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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 8
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Putzfassaden und Zierputz
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0074

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1906

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 8

und der dritte sie ausschnitt, auskratzte und abhob. Die an den Putz-
arbeiten des ersten Bauteils besonders unangenehm hervorgetretenen langen
wagrechten Tagesschichtränder wurden bei dein Verputzen der Hoffronten
des zweiten Bauteiles dadurch vermieden, daß nur verhältnismäßig schmale
senkrechte Streifen angeordnet wurden, so daß die nur kurze wagrechte
Naht stets zwischen zwei vortretenden Rohbaulisenen endete und daher
nicht auffiel, auch infolge des beschleunigten Herunterputzens der einzelnen
Felder weniger häufig vorkam. — Gliederungen, Gesimse, Fensterumrah-
mungen, Ecken u. s. w. wurden an den Fronten und Höfen des ersten
Bauteils aus Werkstein, an den Höfen des zweiten Bauteils aus Backstein
gebildet und mit schmaler glatter Putzborte eingefaßt. Wo aus besonderen
Gründen Putzkanten vorkamen, wurden sie mit tunlichst großem Radius
abgerundet oder in besonderen Kurven geschwungen.
Das Ornament ist meistens rein flächig, teppichartig, z. T. zu Nach-
ahmungen bildartiger Darstellungen oder (nach Art der Bemalung ober-
bayerischer Bauernhäuser) perspektivischer Architekturen gesteigert — teils
unselbständig den Formen des Werk- oder Backsteins folgend, teils selb-
ständig durch Werk- und Backsteine hindurch, über Fenster hinweg u. s. w.
die großen Gebäudeteile im ganzen zusammenfassend. Die schmälsten
rauhen Streifen, die sich zwischen glatten Flächen noch hielten, waren
etwa 2 cm breit. — Wo besondere Mannigfaltigkeit der Zierwirkung er-
wünscht schien, wurde umgekehrt rauhes Ornament zweiter Ordnung und
kleineren Maßstabes in die glatten Ornamentkörper eingelegt.
Da mit dem zweiten Bewurf alle Wirkungen der Technik auf einmal
erreicht wurden, hielt die Herstellung das Abrüsten nicht merkbar länger
auf als die des gewöhnlichen Verputzes.
Dieser Wandputz kostete einschließlich Schablonenanfertigung, Rüst-
ungen u. s. w., aber ohne Lieferung der Materialien, je nach Größe der


zusammenhängenden Fläche, Reichtum der Zeichnung und häufigerer oder
geringerer Wiederholung der Schablonen 3—7 Mark für 1 qm.
Die noch strenge Zierputzbehandlung des ersten Bauteils ist an den
Hoffronten des zweiten dahin erweitert, daß sie, für die Wirkung der Höfe
von vornherein als ästhetisch vorherrschend geplant, den ganzen Reiz der
Architektur auf sich zu nehmen hatte.
Um zugleich möglichste Ersparnisse zu erzielen und außerdem die
Trennung der Geschäftsbereiche des Land- und Amtsgerichts zu betonen,
wurden diese Hoffronten ganz ohne Werksteinformen mit großen, glatten
roten Backsteinflächen ohne Gliederung als Gegensatz zu den Putzflächen

Putzverzierungen an den Türen zu den
Sitzungssälen des Amtsgerichts I in Berlin.
Architekten: Geh. Oberbaurat P. Thoemer und
Landbauinspektor Prof. O. Schmalz in Berlin


ausgeführt. Die Backsteinflächen
wurden sehr wenig vorgelegt
und, um flächenartige, spielende
Übergänge zu den Formen der
Putzverzierung zu erhalten, weich
umrahmt.
Die obersten Abschlüsse der
Fronten wurden, da gegen die
verzierten Flächen ein einfaches
Profil selbst in Werkstein nicht
aufgekommen wäre, als leicht
durchbrochene, in Eisen ge-
schmiedete Friese vor tief aus-
gegründeten und zurückliegenden
geputzten Vouten zwischen den
Eisenstützen für die vorhängenden
Rinnen ausgebildet. Die Friese
bestehen z. T. aus ornamental
ausgebildeten §-Zeichen, z. T.
aus miteinander abwechselnden
Kronen und Wagen oder aus
Spruchbändern.
Die im Vorstehenden ge-
schilderte Zierputztechnik
wurde, nachdem sich ihre
Wirkung am Äußeren be-
währt und im Verhältnis
zu den Ausführungskosten

Amtsgericht I in Berlin. Architekten: Geh. Oberbaurat P. Thoemer und
Sitzungssaal. Landbauinspektor Prof. O. Schmalz in Berlin.


als dankbar erwiesen hatte, auch im Innern des zweiten Bau-
teils, den Räumen des Amtsgerichts I, angewendet. Die größere
Augennähe und der kleinere Maßstab der Ausführungen an
Wänden und Decken im Innern führten weiter zur abwechseln-
den Anwendung mehrerer verwandten Putztechniken, die — teils
jede für sich, teils mehrere zugleich benutzt — äußerst mannig-
faltige und durchaus eigenartige Gebilde ergaben, welche eben-
falls zum größten Teil von den Putzmaurern allein ohne Bei-
hilfe des Stuckateurs ausgeführt werden konnten. Sie enthalten
so vielseitige Anregungen und nutzbare Fingerzeige für eine
materialgerechte, ungekünstelte Dekorationsweise, die sich ganz
den Absichten des Architekten fügsam erweist, daß sie hier
ebenfalls in einer Reihe von Abbildungen wiedergegeben und
näher geschildert zu werden verdienen.

Amtsgericht I in Berlin. Architekten: Geh. Oberbaurat P. Thoemer und
Sitzungssaal. Landbauinspektor Prof. O. Schmalz in Berlin.


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