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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 9/10
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Muther, Richard: Die Anfänge der Genre- und Landschaftsmalerei, [2]: Vortrag, gehalten im Bayer. Kunstgewerbeverein am 11. Januar 1887 von Dr. Richard Muther
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0061

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in den Wald. Dann schließen zu den folgenden Monaten
Heuernte, Schafschur, Weinlese, Jagd und Aehnliches sich
an. Das Schweineschlachten für die Feiertage darf dann
zum guten Jahresschlüsse, wie in keinem ordentlichen Pause,
so auch in keinem Ralenderbilde fehlen. Während die Schnee-
flocken dicht herabwirbeln, wird das Schwein abgestochen
und gesengt; daneben aber bäckt die Hausfrau tüchtige
Rüchen, um welche die Rinder schon betteln, ehe sie nur
aus dem Ofen kommen. Das handeln und die Sitte jener
Zeit, die Arbeit, die behagliche Ruhe und die frohen
Feste unserer Vor-
fahren führen uns
diese Bilder auf das
Lebendigste vor.

Eine ähnliche Be-
deutung wie die Mo-
natsbilder haben die
Planetenbilder für die
Geschichte desGenres.

Nach dem astrolog-
ischen Glauben des
Mittelalters wirkte
bekanntlich ein jeder
planet bestimmend
auf das Tempera-
ment des Menschen,
der unter seinen: Zei-
chen geboren war.

Daraufhin bildete
man oben die Gott-
heit, die einem jeden
Planeten Vorstand,
undunterihrdasTrei-
ben der Menschen,
welche in Folge ihrer
Geburt unter dem
Einfluß des einzelnen
Planeten standen.

Unter dem Zeichen
des Saturn, der die
Arbeit beherrscht,
wird die Bebauung
des Feldes, die Nutz-
barmachung desWal-
des und die Thätigkeit
des Metzgers dargc-
stellt. Jupiter bringt
Gerechtigkeit und
Freude, deshalb sehen
wir auf der einen Seite
den studirenden Rechtsgelehrten, auf der anderen eine Pirsch-
jagd. Rrieg und in seinem Gefolge Unglück und Elend stehen
unter dem Zeichen des Mars; die Rünstler wetteifern hier in
der Schilderung von Greuelthaten und Gemeinheiten, die
beim Ueberfall eines Dorfes durch Räuber und rohe Lands-
knechte verübt werden. Das Bild zügelloser Ueppigkeit von
den Vornehmsten zu den Niedrigsten entfaltet sich in Garten
und Feld unter Venus, der Beschützerin der Liebe. Unter
Merkur dagegen blühen Rünste und Wissenschaften; wir
sehen in den Laden des Goldschmiedes, in das Atelier des

Bildhauers, erblicken den (Orgelbauer, den Uhrmacher, den
Astronomen bei der Arbeit. So lebensvoll jedoch diese Planeten-
bilder sind und so reiches kulturgeschichtliches Material sie
auch liefern, so stehen sie doch, was Geschlossenheit der
Romposition und Feinheit der Eharakteristik anlangt, mit
den Monatsbildern nur selten auf gleicher pöhe.

Dagegen bietet der Rupferstich eine reiche Ausbeute an
genrehaften Motiven. Gleich bei den ersten Anfängen der
Rupferstichkunst haben die Rupferstecher Sitten bildliches in
den Bereich der Darstellung gezogen und so den Anstoß

zu weiterem Fort-
schritt gegeben. Be-
reits vom Meister von
— den: sog.
Maitre aux bande-
roles — sind zwei
sittenbildliche Blätter
erhalten: ein Jung-
brunnen, in dem
sieben Frauen sitzen,
während andere von
ihren Männern her-
beigeschleppt werden,
und ein Blatt, auf
dem sich links zehn
junge Männer im
Wettkampf üben,
während rechts drei
Frauen ini Bade mit
einem Narren kosen.
Unter den Blättern
des räthselhaften
MeistersRS vonf^66
begegnen wir einem
Mädchen, das im
Garten auf einem
Riffen sitzt und die
Lauts spielt, einem
Ritter und einer
Dame, die am Brun-
nen musiziren, sowie
einem besonders we-
gen seines pumors
beachtenswerthen
Blättchen, das die
Liebe eines Narren
zu einem schönen jun-
gen Mädchen dar-
stellt. Die Schöne sitzt
nackt im Garten und
sucht den Allzukühnen dadurch abzuwehren, daß sie ihm
einen Spiegel vorhält, um ihm durch den Anblick seines
häßlichen Gesichts, die Erfolglosigkeit seines Beginnens

anzudeuten. Martin Schongauer, der den Rupferstich
technisch fortbildet, ist dann auch für die Geschichte des
Sittenbildes von großem Interesse. Nur vier Blätter
mit genrehaften Szenen besitzen wir von ihm, aber reich
ist ihr Inhalt und mannigfach die Anregung, die sie auf
die folgenden Rünstler ausübten. Auf den: ersten sehen
wir einen Auszug zum Markt. Vorn geht ein Mann

„Die Begrüßung im Zimmer" (zu Seite ss).

Kupferstich von Martin Zasinger, um ^503. — Aus G. hirth's Formenschatz J885.

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