Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
204

Jean Francois Millet.

»Hörst du nicht die Hexen ihren Sabbat feiern
unten im Bas-Breau?« flüsterte er seinen Gefährten
zu. »Ich höre den Schrei erdrosselter Kinder und
das Lachen der Verrückten. Und doch wissen wir,
dass es nur das Krächzen der Krähen und das Geschrei
der Eulen ist. Aber Schrecken und Geheimnis um-
giebt uns, wenn der Tag der Nacht — dem grossen
Unbekannten — gewichen ist.« Und in der Dunkel-
heit wurde er gesprächig und gedachte des Ursprungs
alter Märchen und des zauberartigen Einflusses der
Natur auf die Phantasie.
»Wenn ich den Wald malen wollte,« meinte er,
»so würde ich nicht versuchen, die Menschen an kost-
bare Schätze in seinem Dunkel glauben zu machen,
sondern einfach zu schildern suchen, welche Macht
die leuchtenden Blätter und die tiefen Schatten haben,
um die Seele des Menschen zu erfreuen oder zu er-
greifen. Seht nur diese gewaltigen Felsenmassen, wie
sie vom Zorn der Elemente hin und her geworfen
sind. Sie sind das Zeugnis einer prähistorischen
Sündflut oder der alten Herrschaft des Chaos, welche
ganze Generationen der Menschheit in ihrem Rachen
verschlungen hat. Wie erschütternd muss es gewesen
sein, als die Wasser die Erde bedeckten und wie es
uns die Bibel schildert: ,Der Geist Gottes schwebte
über den Wassern/ Poussin ist der einzige Künstler,
der das hätte darstellen können.«
Für gewöhnlich pflegte Millet bis zur Abend-
mahlzeit um 6 Uhr zu arbeiten. Aber an schönen
Sommertagen kam Rousseau oft zu ihm ins Atelier
und holte ihn hinaus zu langen Wanderungen durch
den Wald. Sie stiegen zusammen auf die Felsen der
wilden Partien und sahen von den Höhen von Apre-
mont und Bas-Breau hinab auf die stimmungsvolle
 
Annotationen