Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 2.1840

DOI Heft:
Eines Archivars Betrachtungen bei seiner Arbeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22584#0285

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
263

das Blei mit dem Petrus- und Paulus-Kopf an der reistenen Schnur fiel
heraus, ich fand die bekannte reinliche Schrift der römischen Kanzlei und
las im Eingänge: „AI. episcopiis 8orvu8 86ivornin Es war ein
Breve Pabst Martin des Vierten vom Jahre zwölfhundert acht und
zwanzig, worin alle die Grafen, Freiherren, Ritter und Edelknechte, welche
sanktblafische Güter zu Lehen trugen, unter Androhung des Kirchenbannes
ermahnt werden, dem Kloster die gebührenden Zinse und Abgaben alljähr-
lich ungeschmälert zu entrichten. Der Inhalt dieses Dokuments, von
welchem ich wenig erwartet hatte, führte mich gleichwohl auf mancherlei
Betrachtungen. Welch' ein sonderbares Geschlecht war der damalige Adel
— mit der einen Hand beschenkte er überall die Kirchen und Klöster, und
mit der andern beraubte er sie! Eine blinde Frömmigkeit ließ ihn freigebig
sepn, während daneben eine oft unersättliche Habsucht die abscheulichsten
Mittel der List und Gewalt nicht verschmähte, um seine Unterdrükun-
gen durchzuführen und seine Anmaßungen zu behaupten. Wenn aber an-
gesehene und einflußreiche Klöster diesem Unwesen nicht immer mit Erfolg
widerstunden, wie blosgestellt mußten ihm alsdann erst einzelne arme Ge-
meinden und Bauerschaften sepn! Ja, diese edelgebornen Herren trieben
es arg ihr Leben hindurch, und wenn sie dann alt waren, wenn sie auf das
Sterbelager kamen, da sollte der Himmel wieder versöhnt werden — man
rief einen Pfaffen herbei und dieser versprach dem Sterbenden gerne die
Seligkeit, wenn er reuig sep und zur Ehre Gottes und seiner Heiligen eine
fromme Stiftung mache. Was that alsdann das geängstigte Gewissen
nicht? Es gibt Beispiele genug solch' übertriebener Schenkungen,
welche oft eben deswegen von den Erben der Stifter nicht anerkannt wur-
den und zu blutigem Streite führten.
Es verdroß mich, daß meine ganze Ausbeute aus dem dreizehnten Jahr-
hundert nur in diesen zwei einzigen Urkunden bestund. Denn bei der Ar-
beit eines Archivars steigt das Vergnügen der Entdekung mit jeder ältern
Jahrzahl, und so umgekehrt. Ich tröstete mich indessen wieder, da die
Dokumente des folgenden Jahrhunderts den Mangel des höhern Alterthums
dadurch ersezen, daß sie meistens in deutscher Sprache gegeben sind, was
oft zu den interessantesten Wortforschungen veranlaßt. Ich nahm also
Nummer drei zur Hand, einen kleinen Pergamentbrief vom Jahre drei-
zehnhundert und zwölf, der aber gerade nicht deutsch abgefaßt ist. Er ent-
hält das Zeugenverhör in einer Streitsache zwischen den Johannitern von
Neuenburg und der Familie Schnewlin über Güter und Zinse, welche
zu ihren beiderseitigen Höfen in Schliengen gehörten. Das Ergebniß fiel
zu Gunsten der einflußreichen Ordensherren aus, aber die Urkunde bemerkt
am Schlüsse ganz getreulich: „Viele zur Zeugenschaft beigezogene Leute
 
Annotationen