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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 4.1907/​1908

DOI Artikel:
Fürst, Max: Peter von Cornelius und seine Fresken in der St. Ludwigskirche zu München
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PETER VON CORNELIUS UND SEINE FRESKEN IN DER
ST. LUDWIGSKIRCHE ZU MÜNCHEN
Von MAX FÜRST

Als am 8. September 1844 die Münchener
St. Ludwigskirche durch den Erzbischof
Lothar Anselm v. Gebsattel ihre feierliche
Weihe erhielt, dachte wohl niemand daran,
daß dieses Gotteshaus schon nach Ablauf von
bojahren eine tiefgehende, umfassende Restau-
ration nötig haben werde. Bautechnische Ge-
brechen und eine durch Jahrzehnte währende,
unbegreiflicheVernachlässigungderBedachung
führten zu einem Zustande, der die Kirche
ruinös erscheinen ließ. Durch das energische
Eingreifen eines neuen Pfarrherrn, des um-
sichtigen, kunstbegeisterten Hochw. Herrn
Lorenz Gallinger, ist in den letzten Jahren
endlich die nötige Hilfe herbeigeführt worden,
so daß St. Ludwig nun wieder in würdiger und
verjüngter Gestalt unseren Blicken sich dar-
bietet.1) Die kunstgeschichtliche Bedeutung der
Münchener Ludwigskirche liegt bekanntlich
nicht auf architektonischem Gebiete; ihr Welt-
ruhm ist an die Fresken geknüpft, die inner-
halb der Jahre 1835—1840 durch Peter v. Cor-
nelius, unter Beihilfe bewährter Schüler, zur
Ausführung gebracht worden sind. Gerade
die an diesen Fresken mit der Zeit wahrnehm-
baren Schädigungen mußten den Ruf nach
gründlicher Restaurierung laut werden lassen,
sollte nicht Bayerns Hauptstadt der schwere
Vorwurf treffen, ein in der deutschen Kunstge-
schichte epochales Werk teilnahmslos dem Ver-
fallepreiszugeben. Glücklicherweise gingen die
Schäden der Fresken nicht so weit, als man
auf den ersten Blick glauben konnte. An den
Gewölben hatte das einsickerndeWasser immer-
hin Verheerung genug angerichtet, aber das
»Jüngste Gericht«, das die Ostwand der Kirche
erfüllt, sowie die zwei großen Wandgemälde
des Querschiffes erwiesen sich, dank der soliden
Freskotechnik, welche Cornelius nach be-
währten Rezepten alter italienischer Meister
I) Die Restaurierungsarbeiten wurden 1904 abgeschlos-
sen. Bei dieser Gelegenheit ließen wir durch Hofpho-
tograph Teufel von sämtlichen Gemälden photographi-
sche Aufnahmen machen, nach welchen die Illustrationen
des vorliegenden Heftes hergestellt sind. Photographien
können vom Verlag (München, Karlstr. 6) bezogen wer-
den. Durch verschiedene Umstände veranlaßt, mußten
wir den Artikel unseres hochverehrten Herrn Mitarbei-
ters leider bis jetzt zurückstellen. D. R.

vorzüglich zu handhaben verstand, völlig in-
takt; nur eine starke Kruste von Staub- und
Rauchniederschlägen hatte diese Bilder derart
übersponnen, daß der Eindruck ihrer ursprüng-
lichen Wirkung vielfach verwischt erschien.
Das auftauchende üble Gerede, eine unge-
eignete Freskotechnik, bei welcher man sogar
die Mauerflächen mit Gips überzogen hätte,
sei bei Herstellung der Malereien zur Anwen-
dung gelangt, ist durch gründliche Unter-
suchung aller Gemälde Lügen gestraft worden.
Es war nicht nötig, auch nur eine Stelle des
»Jüngsten Gerichtes« der Neumalung oder
Ausbesserung zu unterziehen; eine mit größter
Sorgfalt durchgeführte Reinigung genügte, um
das grandiose Werk in einstiger Erhabenheit
und Klarheit wieder erstrahlen zu lassen.
Anders war der Stand an den Zwickelgemälden
des Kirchengewölbes; dort waren freilich nicht
nur einzelne Figuren, sondern ganze Gruppen
den Jahrzehnte dauernden Feuchtigkeitsver-
hältnissen zum Opfer gefallen, und hier helfend
einzugreifen, erwies sich als keine leichte Auf-
gabe. Sie in vollauf entsprechender Weise zu
lösen, war niemand mehr berufen als Professor
Au gust Spieß, derin seiner Jugend selbst noch
die Formengewalt der Cornelianischen Rich-
tung kennen und üben gelernt, der überdies
die Technik des al fresco wie kaum ein zweiter
unter den heute tätigen Künstlern zu beherr-
schen versteht.2) Dank seiner liebevollen Hin-
gabe und seiner Kenntnisse, welche durch die
glücklicherweise im Museum zu Basel er-
haltenen Originalkartons die nötige Unter-
lage erhielten, ist die Wiederherstellung der
Fresken derart möglich geworden, daß auch
2) Professor Spieß ergänzte die Gemälde, welche Welt-
schöpfung und Engelschöre vorführen. Als selbständige
Leistung malte er außerdem an die bisher leeren Schmal-
flächen des Querschiffes mächtige Engelgestalten,
die zu den zwei großen Seitenfresken in Beziehung
stehen. Die Restaurierung der Gewölbebilder des Quer-
schiffes sowie jener in den Feldern der Vierung besorg-
ten die Maler August Müller und Gebhard Fugei.
Letzterer brachte auch an den Seitenwänden des Mittel-
schiffes sechs neue Medaillons zur Ausführung, welche
die heiligen Bischöfe: Benno, Korbinian, Rupert, .Wolf-
gang, Valentin und Emmeran zeigen und sich günstig der
Gesamtwirkung eingliedern, ohne die eigene Schaffens-
art des Künstlers zu verleugnen.

’VDie christliche Kunst. IV. 4. 1. Januar iqo8

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