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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 6.1904-1905

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Nr. 8
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Jaffé, Robert: Die Burgen in der Poesie
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https://doi.org/10.11588/diglit.31828#0069

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VI. Iahrgang

Nc.8

nn Mar 1905.

Der Burgwarr erscheinr monarlich einmal. — Berugspreis: S.5S Mark jährlich.

Die Burgen in der poesie.

oethe l>ar bekannclrch das epigrammatische wort gepragc, daß Amerika es besier habe als
unscr 'Rontinent, der alte. Demr es habe keine Basalte und keine verfallenen Schlösser.
Aber auch der begeistertstc 0erehrer von Goeche, rvenn er zugleich eine wahre, ricfe
Aichanglichkcit an die Poesie im Herzen hegt, wird diesen Ausspruch nichc anerkennen
wollcn und ihn lieber damit erklaren, daß der gcalterte Dichcer nichr inehr den vollen
Überblick besessen habe uber die wahre Vlacur des neuen Rontinents. Dorc in Amcrika fand es schon
kaum ein Iahrzehnr sparcr Lenau symbolisch, daß dieses ungeheure Land keine Gingvögel habe. Es
müssen doch wohl tiefgründige, inuere Zusammenhänge obwalren zwischen der Poesie und Runst in
einem Lande und zwischen der historischen Fundamentier'ung seiner Rulcur, die Goethe symbolisch
umschricb mir den Basalren und den vcrfallenen Gchlössern, den Burgen. Wir können uns gewiß
ohne Schwierigkeic vorstellen, daß die amerikanische Rulcur (ahnlich wie die des römischen Raiser-
reichs) sich trotz Lhrer Lebenskrafc aufzehrcnden Tenden; noch manche Iahrhunderte lang unver-
anderr crhalte; aber das können wir uns nicht vorstellen, daß in diesem zerrüttendcn Larm der
blanken Eisenwerkc auf ciiimal poecen und poerische werke erstehen sollten. Dorr in Amerika ist die
poesie wohl endgültig bcgraben worden, uud cin schmiedeeisernes Rreuz kann auf ihrem Grabe auf-
gepfianzr werden. In dein schweren, mit Arbeicslasten überhäufren, gleichmäßig arbcitsernsten Dasein
wird schließlich jeder Lrohsinn iu vergessenheit geracen sein, und man wird nur wie von einer sagen-
hafren Zeit her wissen, daß cinstmals die Menschen fröhliche Feste gefeierr haben auf und am Fuße
von buntbewimpelten Burgen. Das har Goethe cben noch nicht gesehen und daher uncer seinen vielen
weisen Sprüchen auch eincn schiefen, gan; unzucreffenden mic unrerlaufen lassen. Wer aber die Poesie
lieb hac, wird auch die „verfallenen Gchlösser" lieb haben müssen, die ^Zurgen. Foncanc sagc in seincn
Briefen einmal, daß, wer den Adel aus der welt schaffen wollce, damir aus der bvclt den letzten Rest
von poesie eiirfernen würde. Dieser leyce Rest von Poesie würdc auch mir den Gitzcn des Adels, mit
den Burgen aus der Welr verschwinden. Eine Äurg auf einer Anhöhe über der Alcancarabrücke
soll das Ahnenschloß des großcn Lervanres sein, der den rührcndsten und zugleich komischsten Typus
des an eincr cdleren, ritterlichcren vcrgangenheic hängenden Romantikers gcschaffcn har.
 
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