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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 4.1907/​1908

DOI Artikel:
Doehlemann, Karl: Das Motiv der Verkündigung Mariä im Wandel der Zeiten
DOI Artikel:
Wolter, Franz: Die internationale Kunstausstellung der Secession München 1908
Zitierlink: 
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/christliche_kunst1907_1908/0302

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258

EAS4 AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER SECESSION ^3


MINIATOR AUS EINEM FRANZÖSISCHEN GEBETBUCH
Text S. 255

in der delikaten Farbe liegt, ver-
träumt auf einem niedrigen Bette
kauern, während ihr der Engel,
ein schöner, ernsterjüngling, halb
stehend, halb schwebend die Bot-
schaft bringt. Von den Füßen
des Engels geht ein blasser Flam-
menschimmer aus. Marianne
Stokes (London) denkt sich in
einem anfangs der 90 er Jahre
entstandenen Schmalbild Maria
im Schreiten vor sich hinsin-
nend; da wird unmittelbar hin-
ter ihr ein Jüngling sichtbar, der
ihr etwas zuzuraunen scheint.
Diese gesuchte Auffassung, wel-
che weder dem Geist einer gro-
ßen Kunst, noch der Würde des
Gegenstandes und dem Wortlaut
der Bibel entspricht, wurde seit-
dem mehrfach variiert.
Von den christlichen Künstlern

neue und sympathische Auffassung. Die eigent-
lichen Bahnbrecher in der Kunst müssen wir
freilich im 17. Jahrhundert außerhalb Italiens
suchen. Der Spanier Murillo z. B. kommt in
seiner Verkündigung im Museum zu Sevilla
dem modernen Empfinden schon ganz nahe, so
in dem Visionären in der Erscheinung Gabriels
und dem erschreckten Auffahren der Jungfrau.
Dem gegenüber bedeutet das Rokoko mit seiner
oft gezierten Art eher einen Rückschritt. Auf
dem silbernen Altarrelief des Bürgersaals in
München herrscht bereits das Ornamentale stark
vor: die großen Flügel des Himmelsboten, sein
fliegendes Gewand, Wolken und Draperien.
Eine interessante Verkündigung finden wir
in Ingolstadt an der Decke des Bürgersaals
(Maria de Victoria-Kirche) (Abb. S. 271). Vor
einem antiken Tempel steht Maria auf der Welt-
kugel; aus den Lüften naht sich der Engel;
links steht König David mit der Harfe, rechts
Abraham. Die Gruppe ist ein Teil des kolos-
salen Deckengemäldes, in dem die Brüder
Asam(i732) die Verbreitung des christlichen
Glaubens über die ganze Welt darstellten. Ein
Lichtstrahl geht von der Figur Gott Vaters
aus, trifft dann Christus und nimmt seinen Weg
weiter zu Maria. Von ihr verbreiten sich die
Strahlen nach den vier Weltteilen. Das 19. Jahr-
hundert liefert uns keine reiche Ausbeute.
Zwar versuchten die Nazarener, an ihrer Spitze
Friedrich Overbeck, die Kunst der klassischen
Zeit neu zu beleben. Aber sie erreichten ihre
Vorbilder weder an Innigkeit der Empfindung
noch an Größe der Auffassung.
Der Präraffaelit D. G. Rossetti(i828 —1882)
läßt Maria in einem Bilde, dessen Hauptwert

der Gegenwart muß Feuerstein genannt
werden, der in einem Altarbild für Straßburg
und in einem Fresko zu Riezlern (Abb. I. Jg.
S. 49 und 58) würdige Darstellungen der Ver-
kündigung schuf. Gebh. Fugei malte eine
Verkündigung in der St. Antoniuskirche zu
Padua (Abb. III. Jg., S. 287). Von Fritz Kunz
erhielt die Liebfrauenkirche in Zürich 1907
eine Verkündigung in Fresko.
Bei dem frischen Leben, das neuestens in
die christliche Kunst eingekehrt ist, steht zu
erwarten, daß unser ebenso tiefes wie an-
mutvolles Thema wieder Darsteller finden
wird, die ihm innerlich gewachsen sind und
neue Töne anzuschlagen wissen.
DIE INTERNATIONALE KUNST-
AUSSTELLUNG DER SECESSION
MÜNCHEN 1908
T n gewissem Sinne bildete diese Internationale
1 eine Ergänzung der Frühjahrsausstellung.
Nicht allein, daß wir glücklicherweise der aus-
ländischen Gäste weniger denn je auf dieser
Kunstrundschau finden, sondern wir dürfen
auch unter den einheimischen, altbewährten
Kräften die jüngeren Elemente, die sonst nur
in der fremdenleeren Saison zur Geltung kom-
men, begrüßen. Vor allem wirkt sehr sym-
pathisch die geschmackvolle Anordnung, die
nicht nach einem Schema geleitet, sondern
den stets wiederkehrenden neuen Bedingungen
durch die Kunstwerke angepaßt wurde. So
erfreuen im Saal VII die großen Entwürfe,
 
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