BEILAGE ZU »DIE CHRISTLICHE KUNST«, IV. JAHRGANG HEFT 3, 1. DEZEMBER 1907
von St. v. Strechine-München. Von der »Bayerischen
Landschaft« von FranzHoch-München (früher Karls-
ruhe) läßt sich gleiches nicht rühmen, der Himmel
ist zu schwer. Auf seinem Bild »Wolkenschatten« ist
der halbbewölkte Himmel besser geglückt, auch ist der
Wechsel von Licht und Schatten auf dem weiten Hügel-
land nicht übel wiedergegeben. Recht verfehlt ist der
Vordergrund auf »Aus dem Ötztal« von Frau A. Beg-
grow-Hartmann (München), während ihr »Pilze«-Still-
leben brillant gemalt ist. Es zeigt sich auch hier wieder,
daß Stilleben die eigentliche Domäne der Malerinnen
sind, wenn sie nicht ausnahmsweise Qualitäten erkennen
lassen, wie z. B. Frl. M. Fi 1 s er-Balingen, welche eine
größere Anzahl von Landschaften bescheidenen Formats
sandte, die entschiedenes Talent verraten, wenn ihr auch
die Luft noch Schwierigkeiten bereitet und ihre Vorliebe
für braune, erdige Töne nicht zur Manier werden darf.
Vortreffliches bot wieder F. Hollenberg-Stuttgart in
seinen kleinen, doch so viel sagenden Landschaften »Abend-
stimmung«, »Herbstabend am Neckar« (dessen Wasser
freilich wohl zu blau geraten ist) und »Abendwolken«.
Dieses Bildchen, wie auch »Einbrechende Nacht« sind als
gelungene Studien beachtenswert. J. Wents cher-Berlin
sandte zwei vortreffliche Gemälde »An der Weichsel«,
eine sonnige Flußlandschaft, die bereits ihren Käufer
fand, und die größere »Heidelandschaft« mit malerischer
Kieferngruppe. Auch das große Aquarell »Märkischer
Markt« von J.Tillack-Panckow mit dem duftigen Nieder-
wald zwischen gewaltigen Eichen ist rühmend zu er-
wähnen. Allzubescheiden bezeichnet Tillack das fein
durchgearbeitete Porträt eines alten Bauern als »Bildnis-
studie«. »Stiller Abend in Holland« von A. Lutteroth-
Hamburg zeigt eine prächtige, fast zu sonnige Wasser-
spiegelung. Um so düsterer ist die große Leinwand
»Aufkommender Sturm« von Karl Beckers-Nienstedten.
Das Farbenspiel des unruhigen Elements ist gut beob-
achtet, wenn auch das Wasser bewegter sein dürfte, nur
die gewitterschwangere Luft deutet auf nahen Sturm.
Prächtige Aquarelle, namentlich Städteansichten, sandte
Ernst D argen-München, desgleichen M. Frey-Dresden.
Wir sehen die sympathischen Ölbilder des alten Schön-
leber-Schülers, der die deutsche Südwestecke mit Vor-
liebe verherrlicht, immer wieder gern. Wie dilettantisch
wirken daneben die minutiös durchgeführten Motive aus
Südtirol von H. Hofmeier-München. Umso beachtens-
werter sind die kleinen aquarellierten Federzeichnungen
und Temperabilder »An der Quelle«, »Schafe im
Wald« u. a. von A. Rieper-München, welcher diese Mal-
weise mit seltener Vollkommenheit und künstlerischem
Geschmack beherrscht. Auch G. Schlatter-Stuttgart
leistet in diesem Gebiet Bedeutendes, während ich den
farbigen Holzschnitten von Fritz Lang-Stuttgart zu
seinem »Blumenbuch« wenig Geschmack abgewinnen
kann. Als Vorlage zu Holzintarsien mögen diese stili-
sierten, steif und hart wirkenden Blätter Anerkennung
verdienen, vom rein malerischen Standpunkt kaum.
Langs Talent gravitiert eben viel mehr nach der kolo-
ristischen als formalen Seite. Während er in der einen
Richtung, wie seine später ausgestellte Kollektion be-
wies, hervorragt, bedarf die formale Technik noch wei-
terer Vervollkommnung.
Schließlich will ich noch der reizenden Miniatur-
bilder »Vor dem Wirtshaus« und »Auf dem Pferde-
markt« von W. Velten-München gedenken und einer
gelungenen, vielleicht etwas zu blau gesehenen Winter-
landschaft »Was die Straße erzählt« mit frisch erfaßten
Szenen aus dem Leben von A. Bach mann-Luzern,
auch der grotesken Schwarzweiß-Kollektion, welche Hans
Zarth-München sandte. Es sind geistreiche Tusche-
zeichnungen von großer Vollendung, an welchen Paul
Konewka, der Meister der Schere, seine Freude gehabt
hätte.
Die Plastik ist aus naheliegenden Gründen im Württem-
bergischen Kunstverein meist nur spärlich vertreten, dann
aber nicht übel. So verdient die überaus fein model-
lierte reizende »Einladung zum Tanz« von H. Weigele-
Neully s. S. alle Anerkennung. A. Muschwecker-
Straßburg sandte eine heitere, nur zu schwer wirkende
Miniaturgruppe »Faun und Nymphe« undJ. Vierthaler-
München sehr gelungene Böcke in Bronze »Junger Bacchus
auf Bock« etc., übrigens auch einen weiblichen Akt.
Eine künstlerisch beachtenswerte Bronze ist die »Abend-
stimmung« von C. Bernewitz-Kassel; Eine fein model-
lierte stehende Mädchengestalt unter einem Rosendach
bildet einen Beleuchtungskörper, der nur durch den ganz
kreisrunden Aufbau der Ranken stilisiert und unwahr
wirkt.
Dem Württembergischen Kunstgewerbe-Verein war
es vorbehalten, die Ausstellung der »Dresdener Künstler-
gruppe Brücke« zu beherbergen. Die Ausstellung ent-
hält sogenannte »Original«-Holzschnitte, Lithographien,
Radierungen, kurz lauter Schwarzweißblätter, welche
Landschaftsskizzen, Akte, Porträts etc. vorstellen sollen,
meist Leistungen ohne Geist und Interesse. Von der
ganzen Künstlergruppe kann allenfalls F. Nolde größere
Hoffnungen für die Zukunft erwecken. Emst Stöckhardt
BERLINER SECESSION 1907
Von Dr. HANS SCHMIDKUNZ (Berlin-Halensee)
yVT'ie sonst! Grundzug: persönliche Absonderung. Sach-
w lieh Gemeinsames (wenngleich nicht für alle und nicht
ihnen allein eigen): Indifferenz gegen den Kern der
Objekte, anerkennenswertes Streben nach viel Bewegung,
Licht und Luft, weit weniger nach dem Innerlichsten der
Außenseite, d. i. nach der Farbe; nach seelischem Leben
am wenigsten. Das Äußerliche verstärkt sich immer mehr.
Doch abermals manche, die nicht eigentlich dazu-
gehören, die aber ganz besonders Wertvolles bringen!
So schmückt sich die Ausstellung z. B. mit meisterhaften
Stillleben von C. Schuch, mit entzückenden Humo-
resken von A. A. Oberländer (zumal »Don Juan in
der Hölle«), mit heiteren Darstellungen von H. Schlitt-
gen. Auch FL Thoma paßt nur zum Teil herein —
mit lieblichen Landschaften, besonders einem »Morgen
an der Donau«. C. Heider steckt diesmal drüben in der
»Großen«. Endlich weiß man auch nicht recht, wie die
wertvolle »Träumerei« des aus der Tradition Piglheins
bekannten J. Block hierher kommt. — Das Deutschtum
ist diesmal gegen das Ausland etwas abgeschlossener
als sonst, — allerdings nicht in den Beeinflussungen.
Bei der Gleichgültigkeit für den Sinn der Objekte
und bei dem Interesse für das Sinnliche an ihnen ist
auf religiöse Kunst am wenigsten zu rechnen — höch-
stens auf Pseudoreligiöses, auf eine Art Mensch- und
Erdenreligion. So weit sich darauf überhaupt eingehen
läßt, möchten wir eine »Pieta« des V. van Gogh
voranstellen; sie ist wenigstens ernst gewollt und ebenso
bündig gestaltet wie das übrige, das wir in der jenem
Maler gewidmeten kleinen Kollektion kennen lernen.
Ein Selbstbildnis und kräftige Landschaften, alles wie
dekorative Reliefs wirkend, können auch dem dafür sonst
unempfänglichen Geschmack Achtung abgewinnen.
Die größte Kollektion ist M. Liebermann gewidmet.
Man kann ihn hier von 1876 bis 1907 verfolgen, als den
unpsychologischen Optiker ohne Farbenkunst, in den
letzten Jahren mit einer Steigerung seiner großen Licht-
kunst in eine Hellkunst. Abgesehen davon mögen ältere
Genrestücke und Bildnisse interessieren. Der »Hambur-
gische Professorenkonvent 1906« scheint selbst bei Ver-
ehrern Liebermanns nicht viel Anklang zu finden; die
Öl- und Zeichenstudien dazu mögen jene interessieren-
Erwähnt seien sein vielbekannter, vom religiösen Stand.
von St. v. Strechine-München. Von der »Bayerischen
Landschaft« von FranzHoch-München (früher Karls-
ruhe) läßt sich gleiches nicht rühmen, der Himmel
ist zu schwer. Auf seinem Bild »Wolkenschatten« ist
der halbbewölkte Himmel besser geglückt, auch ist der
Wechsel von Licht und Schatten auf dem weiten Hügel-
land nicht übel wiedergegeben. Recht verfehlt ist der
Vordergrund auf »Aus dem Ötztal« von Frau A. Beg-
grow-Hartmann (München), während ihr »Pilze«-Still-
leben brillant gemalt ist. Es zeigt sich auch hier wieder,
daß Stilleben die eigentliche Domäne der Malerinnen
sind, wenn sie nicht ausnahmsweise Qualitäten erkennen
lassen, wie z. B. Frl. M. Fi 1 s er-Balingen, welche eine
größere Anzahl von Landschaften bescheidenen Formats
sandte, die entschiedenes Talent verraten, wenn ihr auch
die Luft noch Schwierigkeiten bereitet und ihre Vorliebe
für braune, erdige Töne nicht zur Manier werden darf.
Vortreffliches bot wieder F. Hollenberg-Stuttgart in
seinen kleinen, doch so viel sagenden Landschaften »Abend-
stimmung«, »Herbstabend am Neckar« (dessen Wasser
freilich wohl zu blau geraten ist) und »Abendwolken«.
Dieses Bildchen, wie auch »Einbrechende Nacht« sind als
gelungene Studien beachtenswert. J. Wents cher-Berlin
sandte zwei vortreffliche Gemälde »An der Weichsel«,
eine sonnige Flußlandschaft, die bereits ihren Käufer
fand, und die größere »Heidelandschaft« mit malerischer
Kieferngruppe. Auch das große Aquarell »Märkischer
Markt« von J.Tillack-Panckow mit dem duftigen Nieder-
wald zwischen gewaltigen Eichen ist rühmend zu er-
wähnen. Allzubescheiden bezeichnet Tillack das fein
durchgearbeitete Porträt eines alten Bauern als »Bildnis-
studie«. »Stiller Abend in Holland« von A. Lutteroth-
Hamburg zeigt eine prächtige, fast zu sonnige Wasser-
spiegelung. Um so düsterer ist die große Leinwand
»Aufkommender Sturm« von Karl Beckers-Nienstedten.
Das Farbenspiel des unruhigen Elements ist gut beob-
achtet, wenn auch das Wasser bewegter sein dürfte, nur
die gewitterschwangere Luft deutet auf nahen Sturm.
Prächtige Aquarelle, namentlich Städteansichten, sandte
Ernst D argen-München, desgleichen M. Frey-Dresden.
Wir sehen die sympathischen Ölbilder des alten Schön-
leber-Schülers, der die deutsche Südwestecke mit Vor-
liebe verherrlicht, immer wieder gern. Wie dilettantisch
wirken daneben die minutiös durchgeführten Motive aus
Südtirol von H. Hofmeier-München. Umso beachtens-
werter sind die kleinen aquarellierten Federzeichnungen
und Temperabilder »An der Quelle«, »Schafe im
Wald« u. a. von A. Rieper-München, welcher diese Mal-
weise mit seltener Vollkommenheit und künstlerischem
Geschmack beherrscht. Auch G. Schlatter-Stuttgart
leistet in diesem Gebiet Bedeutendes, während ich den
farbigen Holzschnitten von Fritz Lang-Stuttgart zu
seinem »Blumenbuch« wenig Geschmack abgewinnen
kann. Als Vorlage zu Holzintarsien mögen diese stili-
sierten, steif und hart wirkenden Blätter Anerkennung
verdienen, vom rein malerischen Standpunkt kaum.
Langs Talent gravitiert eben viel mehr nach der kolo-
ristischen als formalen Seite. Während er in der einen
Richtung, wie seine später ausgestellte Kollektion be-
wies, hervorragt, bedarf die formale Technik noch wei-
terer Vervollkommnung.
Schließlich will ich noch der reizenden Miniatur-
bilder »Vor dem Wirtshaus« und »Auf dem Pferde-
markt« von W. Velten-München gedenken und einer
gelungenen, vielleicht etwas zu blau gesehenen Winter-
landschaft »Was die Straße erzählt« mit frisch erfaßten
Szenen aus dem Leben von A. Bach mann-Luzern,
auch der grotesken Schwarzweiß-Kollektion, welche Hans
Zarth-München sandte. Es sind geistreiche Tusche-
zeichnungen von großer Vollendung, an welchen Paul
Konewka, der Meister der Schere, seine Freude gehabt
hätte.
Die Plastik ist aus naheliegenden Gründen im Württem-
bergischen Kunstverein meist nur spärlich vertreten, dann
aber nicht übel. So verdient die überaus fein model-
lierte reizende »Einladung zum Tanz« von H. Weigele-
Neully s. S. alle Anerkennung. A. Muschwecker-
Straßburg sandte eine heitere, nur zu schwer wirkende
Miniaturgruppe »Faun und Nymphe« undJ. Vierthaler-
München sehr gelungene Böcke in Bronze »Junger Bacchus
auf Bock« etc., übrigens auch einen weiblichen Akt.
Eine künstlerisch beachtenswerte Bronze ist die »Abend-
stimmung« von C. Bernewitz-Kassel; Eine fein model-
lierte stehende Mädchengestalt unter einem Rosendach
bildet einen Beleuchtungskörper, der nur durch den ganz
kreisrunden Aufbau der Ranken stilisiert und unwahr
wirkt.
Dem Württembergischen Kunstgewerbe-Verein war
es vorbehalten, die Ausstellung der »Dresdener Künstler-
gruppe Brücke« zu beherbergen. Die Ausstellung ent-
hält sogenannte »Original«-Holzschnitte, Lithographien,
Radierungen, kurz lauter Schwarzweißblätter, welche
Landschaftsskizzen, Akte, Porträts etc. vorstellen sollen,
meist Leistungen ohne Geist und Interesse. Von der
ganzen Künstlergruppe kann allenfalls F. Nolde größere
Hoffnungen für die Zukunft erwecken. Emst Stöckhardt
BERLINER SECESSION 1907
Von Dr. HANS SCHMIDKUNZ (Berlin-Halensee)
yVT'ie sonst! Grundzug: persönliche Absonderung. Sach-
w lieh Gemeinsames (wenngleich nicht für alle und nicht
ihnen allein eigen): Indifferenz gegen den Kern der
Objekte, anerkennenswertes Streben nach viel Bewegung,
Licht und Luft, weit weniger nach dem Innerlichsten der
Außenseite, d. i. nach der Farbe; nach seelischem Leben
am wenigsten. Das Äußerliche verstärkt sich immer mehr.
Doch abermals manche, die nicht eigentlich dazu-
gehören, die aber ganz besonders Wertvolles bringen!
So schmückt sich die Ausstellung z. B. mit meisterhaften
Stillleben von C. Schuch, mit entzückenden Humo-
resken von A. A. Oberländer (zumal »Don Juan in
der Hölle«), mit heiteren Darstellungen von H. Schlitt-
gen. Auch FL Thoma paßt nur zum Teil herein —
mit lieblichen Landschaften, besonders einem »Morgen
an der Donau«. C. Heider steckt diesmal drüben in der
»Großen«. Endlich weiß man auch nicht recht, wie die
wertvolle »Träumerei« des aus der Tradition Piglheins
bekannten J. Block hierher kommt. — Das Deutschtum
ist diesmal gegen das Ausland etwas abgeschlossener
als sonst, — allerdings nicht in den Beeinflussungen.
Bei der Gleichgültigkeit für den Sinn der Objekte
und bei dem Interesse für das Sinnliche an ihnen ist
auf religiöse Kunst am wenigsten zu rechnen — höch-
stens auf Pseudoreligiöses, auf eine Art Mensch- und
Erdenreligion. So weit sich darauf überhaupt eingehen
läßt, möchten wir eine »Pieta« des V. van Gogh
voranstellen; sie ist wenigstens ernst gewollt und ebenso
bündig gestaltet wie das übrige, das wir in der jenem
Maler gewidmeten kleinen Kollektion kennen lernen.
Ein Selbstbildnis und kräftige Landschaften, alles wie
dekorative Reliefs wirkend, können auch dem dafür sonst
unempfänglichen Geschmack Achtung abgewinnen.
Die größte Kollektion ist M. Liebermann gewidmet.
Man kann ihn hier von 1876 bis 1907 verfolgen, als den
unpsychologischen Optiker ohne Farbenkunst, in den
letzten Jahren mit einer Steigerung seiner großen Licht-
kunst in eine Hellkunst. Abgesehen davon mögen ältere
Genrestücke und Bildnisse interessieren. Der »Hambur-
gische Professorenkonvent 1906« scheint selbst bei Ver-
ehrern Liebermanns nicht viel Anklang zu finden; die
Öl- und Zeichenstudien dazu mögen jene interessieren-
Erwähnt seien sein vielbekannter, vom religiösen Stand.