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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 4.1907/​1908

DOI Artikel:
Rohe, Maximilian Karl: Eine Kreuzigungsgruppe der Frührenaissance in Grossostheim bei Aschaffenburg
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©W KREUZIGUNGSGRUPPE IN GROSSOSTHEIM ms

287


WILHELM STEINHAUSEN (FRANKFURT a. M.)
Münchener Jahresausstellzmg im Glaspalast 1908

SELBSTPORTRÄT

heit der Auffassung. Die Renaissance bricht
mit Gewalt durch. Von 1504, der ungefähren
Entstehungszeit des Denkmals für den Mainzer
Erzbischof Berthold von Henneberg an bis 1520
jagt dort ein Stil den andern. Dann ist das
Ziel erreicht, die Skulptur zu völliger Freiheit
und repräsentativer Größe durchgedrungen.
Gehen wir den Stilmodifikationen in Mainz
in der Frühzeit des 16. Jahrhunderts einmal
etwas näher nach. Das oben erwähnte Henne-
berg-Denkmal soll den Ausgang bilden. Seine
Stilentwicklung entspricht ungefähr dem, was
wir an der Großostheimer Gottesmutter sehen.
Noch ein leiser Nachklang der Gotik in Hal-
tung und Arrangement der Gewandfalten, letz-
tere aber doch schon einheitlich gesehen und
in große Rhythmen zu bringen versucht. Gegen
die vorangegangene Zeit ist alles viel geregelter,
durchsichtiger geworden. Vier bis fünf Jahre
später als das Denkmal für den Henneberg
mag der Stein für den Mainzer Erzbischof
Jakob von Liebenstein entstanden sein, der
die nächste Entwicklungsstufe repräsentiert.
Man sieht an ihm gegenüber dem geordneten
Gewandstil des Henneberg jenen bizarreren,
feingliedrigeren Stil von der Art unserer Magda-
lena, für den ein etwas unruhiges Hin und

Her, hauptsächlichst der Faltengrate charak-
teristisch ist. Die Faltenzüge stoßen dabei
nicht unvermittelt in Winkeln aufeinander,
sondern das Aneinanderstoßen wird durch
Einkerbungen abgemildert. Der Sinn dieses
Stiles beruht auf dem Abscheu, den man
auf einmal gegen die starke Eckigkeit des
Gewandstiles der vorangehenden Phase emp-
fand. Man drängte auf eine auch im Detail
den Körperformen weicher sich anschließende
Gewandbildung hin. Immermehr wird das
Kleid dem Körper dienstbar gemacht; die
Zeiten der Gotik, in denen es allmächtig
war, sind vorüber. Auch jene barocke Auf-
fassung des Johannes unserer Gruppe berührt
sich mit der ferneren Entwicklung der Mainzer
Plastik. Es ist leicht verständlich, daß dort,
wo das Können in kurzer Zeit so gewaltig
forciert wurde, dies über kurz oder lang zu
lediglich mehr technischen Bravourstücken
führen mußte, denen gegenüber ein feine-
res Kunstempfinden in den Hintergrund trat.
Unsere Großostheimer Gruppe steht gerade
noch auf der Grenze. Wir sehen an ihr,
wie verhältnismäßig wenig mehr der Dar-
stellung des Seelischen Beachtung geschenkt
ist, anderseits jedoch wird ein Formenadel
 
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