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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 22.1906

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Heft 11
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Zetzsche, Carl: Von der Bayrischen Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.44851#0095

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1Q06

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 11

glaube, er läßt sich zusammenfassen in die Worte: festlich,
schön und natürlich.
Festlich ist der erste Eindruck des prächtigen Bildes, das sich
den durch den Birkenhain und das innere Tor in den Vorhof
Eintretenden so überraschend darbietet, der große freie Platz
mit den stattlichen Gebäuden in lichtem Festgewande rings-
um, die mächtigen Strahlen der Springbrunnen und das kräf-
tige Grün der Gartenanlagen und die dunklen Föhren im
Hintergründe. Schön sind die Verhältnisse der Anlage und
der Gebäudegruppen und schön ist die einheitliche Zusammen-
stimmung der zahlreichen Bauten, die längs der großen Haupt-
achse aneinander gereiht sind. Obwohl sie, von verschiedenen
Künstlern entworfen, durchaus deren selbständige Sprache
reden und ihre Eigenart ebenso verschieden ist wie ihr Inhalt,
ergibt sich doch kein Mißklang, weil ein Geist sie durchweht,
das Streben nach Natürlichkeit des Ausdruckes und der Zweck-
erfüllung. Hier stört das Gesamtbild kein Hervordrängen, kein
sich gegenseitig überbieten wollen; hier steigern keine Theater-
kulissen und Stuckorgien die natürliche, festlich gehobene
Stimmung zu einem falschen Pathos. Nicht Dekorationsstücke
berühmter Paläste und antiker Tempelfassaden sind hervor-
gesucht: immer wieder wird das Auge wohltuend berührt
durch die natürliche und gerade deshalb um so vornehmere
Übereinstimmung von Formen und Zweck, von Schmuckweisen
und Material.
So erscheinen uns die Bauten in ihrer Gesamtheit als
eine bedeutungsvolle, fortschrittliche Leistung auf dem Gebiete
der Ausstellungsarchitektur, die eine eingehendere Behandlung
der Einzelheiten verdient.
* *

Nach Aufstellung des Gesamtplanes durch Oberbaurat
von Kramer wurde, um möglichst viele Künstler zu be-
teiligen, unter den in Bayern ansässigen oder heimatberech-
tigten Architekten ein Wettbewerb ausgeschrieben zur Er-
langung von Entwürfen für das Hauptindustriegebäude, für
ein Kunstausstellungsgebäude nebst Abteilung für die histo-
rische Ausstellung, eine Festhalle mit Bierwirtschaft mit Ar-

Das Hauptindustriegebäude. Architekt: Oberbaurat
Nebeneingang. Th. von Kramer in Nürnberg.
Bayrische Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg 1906.


Die Kunsthalle. Architekt: Professor Paul
Kuppelraum. Pfann in München.


Bayrische Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg 1906.
kaden und Türmen, für die Verwaltungsgebäude mit dem
inneren Tore, für den Haupteingang und für die Maschinen-
halle. Das Ergebnis entsprach nicht den Erwartungen. Es
gingen zwar insgesamt 95 Entwürfe ein, aber nur der Ent-
wurf der Münchener Architekten H. Dötsch, J. Lang und
H. Zeller für das Hauptrestaurant wurde zur Ausführung ge-
eignet befunden und mit einem 1. Preise ausgezeichnet. Außer-
dem wurden noch drei 3. Preise zuerkannt und acht Entwürfe
angekauft. Infolgedessen wurde die Bearbeitung der übrigen
Entwürfe wie der kleineren Bauten direkt vergeben und nur für
die Kunsthalle ein engerer Wettbewerb unter den Münchener
und Nürnberger Architekten ausgeschrieben. In diesem erhielten
unter acht Bewerbern Professor Paul Pfann den 1. Preis,
die Gebr. Rank den 2. Preis (von uns bereits auf Tafel 33
d. Jahrg. veröffentlicht) und Professor Em. Seidl und Archi-
tekt J. Schm ei ßn er-Nürnberg je einen 3. Preis.
Für den Entwurf zum Ausstellungsgebäude der Staats-
regierung hatte diese ebenfalls einen Wettbewerb unter den
im Staatsdienst befindlichen Architekten ausgeschrieben. Unter
elf Teilnehmern erhielten die Kgl. Bauamtsassessoren Ullmann
in Nürnberg und Bestelmeyer in München je einen 2., die
Staatsbauassistenten Buchert und Neu je einen 3. Preis, zwei
Entwürfe wurden angekauft und drei belobt. Der Ullmannsche
Entwurf gelangte zur Ausführung.
:::

Der Aufbau wie die künstlerische Durchführung der Ge-
bäude im Äußeren und Inneren (über Grundrisse, Baumaterial,
Konstruktionen und Größenverhältnisse siehe 1. Beilage) ist
durchaus nach den Gesichtspunkten erfolgt, welche für vor-
übergehende Ausstellungsbauten zu gelten haben. Wohltuend
berührt vor allem die Beschränkung in der Verwendung
dekorativer Architekturteile und plastischer Verzierungen zu
Gunsten des Hervortretens von Flächen- und Farbenwirkungen
und die mit feinem künstlerischem Empfinden durchgeführte
Milderung des eintönigen blendenden Weißes der Gebäude-
massen, die durch verschiedene Behandlung der Putzflächen
(Rauhputz, eingeschnittene und eingepreßte Verzierungen und
Teilungen), eingelegte farbige Stuckfriese und Mosaikeinlagen,
oder durch zurückhaltende ornamentale oder besser lineare
Bemalung und durch größere farbenprächtige Gemälde an be-
sonders hervorzuhebenden Bauteilen bewirkt ist. Unsre Ab-
bildungen vermögen leider den Reiz der Farbe, auf der hier
vielfach die Hauptwirkung beruht, nicht wiederzugeben, wes-
halb wir bei der nachstehenden Besprechung der einzelnen
Bauten und Räume die Farbenzusammenstellungen angeben
wollen.

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