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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 9
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Wahrheit und Konstruktion als Schmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0080

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1906

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 9


Hauseingang in Bussum.

Architekt: K. de Bazel in Bussum.

und die Bahn frei zu machen für die Erfüllung großer Hoff-
nungen, welche die soziale und kulturelle Entwicklung der
Zukunft erfüllen soll.

Die Grundsätze dieser Richtung sind in anschaulicher und


anziehender Weise dargelegt in Berlages
»Gedanken über Stil in der Bau-
kunst«*). Ihm ist
»die ehrliche Konstruktion in vereinfach-
ter Form vorläufig das richtige Prinzip, nach
dem wir arbeiten sollen; ich möchte fast sagen:
dogmatisch, denn der wahre Künstler sorgt selbst
schon dafür, daß mit dem Prinzip die Welt nicht
zu Grunde geht. Wir sollen nicht in 25 Jahren
erreichen wollen, wozu frühere Generationen
einige Jahrhunderte brauchten; überstürzen wir
die Sache — und die Gefahr dazu in dieser
schnelllebenden Zeit ist groß —, dann werden wir
stolpern und müssen nachher vorn anfangen.«
In einem Nachtrag zu genannter
Schrift sagt er dann:
»(Ich habe) mich beschränkt auf die größte
Einfachheit und bei Aufbau und Verzierung nach
Lösungen gesucht, die mir am natürlichsten vor-
kamen .. . Architektur ist die Kunst der Raum-
umschließung, daher ist auf den Raum, in archi-
tektonischer Beziehung, konstruktiv wie dekorativ
der Hauptwert zu legen... Eine Raumumschließung
wird hergestellt durch Mauern, daher manifestiert
sich der Raum nach außen als ein Komplex von
Mauern. Auf die Mauer fällt daher wieder der
gebührende Wert, daß sie ihrer Natur nach flach
bleiben soll, denn eine zu sehr gegliederte Wand
verliert ihren Charakter als solche. Die Archi-
tektur der Wand bleibe daher Flächendekoration.
Die vorspringenden Architekturteile bleiben be-
schränkt auf diejenigen, die durch ihre
Konstruktion geboten sind, wie Fenster,
Sturze, Wasserspeier, Rinnen, einzelne
Gesimse u.s.w. Aus dieser ,Architektur
der Mauer“, wobei die vertikale Gliede-
rung von selbst wegfällt, folgt weiter,
daß die eventuellen Stützen, wie Pfeiler
und Säulen, keine vorspringenden Ka-
pitelle erhalten, sondern daß die Ent-
wicklung der Übergänge sich innerhalb
der Mauerfläche gestaltet. Die eigent-
liche Flächendekoration bilden die

*) Verlag von J.Zeitler, Leipzig 1905.

Kandelaber vor der Architekt: H. B. Berlage
Neuen Börse inAmsterdam. in Amsterdam.


Kredenz. Ausgeführt von E.J. van Wisseiingh & Co. in Amsterdam.
Fenster, die natürlich nur dort anzubringen sind, wo sie nötig sind, und
dann in den betreffenden verschiedenen Größen. — Diese Anordnung
schließt natürlich das Anbringen von einzelnen farbigen und bildnerischen
Verzierungen nicht aus; nur sollten dieselben nicht vorherrschen, und mit
größter Sorgfalt soll für sie die richtige Stelle gesucht werden. Dem
Prinzip gemäß sollen sie Flachornamente bleiben, d.h. in der Mauer vertieft,
und sollen sogar Figuren schließlich verzierte Mauerteile bilden.«
Ein Vergleich des Fassadensystems der kürzlich erweiterten
Börsenpassage in Amsterdam (Tafel 65 66), des ersten epoche-
machenden Bauwerks Berlages mit den neueren, ganz dem
Vorstehenden entsprechend durchgebildeten Bauten Neue Börse
in Amsterdam und Versicherungsgebäude am Augustusplatz
in Leipzig zeigt die geistige Durchdringung des Gewollten.
Wir dürfen die beiden letztgenannten Bauten hier als hinläng-
lich aus Bildern bekannt voraussetzen. Den vollen Eindruck
gibt freilich erst der Anblick, namentlich bei der Börse, mit dem
hohen Reiz von Farbe und Material, auch im Innern, und mit
der überraschenden Erkenntnis, wie harmonisch dieser durchaus



SäTOQ!


Hauseingang in Alkmaar.

«KSMÜSSn SM MM



Architekt: I<. de Bazel in Bussum.
Bildhauer: C. Oosschot.





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