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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Editor]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 14.1913

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Nr. 6
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Müller, Hans: Kloster Veßra
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https://doi.org/10.11588/diglit.32139#0122
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in Paulinzella, dessen architektonische Schönheit und Harmonie ja in zahlreichen Beschreibungen ge-
priesen worden ist.

Als Gesamt-Bauzeit der Kirche darf der Raum zwischen 1130 und dem Ende des 13. Aahrhunderts
angesehen werden. Von der inneren Ausstattung ist an Ort und Stelle nur noch ein romanischer Taufstein
vorhanden, der in der jehigen kleinen Kirche seinen Platz gefunden hat. Ein allerdings wertvoller Altar-
schreiil befindet sich z. Z. in der Stadtkirche von Themar, und die althennebergischen Grabdenkmäler und
Cpitaphien findet man jeht in der Schleusinger Stadtkirche, — sie wurden 1666, als Graf Georg Ernst die
Fürstengruft seines Geschlechts nach dort verlegte, aus Vetzra fortgebracht.

Von den sonstigen alten Klosterbauten ist mit Ausnahme des Torhauses, das den Eingang von der
Stratze aus gewährt und schon oben erwühnt wurde, nichts Sonderliches des Berichtes wert. Diese Ge-
bäude, zumal die den inneren Hof umsäumenden, sind meist im blotzen Nützlichkeits- oder Kasernenstil
errichtet, durchweg viereckige, massige Häuser mit mehr oder minder steilen Ziegeldächern, die allerdings,

vom malerischen Standpunkt
aus bewertet, in Verbindung
mit dem dunklen Grün des
nahen Fichten-Hochwaldes
immer noch pittoresk genug
wirken. (Ein kleiner Kuh-
stall, in der Nähe der Kirche,
mit guter romanischer Fassade
und Blendarkaden, ist ge-
schickte Nachahmung von etwa
1800.)

Wie schon zu Eingang er-
wähnt, ist der heutige Zustand
des Anwesens ein sehr trüb-
seliger. Von der Kirche ist
bereits gesprochen worden.
Datz ihreKunstformen dauernd
mit Zerstörung und Verstüm-
melung bedroht sind, datz es
z. B. einem wertvollen roma-
Abb. 85. Kloster Veßra. Die Kirche von Osten gesehen. Querschiff mit den Ansatzstellen der nischen Portal nicht dieirlich
abgebrochenen Apsiden und des Chors. Nechts die noch als Kirche benutzte Seitenkapelle. kann, wenn es als Durch-

fahrt für schwere Heu- und

Erntewagen benutzt wird, leuchtet ohne weiteres ein. Am meisten jedoch ist bei den massenhaft hier
aufbewahrten Getreide- bzw. Strohvorräten Feuersgefahr zu befürchten. Wird in solcher Umgebung
ein einziges glimmendes Streichholz leichtsinnig weggeworfen, so ist das Schicksal des Baues besiegelt —
es wird dasjenige der Abtei Hersfeld sein! —

Aber auch die übrigen Klostergebäude sind in einem sehr verwahrlosten Zustande. Man kann
hieraus den früheren und gegenwärtigen Pächtern der Domäne keinen Vorwurf machen, — sie mutzten
die Dinge nehmen, wie sie lagen, ihre polnischen Gutsarbeiter da unterbringen, wo eben Platz war, und
sie konnten dem beginnenden Verfall einzelner Bauteile nicht wohl mit eigenen Mitteln begegnen. Auch
darf Kunstinteresse nicht allenthalben und bei jedermann vorausgesetzt werden. Das mindert aber nicht
das berechtigte Bedauern über die Art und Weise, in der sich Vetzra heute dem Beschauer präsentiert.
Die Rmfassungsmauer droht an verschiedenen Stellen mit dem Einsturz. Fm ehemaligen Kreuzgang
befindet sich der Schweinestall des Gutes. An den Wohnräumen der Arbeiter, die hauptsächlich in den um
den inneren Klosterhof gruppierten Gebäuden hausen, herrscht wenig Ordnung. Hier wird nebst allerlei
Abfällen auch das Schmutzwasser kurzerhand auf den Hof gegossen, wo es mangels jeglichen Abflusses
 
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