassung der
Kunst als eines Mittels zu ihr wesenssremden Zwecken. Nur die Di-
rektive hab' er, der Kaiser, den Künstlern gegeben, im übrigen hab' er
ihnen „uollste Freiheit" gcwährt. Vollste Freiheit nümlich, damit auch
sie „cin Körncheii von dem eigenen Charakter"' ins Kunstwerk legen
könnten — der Kaiser empfand keinen Widerspruch dabei. Wir unser-
seits messen geradezu dcn Wert eines Kunstwerks an seinem Persönlich-
keits-, d. h. an seinem ursprünglichen Mcnschenseelengehalt, der Kaiser
wünscht ein Körnchen dnvon. Dann sprach er dcn Bildhauern seine
Zufriedenheit aus. Gewiß, ein jeder von ihnen hat den bei ihm be-
stelltcn Gnng des lcingen Kunstmahls mit einem Körnchen Persönlichkeit
gewürzt, und mehr konnt' er selbst dann nicht thun, wenn er in der
That, was manchc bestreiten, sich durch die Wünsche des Kaisers im
cinzelnen nicht beengt fühlte. Er konnt' es nicht, weil ihn der Plan
des Ganzen band.

Runstwart

2. Ianuarbeft 1902

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