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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 1/2
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Gmelin, Leopold: Das Projekt einer deutsch-nationalen Kunstgewerbe-Ausstellung in München i. J. 1888
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0006

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Nun aber entstand die Kollision mit der von der
Münchener Künstlergenossenfchaft für dasselbe Jahr und die-
selbe Lokalität geplanten internationalen Kunstausstellung, ein
Zusammentreffen, welches ebensowohl das andere Unter-
nehmen unmöglich machen, als auch demselben zu ganz eigen-
artigem Glanz verhelfen konnte. Der Vereinsausschuß
setzte sich demzufolge mit dem der Künstlergenossenschaft
in Verbindung und verständigte sich mit demselben auf
der Basis, ein gemeinsames Ausstellungs-Unternehmen
ins Auge zu fassen, wobei namentlich der Veffentlichkeit
gegenüber gemeinsam vorgegangen, der innere Organismus
aber getrennt bleiben sollte. Beide Unternehmen sollen
sich gegenseitig unterstützen und zu diesem Zwecke sollte der
Glaspalast von dem gemeinschaftlichen Vestibül aus getheilt
und durch Annexbauten in dem derzeitigen botanischen
Garten hinreichend vergrößert werden. Zur Veranschau-
lichung dieses Gedankens hat Prof. Fr. Thiersch vier
Projekte ausgearbeitet, welche diese Nebenbauten in ver-
schiedener Ausdehnung zeigen, theils im engen Anschluß
an den Glaspalast, theils isolirt von ihm.

Jetzt war für die Vorstandschaft der Augenblick ge-
kommen, in welchem sie die Zustimmung der General-
versammlung zu den bereits erfolgten und zu den noch
ferner beabsichtigten Schritten einholen mußte, um das
ganze Gewicht des Vereins einfetzen und mit größt-
möglichem Nachdruck die Erreichung des hohen Zieles
erreichen zu können. Daß sich die Vorstandschaft auf dem
richtigen N)ege befunden, das bewies die einstimmige,
freudige Zustimmung zu der die Generalversammlung ein-
leitenden und die Entwickelungsgeschichte der Ausstellung
darlegenden Rede des Vorsitzenden, kjrn. Direktor Lange,
deren wesentlichste Momente wir in: Obigen vorgeführt
haben und welche darin gipfelte, daß folgende Resolutionen
auf's Eingehendste begründet und der Annahme der Ver-
sammlung empfohlen wurden:

Die Generalversammlung ertheilt dem Projekte
einer vom Bayerischen Kunstgewerbe-Verein für das Jahr
t888 dahier zu veranstaltenden deutsch-nationalen Kunst-
gewerbe-Ausstellung ihre volle Zustimmung.

2. Die Generalversammlung ist hierbei der Ueber-
zeugung, daß die Durchführung dieses Projektes ohne zu
große finanzielle Opfer für den Verein wie für die Aus-
steller nur bei Benützung des Glaspalastes in seiner Ge-
sammtheit, eventuellen Falles aber bei Benützung von
mindestens der Hälfte des Glaspalastes unter Anfügung
von Annexbauten im Areal des kgl. botanischen Gartens
möglich sei.

3. Angesichts des von der Münchener Künstler-
genoffenschaft gleichfalls für das Jahr f888 im Glas-
palaste geplanten Internationalen Kunst-Ausstellung be-
schließt die Generalversammlung, daß auf Grundlage des
unter 2 ausgesprochenen Eventualfalles ein Zusammen-
gehen mit der Münchener Künstlergenossenschaft zu einem
gemeinsamen, organisch jedoch getrennt bleibenden Unter-
nehmen anzustreben sei.

H. Die Generalversammlung beschließt, an das Staats-
ministerium die Bitte zu richten, daß dem Bayerischen
Kunstgewerbeverein zum Zwecke der Durchführung seines
Ausstellungsprojektes der Glaspalast für das Jahr f888
zur Benützung bezw. Mitbenützung zugestanden und außer-

dem auch ein Theil des k. botanischen Gartens behufs
Errichtung provisorischer Annexbauten überlassen werden
wolle.

5. Die Generalversammlung behält sich alle weiteren
Beschlüsse, so namentlich die Genehmigung eines Finanz-
planes bis zur Berichterstattung über das Ergebniß der
unter 3 und ^ beschlossenen Schritte vor.

Nach einer auf den mehr als einstündigen Vortrag
folgenden Pause, während welcher die lebhafte Diskussion
Zeugniß von dem hochgradig erregten Interesse gab, ergriff
der greise Ehrenvorstand des Vereins, Hr. v. Miller ssn.,
das Mort, um die Annahme der Resolutionen zu befür-
worten. Obgleich das gedruckte Mort nur ein schwacher
Abglanz von dem ist, wie es aus dem Munde eines so
warmfühlenden Freundes des Kunsthandwerks quillt, können
wir es uns doch nicht versagen, die Rede, welche so recht
aus dem Kerzen kam und darum auch zu Kerzen ging,
mit geringen Kürzungen wiederzugeben:

„Meine Herren! Unser Herr Vorstand hat uns eine
Darstellung des Projekts gegeben, so umfassend, gründlich
und klar, daß wenig mehr hinzuzufügen ist. Indeß folge
ich gern seiner Aufforderung, einige Morte anzuschließen,
um, wenn — was ich sehr bedauern würde — über die
Nothwendigkeitsfrage noch Zweifel bestünden, diese zu zer-
streuen. Es darf unser Ruf, der Ruf der Stadt München
in kunstgewerblicher Beziehung, den wir uns mühsam und
in hartem Ringen erworben, nicht verloren gehen. Es ist
eine Lebensfrage für uns und für das ganze deutsche
Kunstgewerbe, in viel höherem Grade als dis für uns
doch noch fragliche Pariser Ausstellung. Die Abhaltung
der deutsch-nationalen Ausstellung ist eine viel edlere und
schönere Aufgabe, als die Betheiligung an der Pariser
Meltausstellung (Bravo). Die erste begegnet einer allge-
meinen Sympathie und darum dürfen uns auch die Be-
denken dagegen nicht abhalten lassen, mit aller Kraft auf
dieses Ziel loszusteuern. Ls ist ja möglich, daß wir die
pariser Ausstellung beschicken, wir werden sie ja wohl
beschicken, aber, meine Herren, wer die pariser Aus-
stellungen kennt, der wird zugeben, daß unser Projekt ein
weitaus idealeres ist als die pariser Ausstellung, wo man
an den Erzeugnissen der Kunst zwischen dem Geklapper
der Dampfmaschinen und unter Maschinenölgeruch sich
erbauen muß.

Mie Herr Vorredner schon benierkt hat, ist der plan
einer deutsch-nationalen Kunstgewerbe-Ausstellung überhaupt
nicht neu. Aber eine gewisse Ausstellungsmüdigkeit hat
eine Begeisterung für das Unternehmen nicht recht auf-
kommen lassen. Zu meiner lebhaften Freude nehme ich
aber wahr, daß es jetzt anders ist, und daß das regste
Interesse sich kundgibt. Die Schwierigkeiten sind nicht
außer acht zu lassen. Mit Muth und That und ein-
trächtigem Schaffen aber werden sie überwunden. Dem
entspricht auch der Munsch einer gemeinsamen Ausstellung
für die Kunst und das Kunstgewerbe, natürlich unter der
Bedingung, daß Platz geschaffen werde. Die Künstler-
genossenschaft hat die Priorität im Glaspalaste für sich, da
sie bereits die Bewilligung zu dessen Ueberlafsung von der
k. Staatsregierung hat; es muß daher der Kunstgewerbe-
verein die Kosten für die beabsichtigten Annexbauten auf
sich nehmen.
 
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