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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 2.1840

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Die Wiedertäuferlehre im Hauensteinischen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22584#0309

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hochfahrend und rachsüchtig, sparsam und wohlhabend, fromm und
abergläubisch, gewinnt der Haueusteiner einen besondern Anstrich des
Volksgeisteö. Zwar treuherzig ist er, durchblitzt ihn aber die Beleidigung,
so strömen in schwergurgelnden Strömen hartstrafende Reden aus der
freien Brust, und obwohl treu dem Fürsten, hegt er dennoch gegen jeden
Herrn einen angestammten Argwohn. Mit einer von Mystik verbrämten
Frömmigkeit hüllt er seine leidenschaftlichen Thaten in die Form des
Religiösen; zn ranhen Arbeiten rüstig, verachtet er alle Kultur durch
Schulen und Bücher; das jeder Sohn dazu getrieben wird, nur die
Schriften und Rechnungen entziffern zu können, fordert bei ihm die
Klugheit, denn der oberste, erste und letzte Zweck aller seiner Arbeiten,
Handlungen, Wünsche und Gebete besteht in Förderung seines irdischen
WohlseynS.
Bei einem so sonderheitlichen Völklein mußte die Neigung zur
religiös-politischen Freiheit einen leichten Eingang finden. Aber nicht
Münzer oder ein anderer zeitvcrwandtcr Schwärmer war es, der diesen
gefahrvollen Zunder zuerst anfachte; sein Ursprung verliert sich in ferner
Vorzeit. Nicht nur durch die Einheit derselben Regenten, sondern viel-
mehr noch durch Verkehr und Ähnlichkeit der Gesinnung stand diese
Gegend mit einem Theil der nördlichen Schweiz in vielfacher Ver-
bindung. Wenn nun dort die Vorliebe des Volks zu geheimer Lehre
und verborgenen Gesellschaften bald einem wallenden Pilger, bald einem
flüchtigen Schüler des unglücklichen Dolcinto Dinge abhorchte, worin
der Same späterer Revolutionen und Kriege für die Freiheit lag, wenn
dort insbesondere Peter Abailards vertrauter Schüler gegen Bernhard
von Klairvaur den konstanzischen Bischof Hermann ernstvoll warnte,
dann selbst in Predigten mit prophetischem Feuer denselben bestritt —
wenn dort Arnold von Brescia die Herzen für Freiheit gewonnen hatte,
so mußte auch uuser der schweizerischen Nachbarschaft verbrüdertes Land
jenen Einflüssen ebenfalls offen stehen.
Je drückender die Ritter und Klöster das Joch der Leibeigenschaft
den Waldbewohner fühlen ließen, öffentlich jede sich emporwindende
Regung niedertraten und so die Volksrechte verhöhnend sich ihrer Burg
oder Klausur auvertrauten, desto mehr wuchs der Mismuth, desto
eifriger weidete sich die Rachbegier an den Bildern der zu stürzenden
Tyrannen. So überließen sich die Gemüther in geheimen Kreisen den
wildesten und feindseligsten Eingebungen, „welche unwiderstehliche Re-
volutionen bereiteten, unerwartet denen, die ihr Volk nicht kannten,
weil sie es durch Schrecknisse von sich entfremdet."
 
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