DIE ERIPHYLE DES POLYONOT
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durch an seine frühere grosse That, wie er lebend in den Ha-
des hinabgestiegen und zur Oberwelt zurückgekehrt, seine
Lehre verbreitet hat.
So haben wir jetzt auch für Eripbyle eine Darstellung ge-
funden, die der Art des Polygnot nicht weniger genau ent-
spricht wie der Beschreibung des Pausanias. Es ist gleichgül-
tig, ob er Recht hat, wrenn er sich dort, wohin die Finger-
spitzen fühlen, unter dem Chiton die Halskette denkt, oder
ob, wie mir vorgeschlagen wird, Eripbyle nur nicht ablassen
kann von der Stelle, wo sie ein-st den verderblichen Schmuck
getragen1. Es ändert dies nichts an dem Sinn, und es dürfte
sich so wie so das hochgerühmte ήθος des Polygnot kaum in
einem anderen Falle so deutlich aussprechen, wie in diesem,
in dem der Meister mehr wie sonst dem Geiste Dante’s nahe
zu kommen scheint. Oder sollte man hier nicht an eine ewige
Qual, verursacht durch die böse That selbst, denken dürfen?
Wie echt polygnotisch dieses Bild ist, leuchtet jedenfalls
ein, wenn man sich an die riesige Kette der Amphiaraosvase
erinnert, zu der sich das heimliche Tasten bei Polygnot ver-
hält wie zu einem epischen Epitheton ein pindarisches Wort.
Amsterdam, im August 1893.
J. SIX.
‘<"Z£gf§-o··
1 Dieser selbsl war in Delphi geweiht, wo er blieb, bis Phayllos ihn für
seine Geliebte raubte, mit deren Besitz er verbrannt sein soll (Pausanias
VIII, 24,8. IX, 61,2. Ephoros bei Alhenaeus VI S. 232 e. Diodoros XVI,
64. Partheuios 25). Daneben besass man in Delos eine goldene Kelle der
Eripbyle, die in den Inventaren von 364 bis zum Anfang des zweiten Jahr-
hunderts vorkornmt (Bull, de corr. hell. 1884 S. 124. 1886 S. 46 i. 1890 S.
406. 1891 S. 134). Ein drittes Exemplar aus grünen Steinen mit Gold ge-
fasst halte man im Tempel des Adonis zu Amathus auf Kypros (Pausanias
XI, 61, 2). Ganz ebenso besitzt man heutigen Tages in Holland mehrere
öchwerter, mit denen Oldenbarneveid enthauptet und mehrere Bücherki-
sten, in denen Grotius gerettet worden.
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durch an seine frühere grosse That, wie er lebend in den Ha-
des hinabgestiegen und zur Oberwelt zurückgekehrt, seine
Lehre verbreitet hat.
So haben wir jetzt auch für Eripbyle eine Darstellung ge-
funden, die der Art des Polygnot nicht weniger genau ent-
spricht wie der Beschreibung des Pausanias. Es ist gleichgül-
tig, ob er Recht hat, wrenn er sich dort, wohin die Finger-
spitzen fühlen, unter dem Chiton die Halskette denkt, oder
ob, wie mir vorgeschlagen wird, Eripbyle nur nicht ablassen
kann von der Stelle, wo sie ein-st den verderblichen Schmuck
getragen1. Es ändert dies nichts an dem Sinn, und es dürfte
sich so wie so das hochgerühmte ήθος des Polygnot kaum in
einem anderen Falle so deutlich aussprechen, wie in diesem,
in dem der Meister mehr wie sonst dem Geiste Dante’s nahe
zu kommen scheint. Oder sollte man hier nicht an eine ewige
Qual, verursacht durch die böse That selbst, denken dürfen?
Wie echt polygnotisch dieses Bild ist, leuchtet jedenfalls
ein, wenn man sich an die riesige Kette der Amphiaraosvase
erinnert, zu der sich das heimliche Tasten bei Polygnot ver-
hält wie zu einem epischen Epitheton ein pindarisches Wort.
Amsterdam, im August 1893.
J. SIX.
‘<"Z£gf§-o··
1 Dieser selbsl war in Delphi geweiht, wo er blieb, bis Phayllos ihn für
seine Geliebte raubte, mit deren Besitz er verbrannt sein soll (Pausanias
VIII, 24,8. IX, 61,2. Ephoros bei Alhenaeus VI S. 232 e. Diodoros XVI,
64. Partheuios 25). Daneben besass man in Delos eine goldene Kelle der
Eripbyle, die in den Inventaren von 364 bis zum Anfang des zweiten Jahr-
hunderts vorkornmt (Bull, de corr. hell. 1884 S. 124. 1886 S. 46 i. 1890 S.
406. 1891 S. 134). Ein drittes Exemplar aus grünen Steinen mit Gold ge-
fasst halte man im Tempel des Adonis zu Amathus auf Kypros (Pausanias
XI, 61, 2). Ganz ebenso besitzt man heutigen Tages in Holland mehrere
öchwerter, mit denen Oldenbarneveid enthauptet und mehrere Bücherki-
sten, in denen Grotius gerettet worden.