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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 4.1907/​1908

DOI Artikel:
Frürst, Max: Johann von Schraudolph
DOI Artikel:
Heilmeyer, Alexander: Die Ausstellung München 1908
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https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/christliche_kunst1907_1908/0340

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294

AUSSTELLUNG MÜNCHEN 1908 ^3

mutige Scharen die christlichen Kunstideale
wieder zur Geltung bringen, um der vielfach
wahrnehmbaren Verrohung und Entsittlichung
der Kunstgebiete einen kräftigen, heil- und
nutzenbringenden Damm entgegenzusetzen.
DIE AUSSTELLUNG
MÜNCHEN 1908
Von ALEXANDER HEILMEYER
Die Ausstellung München 1908 hat einen
programmatischen Charakter: sie will das
gewerbliche Schaffen einer Großstadt in der
Weise vorführen, daß sowohl in den ausge-
stellten Gegenständen, als auch in der Art
ihrer Darbietung künstlerischer Geschmack vor-
herrscht. Sie entwickelt ihr Programm, das
noch auf keiner früheren Ausstellung dieser
Art zur Durchführung kam, in anschaulicher
Weise. Man sieht in das Räderwerk und Ge-
triebe des so vielfach verzweigten öffentlichen
Lebens einer Stadt, man sieht in den Betrieb
der Schulen, der städtischen Verwaltung, Bau-
ämter, sieht dem Handel und Verkehr zu,
betritt die großen industriellen Werkstätten
und die Werkstätten, wo Handwerksfleiß und
Kunst alle die schönen Dinge erstehen lassen,
die München als Kunststadt einen so großen
Ruf verschafft haben. Der Ausstellung 1908
ist es gelungen, zu zeigen, daß scheinbar von
der Kunst entfernt liegende Gebiete doch von
ihrem Geiste beseelt und angeregt werden
können, daß es dieser künstlerische Geist ist,
der als ein alles durchdringender gemeinsamer
Zug durch das Münchener Leben geht. Was
uns im allgemeinen noch fehlt, eine einheit-
liche Kultur, wie sie etwa Nürnberg zur Zeit
Dürers oder Augsburg zur Zeit der Fugger
aufweisen konnte, das kann natürlich erst all-
mählich erstehen, es kann nicht durch Ausstel-
lungen gemacht und erzielt werden. Immer-
hin ist es bedeutsam, daß dieser Drang wieder
aus dem hochentwickelten modernen Städte-
wesen hervorgeht, wo Kapital, Arbeitskraft,
weitsichtige Politik, zielbewußte Energie und
intellektuelle Kräfte sich vereinigen, um den
Boden für eine solche künftige Kultur zu be-
reiten. Nichts erscheint in diesem Zusammen-
hänge so bedeutsam, als die ausgezeichnete
Ausstellung der Münchener Gewerbeschulen.
Hier scheint man von dem alten und bewähr-
ten Grundsatz ausgegangen zu sein, der ver-
langt, daß man von unten auf zu bauen an-
fängt. Ist erst im Handwerk und Kunsthand-
werk der rechte Geist zur Arbeit wieder leben-
dig, genießt erst wieder das Handwerk die rechte
Achtung und Schätzung und ist Ehrlichkeit

und Solidität in der Arbeit wieder etwas Selbst-
verständliches geworden, dann ist auch der
Grundstein zu einer volkstümlichen Kunst ge-
legt, dann wird auch diese Gemeingut aller
werden, wie schon einmal in früheren Zeiten.
Das größte Hindernis, das einer solchen Kunst
entgegensteht, gilt es erst noch zu überwinden.
Es liegt in dem fließenden Zustand unserer ge-
genwärtigen Kultur selbst. Alle Werte sind an-
gezweifelt und in den Augen vieler schwan-
kend geworden, ein allgemeiner Zersetzungs-
prozeß scheint eingetreten, der jeden Augen-
blick alles in Frage stellt. Diesen Geist von
der Ausstellung fernzuhalten, ist auch in
dem noch so einheitlich und harmonisch fühlen-
den München nicht ganz gelungen. Beim
Durchwandern der Ausstellungsräume stoßen
wir da und dort aufAußerungen dieses unerquick-
lichen modernen Geistes. Doch die Ausstel-
lungsleitung war nach Kräften bemüht, den
Beschauer auf den festen Boden der guten
Münchner Tradition zu stellen.
Schon äußerlich macht sich in der gesam-
ten architektonischen Anlage das entschiedene
Streben nach Zweckmäßigkeit und Schönheit
geltend. Der prachtvoll gelegene Platz mit
seinem Park auf der Höhe hinter der Bavaria
bot alle Vorteile günstiger baulicher und zu-
gleich malerischer Anordnung der Bauten, die
nach den Plänen des Münchner Stadtbauamt-
mannsBertsch ausgeführte Bebauung umfaßt das
ganze weite Rund des Platzes. Die Hauptgebäude
auf der rechten Seite (vom Haupteingang von
der Theresienwiese aus gelegen) sind so an-
geordnet, daß immer wieder freie Plätze ent-
stehen und sich reizvolle architektonische Bilder
darbieten. Die Größenverhältnisse der Bauten
passen sich den Größen der alten Baumbe-
stände trefflich an, wodurch manche wert-
volle Deckung und Kulisse benützt werden
konnte und sich das Ganze von Anfang an als
etwas Bodenständiges, Gewachsenes gestalten
ließ. Gar reizvoll ist der Anblick der kleinen
hübschen Häuschen im Vergnügungspark; ernst
und bedeutsam in ihrer Sachlichkeit und Zweck-
mäßigkeit erscheinen die großen Hallenbauten.
Äußerliche Dekoration oder bloße architekto-
nische Repräsentation ist hier vermieden.
Manchmal fühlt man sich noch fremdartig be-
rührt und kühl angeweht vom Geiste einer
neuen Zeit mit neuen Forderungen und Be-
dürfnissen. Man ahnt, es bereitet sich eine
Evolution in der modernen Baukunst vor,
gegen welche die modernen Malersezessionen
harmlose Übergangserscheinungen sind. Durch
die Einführung des Eisenbetonbaues werden
vielleicht die bisherigen Regeln der Baukunst
von Grund aus umgewertet. Man hat dann
 
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