1906
ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 10
Ruheraum mit Brunnen. Architekt: Geh. Baurat Professor
Dr. P. Wallot in Dresden.
Dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden 1906.
liehen Verhältnissen hervorgegangen, durch die Wiederbelebung
der alten Stile nicht gelöst werden konnten. Die Lösung dieser
Fragen aber ist der Angelpunkt unsrer ganzen Kunstentwicklung;
um sie dreht sich, im Grunde genommen, der Kampf, dessen
Siegespreis eine neue selbständige Kunst unsrer Zeit sein
soll. Einst hatte die erste deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung
in München mit der Vorführung von »Unsrer Väter Werken« die
Anknüpfung an heimische Überlieferung angebahnt und die
zweite, ebenfalls in München, 1888, gezeigt, was bis dahin auf
Grund dieser mit höchster Begeisterung aufgenommenen An-
regung technisch und stilistisch für unser Kunstgewerbe wieder-
gewonnen war. Demnach muß die gegenwärtige dritte Kunst-
gewerbe-Ausstellung Rechenschaft ablegen über den Stand
dieser großen Auseinandersetzung, welche sich unaufhaltsam
vollzieht und vollziehen muß zwischen der alten Überlieferung
der Kunst und den aus den neuen kulturellen und wirtschaft-
lichen Verhältnissen hervorgegangenen Anschauungen und Be-
dürfnissen unsrer Zeit, zwischen Handarbeit und Maschine,
zwischen vornehmer Einzelkunst für Reichbegüterte und wohl-
feiler, aber vollwertiger Kunst für die breiten Schichten, nicht
zum wenigsten auch über die ständigen Wandlungen des Ge-
schmacks. Sie muß zeigen, wie weit wir unsrer Väter Erbe
zu erwerben wußten, um es wirklich zu besitzen, um es auch
für unsre Zeit fortlebend nutzbar zu machen, oder wo und
wie weit Neues an die Stelle des Überlieferten zu treten hat
oder schon getreten ist.
Das Programm der Ausstellung hat die eingehende Er-
örterung und Klärung aller dieser Fragen in weitsichtiger und
umfassender Weise angebahnt. Es stellte die Aufgabe, ein
Bild künstlerischer Kultur unsrer Tage zu geben, nicht
— wie gewöhnlich aus zweiter und dritter Hand durch
eine Blütenlese von Ausstellungsarbeiten der »führenden«
Fabrikanten und Magazine, sondern rein und ungeschminkt,
indem es die Künstler selbst aufrief zur Darlegung ihres
Wollens in für unsre Zeit möglichst bezeichnenden Beispielen
der Raumkunst, in denen alle Einzelleistungen der Kunst, des
Kunsthandwerks und der Kunstindustrie sich zum zweckent-
sprechenden und stimmungsvollen Ganzen zusammenfügen.
Das konnte nicht sogenannte »Ausstellungsräume«, unmöglich
gestaltete und belichtete »Kojen« ergeben, sondern nur ernste
sachgemäße Lösungen, Räume, so gestaltet, wie sie gebraucht
werden und die das bieten, was unsre Zeit zu leisten vermag.
Und wie das Streben der Besten unsrer Zeit dahin geht,
die künstlerische Kultur wieder auf allen Gebieten durchzu-
setzen, unser gesamtes Dasein damit zu durchdringen, zu ver-
edeln und zu schmücken, so hat die Dresdener Ausstellung
die Vorführung der Raumkunst nicht nur auf Wohn- und
private Festräume beschränkt. Kirchen und Schulen, Andachts-
und Versammlungsräume, öffentliche Sitzungssäle, Standes-
amtszimmer, ein Modelltheater, Geschäftszimmer und Läden,
Sammlungs-, Lese- und Ausstellungsräume, Beamten-, Arbeiter-
und Bauernhäuser, ja selbst Bahnhofseinrichtungen, Gärten
und Brunnenhöfe sind einbezogen und der Gestaltung des
Friedhofs und des Einzelgrabes ist besondere Sorgfalt gewidmet.
Neben dieser Ausstellung der Raumkunst ist eine Gruppe
Gartenpavillon.
Dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden 1906.
Architekt: Albin Müller in Magdeburg.
Ausgeführt von Paul Schuster, Zimmermeister daselbst.
ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 10
Ruheraum mit Brunnen. Architekt: Geh. Baurat Professor
Dr. P. Wallot in Dresden.
Dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden 1906.
liehen Verhältnissen hervorgegangen, durch die Wiederbelebung
der alten Stile nicht gelöst werden konnten. Die Lösung dieser
Fragen aber ist der Angelpunkt unsrer ganzen Kunstentwicklung;
um sie dreht sich, im Grunde genommen, der Kampf, dessen
Siegespreis eine neue selbständige Kunst unsrer Zeit sein
soll. Einst hatte die erste deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung
in München mit der Vorführung von »Unsrer Väter Werken« die
Anknüpfung an heimische Überlieferung angebahnt und die
zweite, ebenfalls in München, 1888, gezeigt, was bis dahin auf
Grund dieser mit höchster Begeisterung aufgenommenen An-
regung technisch und stilistisch für unser Kunstgewerbe wieder-
gewonnen war. Demnach muß die gegenwärtige dritte Kunst-
gewerbe-Ausstellung Rechenschaft ablegen über den Stand
dieser großen Auseinandersetzung, welche sich unaufhaltsam
vollzieht und vollziehen muß zwischen der alten Überlieferung
der Kunst und den aus den neuen kulturellen und wirtschaft-
lichen Verhältnissen hervorgegangenen Anschauungen und Be-
dürfnissen unsrer Zeit, zwischen Handarbeit und Maschine,
zwischen vornehmer Einzelkunst für Reichbegüterte und wohl-
feiler, aber vollwertiger Kunst für die breiten Schichten, nicht
zum wenigsten auch über die ständigen Wandlungen des Ge-
schmacks. Sie muß zeigen, wie weit wir unsrer Väter Erbe
zu erwerben wußten, um es wirklich zu besitzen, um es auch
für unsre Zeit fortlebend nutzbar zu machen, oder wo und
wie weit Neues an die Stelle des Überlieferten zu treten hat
oder schon getreten ist.
Das Programm der Ausstellung hat die eingehende Er-
örterung und Klärung aller dieser Fragen in weitsichtiger und
umfassender Weise angebahnt. Es stellte die Aufgabe, ein
Bild künstlerischer Kultur unsrer Tage zu geben, nicht
— wie gewöhnlich aus zweiter und dritter Hand durch
eine Blütenlese von Ausstellungsarbeiten der »führenden«
Fabrikanten und Magazine, sondern rein und ungeschminkt,
indem es die Künstler selbst aufrief zur Darlegung ihres
Wollens in für unsre Zeit möglichst bezeichnenden Beispielen
der Raumkunst, in denen alle Einzelleistungen der Kunst, des
Kunsthandwerks und der Kunstindustrie sich zum zweckent-
sprechenden und stimmungsvollen Ganzen zusammenfügen.
Das konnte nicht sogenannte »Ausstellungsräume«, unmöglich
gestaltete und belichtete »Kojen« ergeben, sondern nur ernste
sachgemäße Lösungen, Räume, so gestaltet, wie sie gebraucht
werden und die das bieten, was unsre Zeit zu leisten vermag.
Und wie das Streben der Besten unsrer Zeit dahin geht,
die künstlerische Kultur wieder auf allen Gebieten durchzu-
setzen, unser gesamtes Dasein damit zu durchdringen, zu ver-
edeln und zu schmücken, so hat die Dresdener Ausstellung
die Vorführung der Raumkunst nicht nur auf Wohn- und
private Festräume beschränkt. Kirchen und Schulen, Andachts-
und Versammlungsräume, öffentliche Sitzungssäle, Standes-
amtszimmer, ein Modelltheater, Geschäftszimmer und Läden,
Sammlungs-, Lese- und Ausstellungsräume, Beamten-, Arbeiter-
und Bauernhäuser, ja selbst Bahnhofseinrichtungen, Gärten
und Brunnenhöfe sind einbezogen und der Gestaltung des
Friedhofs und des Einzelgrabes ist besondere Sorgfalt gewidmet.
Neben dieser Ausstellung der Raumkunst ist eine Gruppe
Gartenpavillon.
Dritte Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden 1906.
Architekt: Albin Müller in Magdeburg.
Ausgeführt von Paul Schuster, Zimmermeister daselbst.