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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 1/2
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Sepp, J.: Der Hermes von Olympia und dessen gewagte Restauration, [1]: Vortrag, gehalten im Bayer. Kunstgewerbevereins zu München von Prof. Dr. J. Sepp
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0009

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ein. In den Jahren 522 und 55J erschütterte ein Erd-
beben (so verheerend wie Heuer s886) den Peloponnes; das
größte Unglück war wohl die Zerstörung der Tempelstadt
und der heiligthümer. Brand kam dazu, das Holz an der
vereinsamten kolossalen Zeusstatue war bereits von Mäusen
zerfressen. Das Gotteshaupt wurde unter Iustiniau nach
Tonstantinopel versetzt und dort von einer Feuersbrunst
verzehrt. Mit dem Hellenismus fand auch Tempel und
Bild des alten Herrschers seinen Untergang.

Neben Vater Zeus hatte
die Göttermutter im heräon
ihr besonders großes Heilig-
thum, und für dieses brachte
Praxiteles, etwa dreißig
Jahre alt, in schwungvoller
Begeisterung seinen Hermes
mit denr Unaben Dionysos
zur Ausführung. Sollte diese
Gruppe an so heiligem Orte
bloß eine Lustbarkeit vor-
stellen, und nicht vielmehr
als Aultusbild von der
höchsten religiösen Be-
deutung sein? Tin Rind,
zum Scherze auf dein Arme
geschaukelt, gewährt keine
großartige Vorstellung. Mas
uns erhalten ist, gestattet eine
eminent höhere Deutung. Die
Slavenfluth war 589 über
die Landschaft Llis hinge-
gangen, und die klassische
Gegend verfiel in erbarmens-
werthe Barbarei. Im Laufe
der Zeit versandete und ver-
schüttete noch der Alpheus
durch feine Ueberschwemm-
ungen die Tenrpelruinen mit
Schlammschichten von drei
bis fünf Meter höhe und ver-
barg sie so den Augen der
Welt zunr Glück für die Zu-
kunft. Thandlersandl766
noch aufrechte Reste von den
Tellamauern des Zeustem-
pels. Daß hier große Schätze
verborgen liegen, hat schon
Winckelmann geahnt und
begehrte selber dahin, als er
von der Hand seines durch
die antiken Münzen seines
Herrn geblendeten Dieners
in Triest ermordet ward. Haller von hallerstein, der
hochverdiente Architekt aus Nürnberg, welcher bei der Aus-
grabung der Aegineten mitbetheiligt war, hatte vom Aron-
prinzen Ludwig von Bayern nicht nur Geld zu An-
käufen, sondern auch zu Grabungen erhalten. Der ganze
Theaterbezirk von Milos war gepachlet, und wäre
Haller nicht mit Tod abgegangen, so stände die ^820
zufällig vom Grundbesitzer aus einem Gewölbe hervorgezogene

Aphrodite statt im Louvre — in der Glyptothek zu München.
Im Jahre i[829 vollführten in Olympia Franzosen einen
Raubbau. Darnach faßte Aönig Otto den Entschluß zur
ordentlichen Ausgrabung, aber woher die Mittel nehmen?

Es ist ein nationaler Triumph, daß das geeinigte
Deutschland auf Professor Lurtius Anregung f875 die-
selbe in Angriff nahm, und als erste Leistung auf dem
Gebiete der Runst das glänzende Ergebniß erzielte.

Herrn es statu en schufen phidias, Skopas und poly-

kletos, ebenso Aephisodotos,
dem wir die Irene mit Plu-
tos auf dem Arme in unserer
Pinakothek verdanken, die
Palme gebührt aber seinem
Sohne Praxiteles. Ihm
wurde dabei das Verständ-
niß des männlichen Aörpers
beim Uebergang vom Jüng-
ling zum Mannesalter bis
zur höchsten Vollendung
offenbar. Was der lebhafter
bewegte Sophokles gegen-
über dem strengen A e sch y-
lus, ist der gymnastisch ge-
übte Praxiteles in: Vergleich
mit dem bis zur Herbheit
ernsten, kaltberechnenden
phidias. Nichts ist von der
Starrheit der früheren Mei-
ster mehr sichtbar. Welch'
ein Geisteshauch beseelt die-
sen Götterjüngling und wie
weihevoll tritt er in Szene!
Aus denr Antlitze dieses
Hermes leuchtet die blen-
dende Schönheitseiner Mut-
ter Maja, und betrachtet
man vom Scheitel durch die
Wirbelsäule als Axs des
weich modulirten Leibes bis
zunr Stehfuß die feinge-
fchwungene Linie, welch'
ein Rythmus, welch' unbe-
fangene Harmonie! Man
möchte den Schöpfer dieser
Gruppe den Raphael un-
ter den Bildharrern
nennen. And wenn Pro-
fessor Brunn mit scharfenr
Blicke, wie immer, das
Bacchuskind auf seinem
Arme nur für einen ver-
kleinerten Mann erklärt, so ist dies frühzeitig auch raphaelisch.
Man betrachte seine heilige Familie mit dem Anaben
Jesus und Johannes in den Hffici zu Florenz und in der
Gallerte Orleans! Die göttliche Hingebung, die Herablassung
in die Niedrigkeit der Menschenwelt könnte nicht ausdrucks-
voller dargestellt sein, als in unserem Sohne des Zeus
und der Welthebamme Maja, die dein blühenden Mai den
Namen geliehen.

Hermes mit dem Bacchusknaben, von Praxiteles.

Wiederherstellung von Fr. Schaper.

Ergänzt sind am Hermes selbst: die Beine, unterhalb dem Anie, — der recht Vorderarm
einschließlich Ellbogen, — von der linken Hand Daumen und Zeigefinger. — Am Bacckusknaben
ist ergänzt: die rechte Gesichtshälfte, Nase, tippe, der rechte Arni, linke Schulter sammt Arm,
die Fußspitzen; zwischen Brustkorb und Unterleib, welche getrennt und sehr zerschunden auf-
gefunden wurden, klafft eine weite Fuge, ebenso zwischen Hals und Kopf, wodurch der Zu-
sammenstellung dieser Theile großer Spielraum gewährt zu sein scheint.
 
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