Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 4.1907/​1908

DOI Artikel:
Schermann, Max: Grünwalds "Madonna von Stuppach"
DOI Artikel:
Weiss, Konrad; Uhde, Fritz von [Gefeierte Pers.]: Fritz von Uhde als religiöser Maler: zum sechzigsten Geburtstag des Künstlers (22. Mai)
Zitierlink: 
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/christliche_kunst1907_1908/0229

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
A-W FRITZ VON UHDE ALS RELIGIÖSER MALER ^3

193

FRITZ VON UHDE
ALS RELIGIÖSER MALER
Zum sechzigsten Geburtstag des
Künstlers (22. Mai)
Von KONRAD WEISS
Ist in Fritz von Uhdes Bildern überhaupt
1 religiöse Kunst? Diese Vorfrage erscheint
in mancher Hinsicht notwendig. Denn unter
Hinweis auf kirchliche wie künstlerische Gründe
hat man gegen die religiöse Seele der Kunst
Uhdes Zweifel erhoben. Die Zeit liegt kaum
hinter uns, wo seine religiösen Bilder Ableh-
nung erfuhren und zwar vor allem auch bei
Protestanten, denen doch der völlige Bruch
von Uhdes mit der Tradition weniger störend
erscheinen konnte. Sodann glauben übereif-
rige Befürworter der Nurmalerei immer noch,
das seelische Ingrediens, das Uhde über das
impressionistische Niveau hinaushebt, vernei-
nen zu müssen. Doch die Vorfrage soll uns
einen Ausgangspunkt für etliche Bemerkun-
gen prinzipieller Natur bieten, die uns in das
richtige Verhältnis zu den religiösen Darstel-
lungen von Uhdes bringen können.1)
Die religiöse Kunst sucht sowohl das Ver-
hältnis Gottes zu dem Menschen als das Ver-
hältnis des Menschen zu Gott darzustellen.
Nehmen wir die Beispiele dafür aus der
Neuzeit, auf der einen Seite die Beuroner
Schule, auf der anderen Uhdes Bilder. Das
sind äußerste Extreme. Die Pole der reli-
giösen Kunst können ästhetisch wie ideell
nicht weiter auseinanderliegen. Dort strengste
Form, reine Linie, geschlossene Fläche; hier
Auflösung, Farbenspiel, lichterfüllter, atmo-
sphärischer Raum. Dort ein machtvolles Über-
wiegen des Allgemeingültigen, Ideellen, hier
ein Ausquellen in subjektives Gefühlsleben.
Dort der Gedanke in der Linie, hier das Ge-
fühl in der Farbe. Endlich dort Hervorkeh-
rung des Dogmas, hier Betonung des Ethi-
schen, wenn auch ohne Widerspruch mit
dem Glaubensinhalt; dort das Streben nach
dem Nurmonumentalen, hier Loslösung vom
Monumentalen und Ausschöpfen der maleri-
schen Reize des Themas.
Die Religion aber ist beides, Idee und Ge-
J) Zur Kunst Fritz von Uhdes sprach sich »Die christ-
liche Kunst« schon im III. Jg., S. 169 ff. in einem illustrier-
ten Aufsatz aus, welcher ein Lebensbild des Künstlers
und eine genauere Würdigung seiner religiösen Schöp-
fungen enthält. Gleichwohl glaubten wir nochmal einem
Mitarbeiter das Wort über Uhdes religiöse Malerei geben
zu sollen, da zu erwarten steht, daß dieses Thema dem-
nächst anläßlich des sechzigsten Geburtstags des Künst-
lers viel besprochen wird. D. R.

fühl. Und sie bezweckt das Dritte," das reine
Wollen auf Grund des klaren Bekenntnisses.
Auch die religiöse Kunst ist beides. Monu-
mental-dekorativ bannt sie den Geist und
weist auf das Jenseits. Intim nachschaffend
weitet sie das Herz in seinen besten Gefühlen
aus, das Diesseits veredelnd und in den Dienst
des Jenseits stellend. Auch die Kunst endet
im Dritten, einem geläuterten Wollen.
Die beiden genannten Extreme der Dar-
stellung religiöser Gegenstände sind zwei Sei-
ten der möglichen, religiös gewollten Kunst, als
solche beide nicht ohne Einseitigkeit, die vom
gesetzten Zweck bedingt wird. Dazwischen
liegen zahllose Möglichkeiten, in denen sich
die Extreme mehr oder minder ausgleichen,
je nachdem das Dogmatische oder Ethische,
das Monumentale oder Intime, die Linie bezw.
Form oder das rein malerische Element stär-
ker in den Vordergrund gestellt wird. Die
weit entlegenen Pole sind also die Grenzen,
in denen das große Land liegt, wo jeder auf
seine besondere Weise dem religiösen Ge-
danken dient. In dem allgemeinen Gebiet
religiös künstlerischer Betätigung hat Uhdes
Kunst, soweit sie hier einschlägig ist, ihre
besondere soziale und spezifisch christliche
Eigenart.
Der Künstler ist das Kind seiner Zeit. Die
soziale Tendenz der Gegenwart hat in der
Kunst ihren Niederschlag gefunden-. Am rauhe-
sten ist sie in einem Teil der Arme-Leute-
Malerei vor die Öffentlichkeit getreten, an-
klagend, hetzend, brutal. Christus, der sich
der Mühevollen und Beladenen angenommen
hat, wird zum Agitator.
Ist nicht auch in Uhdes Bildern Geist vom
Geist des sozialen Christus ? Der Menschen-
sohn und Menschenfreund besucht die Hütte
und setzt sich an den Tisch der Niederen
und Einfältigen; er läßt die ärmlichen Kleinen
zu sich kommen; er wählt seine Apostel un-
ter den Geringsten der Brüder und hält mit
ihnen das Abendmahl. Die hl. Geschichte
kleidet sich in das Gewand des Werktags.
Joseph ist der arme, schlecht gekleidete, ab-
gemühte Zimmermann, die Jungfrau die Toch-
ter aus dem Volke. Das hl. Paar findet am
Abend keine Herberge und irrt suchend durch
den Schnee. Weihnachten wird’s in der kahlen,
kalten Scheunendiele. Die drei Weisen sind
nicht stolze Könige, sondern Patriarchen des
Volkes, die Hirten keine schlanken Jünglinge,
sondern von der Arbeit gebeugte Männer.
Die hl. Familie arbeitet ums tägliche Brot.
Diese Auffassung ist dem Kenner der alten
deutschen Kunst deshalb nicht neu, da sie dort
durchweg anklingt. Doch fühlen wir sie dort

Die christliche Kunst. IV. 8.

25
 
Annotationen