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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 3.1933/​1935(1936)

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Heft 4 (April 1934)
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https://doi.org/10.11588/diglit.27454#0161

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Eine Landesaufnahme erfordert nicht nur jahrelange, forgfältige Be--
gehung, sondern auch die umfassende Kenntnis von Natur und Geschichte; so
sind denn von Stoll sowohl die Bodenarten auf Grund der neuen geologischen
Karten sorgfältig beobachtet und selbständig gewertet worden, als die abge-
gangenen Orte, Gemarkungen, Kirchenpatrone des Mittelalters und die Flur--
namen der Gegenwart berücksichtigt. Dazu kommt Vorsicht in der Bearbeitung
(z. B. bezüglich der „Kontinuität"), ein klarer Stil, gute und zahlreiche -Zeich-
nungen von Funden und Lagerplänen. Wer das Buch durcharbeitet, fühlt
das geschichtliche Leben einer Landschaft und bekommt ordentlich Lust. an der
Hand eines solchen ausgezeichneten Führers hier ein Musterbeispiel urge-
schichtlicher Besiedlung auch im Gelände sich einzuprägen: es lohnt sich!

Bei der gedrängten Darstellungsweise Stolls ist es schwer, unseren Lesern
auch nur die Hauptergebnisse vorzuführen; ich halte die Lektüre des Buches
für unerläßlich für jeden, der in Süddeutschland im Gelände arbeiten will.
Jmmerhin seien einige Hauptzüge nachgezeichnet. Da ist die Llbfolge in der
Benützung und Erschliehung der Bodenarten durch die bäuerliche Besiedlung.
Die neolithischen Bandkeramiker nützen auch das kleinste Vorkommnis von
Lößlehm (nicht reiner Löß, wie Stoll zu Schliz weiterführend betont) und
schwerem Berwitterungslehm aus; 3—4 Siedlungen kommen aus eine heutige
Gemarkung. Einen Fortschritt bringt die Hallstattzeit, die auch Mergel- und
Tonböden besetzt und dazu Bodung von älrwald notwendig hatte; Bearbei-
tung solch schwerer Böden und Baumfällen ist offenbar ermöglicht durch das
neue Werkzeugmaterial, das Eisen. Die Alemannen besetzen sodann noch in
öer Völkerwanderungszeit die steinigen Kalkböden, aber erst das srühe Mittel-
alter die Sand-(d. h. Duntsandstein-)böden. Die Siedlungssläche als solche er-
weitert sich also stetig. Oder man nehme den Wechsel in der Hauptliedlungs-
form: geschlossene Dörfer bei den neolithischen Bandkeramikern und bei den
Alemannen, dazwischen aber der Einzelhos und kleinere Weiler; eine Markt-
siedlung — Zumelokerina — erst von der Latenezeit an, die von den Römern
zur Stadt ausgebaut wird.

Darüber hinaus bringt ein derartig intensives Studium der Besiedlung
einer Landschaft die Geschichte d-er Bevölkerung zum Bewußtsein. Die prä-
historische Periodeneinteilung (Stein-, Bronze-, Hallstattzeit usw.) muß ja
gewerbliche Gesichtspunkte zugrunde legen und ist so zwar ein Stück Arbeits-,
ja Geistesgeschichte; die Volksgeschichte aber, wie sie hier in der Besiedlung
spürbar wird, greist überall über solche Einteilungsgrenzen Hinweg; Ende der
Jungsteinzeit und Anfang der Bronzezeit, Ende der Hallstattzeit und Ansang
der Latenezeit sind z. B. ersüllt von einheitlichem Geschehen, dort von einer
kriegerischen Wanderung, hier der Blüte einer wohlhabenden, seßhaften De-
völkerung. „Römische" und „Völkerwanderungszeit" aber sind schon rein histo-
rische Einteilungen. Die jeweilige Ausnützung des Geländes beweist, daß der
Lebensraum auch in jener Feit eng war und wie sehr der Mensch den tech-
nischen Erfindungen (Eisen z. B.) und der organisatorischen Erschließung der
Landschaft (mittelalterliche Kolonisation) zu Dank verpflichtet ist. Schließlich
zeigt sich die verhältnismäßige Freiheit des geschichtlichen Geschehens inner-
halb der äußeren Grundgegebenheiten; die „indogermanische" Völkerwande-
rung zu Ende der Jungsteinzeit zerstört die friedliche, dichte Bauernbesiedlung
und läht auf Jahrhunderte hinaus in der Bronzezeit jede Spur fester Aieöer-
lassung verschwinden, während die germanische Völkerwanderung die unver-
rückbaren Grundlagen heutigen Volkstums durch eine dichte bäuerliche Be-
siedlung legt.

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