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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 4.1907/​1908

DOI Artikel:
Wolter, Franz: Münchner Jahresausstellung im kgl. Glaspalast 1907, Schluss [2]
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46

©W MÜNCHENER JAHRESAUSSTELLUNG 1907 ^3

MÜNCHENER JAHRESAUSSTEL-
LUNG IM KGL. GLASPALAST 1907
Von FRANZ WOLTER
(Schluß)
Cine besondere Zugkraft übt wiederum in
diesem Jahre die kleine jugendliche Schar
»Die Scholle« aus. Sie hat keine großen
Nummern, keine epochemachenden Szene-
rien vorzuführen, aber sie ist in sich ge-
schlossener, reifer und feiner geworden. Man
muß allerdings stets bei diesen jungen Künst-
lern von Verirrungen absehen und nament-
lich hie und da allzu heruntergekommenes, ge-
maltes Weiberfleisch, das absichtlich jedem
anständigen Geschmack Hohn spricht, mit in
den Kauf nehmen. Das geht nun mal nicht
anders, wenn den jungen Elementen die künst-
lerische Direktive fehlt. Sonst aber tritt uns
ein frischer Zug entgegen, der mit fortzieht
und uns nicht gleichgültig läßt. Interessant
ist der Vergleich mit den Werken Paul
Höckers, des gemeinsamen Lehrers jener
Jungmannschaft, der Aufschluß darüber gibt,
wie stark übertrieben werden muß, um in
einem Ausstellungsräume des Glaspalastes
volle Wirkung zu erzielen. Und auf Wirkung
geht alles aus, sie erringt auch den Augen-
blickserfolg und so erfreulich das sprudelnde
Leben ist, durch jene äußerliche Aufmachung,
durch all die technische Geschicklichkeit allein
wird dennoch keine große Kunst gezeugt. Es
wird eine Zeit kommen, wo auch diese Jugend-
frische veraltet erscheint, wenn sie nicht bei-
zeiten dafür Sorge trägt, daß auch innerliche
Werte heranreifen. Es kommt auf die Seele,
den Geist an und nicht auf die äußere, glän-
zende Schale. Was den Scholle-Leuten not
tut, ist ein Neuschaffen, ein Verjüngen, ein
Fortschreiten und Ausbauen in und mit der
alten Kunst, denn den Zusammenhang mit
den alten Meistern wird auch die modernste
Kunst nie entbehren können. Freilich gehören
Kraftnaturen dazu, die aus dem zeitlich Wech-
selnden das ewig Gültige herausschälen oder
in das Wechselnde das ewig Dauernde hinein-
tragen können. Fritz Erler, Ad. Münzer
und Leo Putz hätten wohl die Kraft dazu,
wenn sie sich geistig vertieften. Besonders
der letztere bringt heuer die reifsten Arbeiten,
unter denen das Bildnis einer Dame in einer
landschaftlichen Umgebung das vortrefflichste
ist, überhaupt das bestgemalteste Bild inner-
halb der »Scholle«. R. M. Eichler ergeht
sich wieder in romantischen Gefilden. Wir
sehen von ihm eine Dame im Grünen hin-
gelagert, ringsum sprossen Blumen und ein

Gewinde von gelben Frühlingsblüten um-
schließt das ganze Gemälde. Adolf Mün-
zers »Apfelkammer« bedeutet zwar nichts
Neues, zeigt aber, wie bei einem nicht gerade
sympathischen Thema malerische Reize er-
zielt werden können. Fritz Erler brachte
das breit gemalte Bildnis »Professor A. Neißer«
und sein Bruder Erich u. a. ein Begräbnis in
Samaden, das wohl mit zu den gelungensten
Werken dieses strebsamen Künstlers gehört.
Gustav Bechler, Adolf Höfer, Max
Josef Feldbauer und Franz W. Voigt
treten gegen die vorgenannten Kollegen dies-
mal zurück, aber sie sind trotzdem mit an-
erkennungswerten Arbeiten vertreten.
In einem eigenen Saal werden die Entwürfe
Fritz Erlers zu seinen Malereien im neuen
Kurhaus zu Wiesbaden gezeigt. Losgelöst von
der Umgebung, für die sie gedacht sind, lassen
sich die Kompositionen in ihrer fremdartigen
farbigen Wirkung nicht voll und ganz mit
Sicherheit beurteilen. Die Entwürfe zeigen
wohl einen guten Sinn für Raumverteilung
und Belebung, nicht aber jene malerischen
Vorzüge, die wir sonst an den Werken Erlers
beobachten konnten. Die Allegorien der vier
Jahreszeiten sind, abgesehen vom Herbst, auch
nicht gerade neu und originell erfunden und
wenn sie trotz mancher erheblichen Schön-
heiten in einzelnen Zügen nicht so recht die
Allgemeinheit zu erwärmen imstande sind, so
liegt das an dem nicht ganz ausgesprochenen
und restlos gelösten Problem. Immerhin be-
sitzt F. Erler die Kraft zur höchsten Kunst,
zur Monumentalmalerei, die in der praktischen
Betätigung nur wachsen kann und auch dann
die Mängel abstoßen wird, die sich dem ge-
wissenhaften und prüfenden Auge des Künst-
lers von selbst aufdrängen.
Es liegt in der Natur der Sache, daß die
auswärtigen Gruppen nicht so hervorragend
in München abschneiden, zumal da Düssel-
dorf, Berlin etc. selbst zu stark mit eigenen
Ausstellungen beschäftigt waren. Immerhin
geben die hergesandten Gemälde einen rechten
Begriff über das Mittelgut, das zur Verfügung
stand, und dies gilt namentlich von Berlin,
wo wir ziemlich gleichwertige Dinge antreffen.
Nur die Plastik macht eine Ausnahme, so
Reinhold Begas, mit dem »Sarkophag von
Strusberg«. Unter den Düsseldorfern ragen
einige markante Künstlerpersönlichkeiten über
die Durchschnittskunst hervor. So erfreut uns
seit längerer Pause wieder einmal Eduard
v.Gebhardt mit zwei bedeutenden Gemälden,
die »Hausfrau«, eine frische, echt deutsche Er-
scheinung voll Leben und Anmut (Abb. S. 13)
und »DerTod desMoses«, eine durchaus ernste
 
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