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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 4.1907/​1908

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Rohe, Maximilian Karl: Eine Kreuzigungsgruppe der Frührenaissance in Grossostheim bei Aschaffenburg
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H., A.; Festing, Franz [Honoree]: Denkmal für Franz Festing
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288

KREUZIGUNGSGRUPPE — FRANZ FES TING-DENKMAL ^3

erreicht, der unsere größte Bewunderung her-
vorruft.
Um zurgenaueren Datierung unseres Werkes
zu gelangen, müssen wir folgendes überlegen.
Die Gruppe gibt uns sozusagen eine Zu-
sammenfassung des Entwicklungsganges der
Mainzer Plastik während des ersten Dezen-
niums des 16.Jahrhunderts; dabei aber ist sie
in den einzelnen Epochen nicht mehr be-
fangen, sondern deren Geschmackselemente
werden von unserem Meister zu einem ziemlich
einheitlichen Ganzen zusammengeschweißt.
So werden wir, wenn wir die oben zitierten
Entwicklungsdaten 1504 und 1508 ins Auge
fassen, für unsere Gruppe auf die Jahre um
1510 geführt, und wenn wir uns dabei an
die eingangs dieser Zeilen erwähnte Notiz
erinnern, der zufolge imjahrei5i3 die Kapelle
restauriert oder neuerbaut wurde, so glaube
ich, daß wir kaum irre gehen, wenn wir, da
angesichts der Kapelle von einer Restauration
derselben in jener frühen Zeit wohl noch kaum
die Rede sein kann, 1513 sowohl als das Ent-
stehungsjahr der Kapelle, wie auch der Gruppe
annehmen.
Keinen Anhaltspunkt haben wir vorderhand
zur Identifizierung des Meisters. Bei unserer
in deutscher Plastik zurzeit leider noch sehr
mangelhaften Denkmalsübersicht ist es zu-
nächst nicht einmal möglich, weitere Arbeiten
seiner Hand, von denen wohl noch etliche
existieren, nachzuweisen. Merkwürdigerweise
findet man selbst in Mainz, obgleich der Schul-
zusammenhang ein eklatanter ist, keine Spuren
von des Bildners Tätigkeit. Da jedoch der
Mainzer Kunstzone noch eine Reihe bedeu-
tender und größerer Orte zugehören, wird
man ihm aber über kurz oder lang doch wohl
näher nachgehen können.
Hier möchte ich nur noch aufeines hinweisen:
Dem Thema der Kreuzigung, schon in der
älteren Kunst äußerst beliebt, wird gerade
vom 16. Jahrhundert ab wieder eine besondere
Vorliebe entgegengebracht. Auf Votiven und
Epitaphien erscheint es und große Freigruppen
in der Art der unseren kommen besonders
stark in Aufnahme. Letztere werden zu-
nehmend reicher und machtvoller ausgestaltet
und man scheut vor keinerlei Kosten zurück.
Ein eindrucksvolles Epitaph mit einer Kreuzi-
gung findet sich im Kreuzgang von St. Stephan
in Mainz schon aus dem Jahre 1485 vor; es
ist dem Gedächtnis der Kanoniker Arnold
Strohhut und Hermann German gewidmet.
Zwischen ihm und einer ebenfalls der Mainzer
Zone angehörigen Kreuzesgruppe, jener zu
Frankfurt am Main, die von Heller gestiftet
wurde, ist zeitlich die Großostheimer Gruppe

einzureihen. In der äußeren Anordnung haben
die Frankfurter und Großostheimer Gruppe
viele Berührungspunkte, vor allem ist durch
die in beiden Gruppen ähnliche Stilmischung
der Schulzusammenhang ein deutlicher. Sti-
listisch dagegen haben sie wenig miteinander
zu tun. Bei der Frankfurter Gruppe kommt
das barocke Element viel viel stärker zur
Geltung. Eine dritte große Freigruppe findet
sich wieder in Mainz selbst; auch hier herrscht
eine stark barocke Auffassung vor. Die drei
Arbeiten müssen kurz nacheinander entstanden
sein. Nebenbei bemerkt, läßt die Betrachtung
derselben auch sofort ersichtlich werden, warum
man sich bei der Großostheimer Gruppe die
Magdalena als ursprünglich unten am Kreuzes-
stamm Christi angebracht vorzustellen hat.
In Frankfurt sowohl, wie auch in Mainz ist
sie so angeordnet, und die Gruppen wirken
dadurch weit geschlossener wie die Großost-
heimer. Letztere ist, und das sei hier aus-
drücklich betont, von den drei angeführten
Gruppen, von denen sich die Frankfurter und
jene zu Mainz längst schon eines gewissen
Rufes erfreuen, die beste und der von ihr
hinterlassene Eindruck der nachhaltigste. Daß
man ihr bislang so gut wie keine Beachtung
geschenkt hat, zeugt nur davon, wie stief-
mütterlich man bei uns noch immer die Plastik
behandelt. Da Großostheim außer seiner großen
Kreuzesgruppe auch sonst noch, besonders in
seiner Pfarrkirche, eine Reihe vortrefflicher
Kunstwerke aus früher Zeit aufweisen kann,
so empfiehlt es sich für den kunstliebenden
Wanderer sehr, dem Ort gelegentlich einmal
seinen Besuch abzustatten.
DENKMAL FÜR FRANZ FESTING
Mit dem frühen Hinscheiden des Pfarrers
Franz Festing hat die Sache der christ-
lichen Kunst einen schweren Verlust erlitten.
Ein unentwegt tätiger, begeisterterVorkämpfer,
hat er die vor Jahren einsetzende moderne
Bewegung mit in Fluß gebracht. Sein Name
wird daher mit der christlichen Kunst unserer
Zeit auf immer verbunden bleiben. Aber nicht
nur in der Geschichte soll er fortleben, auch
äußerlich sollte sein Andenken der Nachwelt
erhalten bleiben. Daher faßten die Freunde
den Plan, ihm ein Denkmal zu errichten. Das
beste Monument erschien ihnen sein Bildnis:
der edel geformte Kopf mit der hochgewölbten
Stirne, den offenen, weitausschauenden Augen,
dem in festen und bestimmten Linien gezeich-
neten Mund und den vom Feuer der Begei-
sterung umlohten und durchleuchteten Zügen.
So wie er lange Zeit unter ihnen geweilt, wie
 
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