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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 4.1907/​1908

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Schmidkunz, Hans: Engländer in Berlin
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©W ENGLÄNDER IN BERLIN

245

leuchtung heroisch stimmende John H.
Wilson (1774—1855), endlich der als Por-
trätist und Landschafter sowie literarisch
bekannte John Linnell (1792 —1882)
mit einem landschaftlichen Genrebild bei
Schulte. Einflüsse der engländischen Land-
schafter auf die intime Landschaft der Fran-
zosen mögen sich auch hier erkennen las-
sen, ebenso wie der Einfluß englischer
Porträtisten auf die österreichische Porträt-
kunst von der ersten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts.
Die große Rolle, welche der Kupfer-
stich und die ihm verwandten weicheren
Techniken in England gespielt haben, ist
bekannt. Auch hier haben eingewanderte
Niederländer gewirkt. Unsere Akademie-
Ausstellung bringt zahlreiche Schabkunst-
blätter, doch auch in ihnen (ebenso wie
in einer Auswahl von Miniaturbildern) nur
Weltliches. Überraschend ist die Farbenkraft
der kolorierten Blätter. Es treten beson-
ders hervor die beiden Brüder William
Ward und James Ward (gestorben er-
sterer 1824, letzterer 1859); dann der Ver-
treter der »Punktmanier« Francesco
Bartolozzi (1728—1815) und unabseh-
bar viel andere. Es handelt sich wohl
stets um Stiche nach vorhandenen Wer-
ken, zumal nach den damals beliebten Por-
trätisten. Zwei Stiche geben Interieurs mit
Personen in wirkungsvoller Nachtbeleuch-
tung wieder, nach Joseph Wright (1697
bis 1764); eines der Stücke ist mit 1768
bezeichnet und von dem bekannten V.
Green geschabt.
Unter den Neuesten bei Casper tritt für
unseren Geschmack Robert Anning
Bell noch günstiger hervor, als wir ihn
schon früher (IV/5 Beil. S. 45) mit seiner
vornehmen Ruhe im Kolorit kennen ge-
lernt. Auch er gewährt uns jene befrei-
ende Abwechselung, die man nach den
ewigen Landschaften usw. mit einem Er-
lösungsgefühl in Darstellungen menschli-
cher Vorgänge findet. Auch ihn möch-
ten wir zu den Fortsetzern der Präraffae-


ALEXANDER FÜRS (MÜNCHEN)

PORTÄTSTUDIE

liten rechnen, doch mit dem schon bei Rossetti ein-
getretenen Fortschritt zu den venezianischen Künstlern
der Farbe, wie sie namentlich durch ihre Frauenköpfe
gewirkt haben. Sein Aquarell »Venedig«, eine Huldigung
an die Venezia in dem bei Bell vorherrschenden kleinen
Format, interessiert auch durch die scharfe Bestimmtheit
der Zeichnung. Die Freude an der Darstellung von
Frauenköpfen zeigt sich in den Bildern »Die Toilette«
und »Das schlafende Mädchen«.
Von den übrigen Engländern jenes Salons ist der
Schotte James Whitelaw Hamilton (geb. 1860)
wohl der einzige allgemeiner bekannte. Eine feine Kunst
des Lichtes erfreut uns. Sonst herrscht die wohl auf
Constable zurückgehende Landschaft mit verträumter
Stimmung, zu der namentlich die vielen weichgemalten
Flecken beitragen, vor. An Grosvenor Thomas erinnert
MontaguSmythjer, BertramPriestman und David
Muirhead sind im übrigen nicht wesentlich anders als
die Künstler von Barbizon. Sehr einheitlich gemalt sind
ländliche Szenen von J. R. K. Duff; flott die Türbilder und
dergl. von W. Lee Hankey; breitpinselig die Land-
schaften von S.Melton-Fis her; erwähnenswert mensch-
liche und ländliche Einsamkeitsbilder von D u d 1 e y H a r dy
und von H. Hughes Stanton; graphisch skizzenhaft
Architekturbilder und Stilleben von H. M. Liven; noch

skizzenhafter und an landläufige Illustrationen erinnernd
Architekturbilder und dergl. von Wm. Liewellyn; ein
Kabinettstück im besten Wortsinne der Oleanderhof von
Alfred Withers. Gerald E. Moira (siehe IV/5
Beil. S. 46) ist präraffaelitisch inspiriert, erinnert aber
auch an Graphik und überdies, doch mit überlegener
Vornehmheit und Phantasiekraft, an unseren L. Corinth.
Wenn Constance Halford im Fleischton und gar
erst im Gesichtsausdruck so glücklich wäre, wie in der
Harmonisierung seiner Farben, so würden seine Genre-
bilder uns erwärmen.
Um wenigstens einen Deutschen neben all diesen
Engländern zu nennen, sei auf den Mädchenkopf vor einer
Meerlandschaft von Robert Böninger hingewiesen,
der uns in der Ausstellung Caspers beinahe zu Romney
zurückführt.

Was du gründlichst verstehst, das mache!
Was du gründlich erfuhrst, das sprich!
Bist du Meister im eigenen Fache,
Schmäht kein Schweigen im fremden dich.
Das Reden von allem magst du gönnen
Denen, die selbst nichts machen können.
Geibel
 
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