EIN BEZEICHNETES WERK VON GOTT-
FRIED SPILLER Von EDMUND WILHELM BBRUN-Troppaw
Mit 2 Abbildungen
*T\ie Berliner Kunftliteratur des 18. Jahrhunderts erwähnt öfters den aus Böhmen
.Ly [tammenden Glasfchneider Gottfried Spiller, der von 1683 bis in das zweite Viertel
des 18. Jahrhunderts in Berlin tätig war. „Er wußte auf Kriftailgiäfer die zieriichften
Landfchaften, Bataiiien, Hiftorien, Biumen und dergieichen, flach und erhaben zu fchnei-
den, das man nichts fchöneres fehen konnte" fchreibt von ihm Humbert in feinem 1768
erfchienenen „Nachrichten von Berliner Künftlern" und Nicolai erwähnt von Spiller
Arbeiten in der Kunftkammer und in Privatkabinetten, fo zwei Gläfer in der Samm-
lung Daum. Eines derfelben fand Robert Schmidt', dem wir die erften zufammen-
faffenden Nachrichten über Spiller verdanken, in einem Orpheusbecher des Berliner Kunft-
mufeums wieder (abgeb. Schmidt a. a. O. Taf. 7 links), der fomit das einzige literarifch
beglaubigte Werk Spillers ift. „Von dem Stil diefes Bechers ausgehend können wir
nun eine ganze Reihe weiterer Arbeiten für Spiller in Anfpruch nehmen, die denfelben
virtuofen Tieffchnitt zeigen." Die Analgfe der Kunftweife Spillers, den Schmidt mit
Recht für den bedeutendften deutfchen Glasfchneider erklärt, ift in Schmidts Werk ein-
leuchtend und klar und fie wird vollkommen gerechtfertigt durch eine bisher noch
nicht bekannte fignierte Arbeit des Meifters, vorläufig die einzige mit feiner Namens-
ten Erwerbungen des
Mufeums, wohin fie aus
dem Befi^e der kürzlich
verftorbenen Fürftin von
Hohenzollern - Sigmarin-
gen gelangte. Die deli-
kate, feine, ornamen-
tierte Silbermontierung dürfte kurze Zeit nach der Entftehung der Kriftallarbeit'', um
die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts entftanden fein und trägt kein Befchauzeichen,
nur das Meifterzeidhen I 77 Z ), fo daß der Schluß wohl erlaubt ift, es habe diefe
Faffung ein hofbefreiter Goldfehmied angefertigt, der von der Befchaupflicht befreit
war. In erfter Linie käme wohl dann ein Berliner Goldfehmied in Betracht; mit einem
der in Sarres Buch über die Berliner Goldfehmiede angeführten Meifter laffen [ich die
beiden Budiftaben H Z jedoch nicht identifizieren, fo daß nur einer der für den
preußifchen Hof arbeitenden freien Kunfthandwerker in Betracht käme. Natürlich kann
aber der Goldfehmied auch an einem anderen Orte anfäffig gewefen fein.
Die Kanne felbft (Abb. 2) ift aus reinem klaren Kriftall und trägt in meifterhaftem
Tieffchnitt eine figürliche Darftellung, den Zug der nackten Europa auf dem blumen-
gefchmückten Stier durch die Meereswogen. Ein Putto mit Pfeil und Bogen fchwebt
dem Zug voran, unter ihm ift in den Wellen ein zweiter Putto fichtbar, der einen
Delphin reitet. An der unteren Laibung der Kanne, wo die Palmetten der Montierung
den abfchließenden Nodus umfaffen, zieht in Hochfchnitt ein Palmettenfries herum und
ein zweiter Hochfchnittfries, ein fchmales Band mit einfacher Ranke, liegt auf der
engften Stelle des Halfes.
t Brandenburgifche Gläfer. Berlin 1914, S. 72.
- Dem liebenswürdigen Direktor des Mufeums, Herrn Geh. Hofrat J. Groebbeis, verdanke ich
die Paufe der Künftierfignatur und die Photographie der Kanne.
s Die Signatur Spiders befindet (ich unter dem unteren Henkeianfatp
infehrift (Abb. 1). Es ift
eine in vergoldetem Sil-
ber gefaßte Kriftallkanne
mit Tieffchnitt im Fürftlich
Hohenzollernfchen Mufe-
um zu Sigmaringen. ' Die
Kanne gehört zu den leß-
5 = 7^
Abb. 1. Signatur des G. Spider
auf d. Sigmaringer Kriftaiikanne.
Der Cicerone, Vid. ]ahrg., Heft 5/6
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FRIED SPILLER Von EDMUND WILHELM BBRUN-Troppaw
Mit 2 Abbildungen
*T\ie Berliner Kunftliteratur des 18. Jahrhunderts erwähnt öfters den aus Böhmen
.Ly [tammenden Glasfchneider Gottfried Spiller, der von 1683 bis in das zweite Viertel
des 18. Jahrhunderts in Berlin tätig war. „Er wußte auf Kriftailgiäfer die zieriichften
Landfchaften, Bataiiien, Hiftorien, Biumen und dergieichen, flach und erhaben zu fchnei-
den, das man nichts fchöneres fehen konnte" fchreibt von ihm Humbert in feinem 1768
erfchienenen „Nachrichten von Berliner Künftlern" und Nicolai erwähnt von Spiller
Arbeiten in der Kunftkammer und in Privatkabinetten, fo zwei Gläfer in der Samm-
lung Daum. Eines derfelben fand Robert Schmidt', dem wir die erften zufammen-
faffenden Nachrichten über Spiller verdanken, in einem Orpheusbecher des Berliner Kunft-
mufeums wieder (abgeb. Schmidt a. a. O. Taf. 7 links), der fomit das einzige literarifch
beglaubigte Werk Spillers ift. „Von dem Stil diefes Bechers ausgehend können wir
nun eine ganze Reihe weiterer Arbeiten für Spiller in Anfpruch nehmen, die denfelben
virtuofen Tieffchnitt zeigen." Die Analgfe der Kunftweife Spillers, den Schmidt mit
Recht für den bedeutendften deutfchen Glasfchneider erklärt, ift in Schmidts Werk ein-
leuchtend und klar und fie wird vollkommen gerechtfertigt durch eine bisher noch
nicht bekannte fignierte Arbeit des Meifters, vorläufig die einzige mit feiner Namens-
ten Erwerbungen des
Mufeums, wohin fie aus
dem Befi^e der kürzlich
verftorbenen Fürftin von
Hohenzollern - Sigmarin-
gen gelangte. Die deli-
kate, feine, ornamen-
tierte Silbermontierung dürfte kurze Zeit nach der Entftehung der Kriftallarbeit'', um
die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts entftanden fein und trägt kein Befchauzeichen,
nur das Meifterzeidhen I 77 Z ), fo daß der Schluß wohl erlaubt ift, es habe diefe
Faffung ein hofbefreiter Goldfehmied angefertigt, der von der Befchaupflicht befreit
war. In erfter Linie käme wohl dann ein Berliner Goldfehmied in Betracht; mit einem
der in Sarres Buch über die Berliner Goldfehmiede angeführten Meifter laffen [ich die
beiden Budiftaben H Z jedoch nicht identifizieren, fo daß nur einer der für den
preußifchen Hof arbeitenden freien Kunfthandwerker in Betracht käme. Natürlich kann
aber der Goldfehmied auch an einem anderen Orte anfäffig gewefen fein.
Die Kanne felbft (Abb. 2) ift aus reinem klaren Kriftall und trägt in meifterhaftem
Tieffchnitt eine figürliche Darftellung, den Zug der nackten Europa auf dem blumen-
gefchmückten Stier durch die Meereswogen. Ein Putto mit Pfeil und Bogen fchwebt
dem Zug voran, unter ihm ift in den Wellen ein zweiter Putto fichtbar, der einen
Delphin reitet. An der unteren Laibung der Kanne, wo die Palmetten der Montierung
den abfchließenden Nodus umfaffen, zieht in Hochfchnitt ein Palmettenfries herum und
ein zweiter Hochfchnittfries, ein fchmales Band mit einfacher Ranke, liegt auf der
engften Stelle des Halfes.
t Brandenburgifche Gläfer. Berlin 1914, S. 72.
- Dem liebenswürdigen Direktor des Mufeums, Herrn Geh. Hofrat J. Groebbeis, verdanke ich
die Paufe der Künftierfignatur und die Photographie der Kanne.
s Die Signatur Spiders befindet (ich unter dem unteren Henkeianfatp
infehrift (Abb. 1). Es ift
eine in vergoldetem Sil-
ber gefaßte Kriftallkanne
mit Tieffchnitt im Fürftlich
Hohenzollernfchen Mufe-
um zu Sigmaringen. ' Die
Kanne gehört zu den leß-
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Abb. 1. Signatur des G. Spider
auf d. Sigmaringer Kriftaiikanne.
Der Cicerone, Vid. ]ahrg., Heft 5/6
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