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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG
hatte die Organisation der Handwerke und die Bildung von Zünften nach dem mißlungenen Handwerkeraufstand
von 1348/49 aus Gründen der Machtkonzentration strikt unterbunden38. Einzelnen Personen aus der Handwerker-
schaft oder auch einfachen Bürgern war es jedoch in ausgesuchten Fällen - etwa bei der Kreuzgangsverglasung des
Nürnberger Karmeliterklosters - durchaus erlaubt, sich mit Legaten an der Ausstattung zu beteiligen. Bei den Karme-
liten wird als Grund wohl zu Recht die geringere Akzeptanz angeführt, die die Frauenbrüder im Vergleich zu den
Niederlassungen der Franziskaner, Dominikaner oder Augustiner bei den Nürnberger Patriziern genossen. Ganz in
diesem Sinne schreibt der Chronist Johann Möllner: »Des Klosters Jahrtagbuch gibt zu erkennen, daß dieses Kloster
von vornehmen Leuten keinen besonderen Zugang gehabt, sondern daß sich mehrerteils schlichte, gemeine Bürger
und Handwerksleut, die vielleicht in der Nachbarschaft gewohnt, sich zu ihnen gehalten«39.
Entsprechende rechtliche und soziale Beziehungen werden ehemals auch in den Farbverglasungen von Pfarrkirchen,
Klöstern und Spitälern der kleineren fränkischen Reichsstädte zum Ausdruck gebracht worden sein, wenngleich auf
der spärlichen Basis des Überlieferten kaum noch begründete Aussagen möglich sind: So wissen wir beispielsweise
nichts über den Stifterkreis (königlicher Stadtherr, Rat, Patriziat und Zünfte?) in den hochbedeutenden Stadtpfarrkir-
chen St. Andreas in Weißenburg40 und St. Georg in Dinkelsbühl41, ganz zu schweigen von den verschiedenen Ordens-
niederlassungen und Spitalkirchen ebenda42. Allein in Rothenburg, wo in der Pfarr- und Deutschordenskirche St.
Jakob der mit Abstand bedeutendste Glasmalereibestand Mittelfrankens (außerhalb der Mauern Nürnbergs) erhalten
geblieben ist, werfen die spezifischen Machtverhältnisse innerhalb der Pfarrei im Verlauf des 14. Jahrhunderts auch ein
interessantes Licht auf die Position und Motivation der Fensterstifter. Die Verwaltung des staufischen Haus- und
Reichsgutkomplexes um Rothenburg lag zunächst in den Händen von Reichsministerialen, die auf mehreren staufi-
schen Burganlagen im Umland die Reichsinteressen zu wahren und vor allem territoriale Ausdehnungsbestrebungen
von Seiten des Hochstifts Würzburg nach Süden hin abzuwehren hatten. Aus dem Kreis dieser Reichsministerialen
(Nordenberg, Hornberg, Seideneck usw.) rekrutierte sich später das Rothenburger Patriziat, das freilich nicht die dau-
erhafte Machtposition der Nürnberger Geschlechter entwickeln konnte43. Nach dem Interregnum, das Rothenburg
als Pfandschaft der Grafen von Hohenlohe überstanden hatte, folgte 1274 unter König Rudolf von Habsburg die
Rücknahme an das Reich, die Bestätigung älterer Marktprivilegien und die Ausgestaltung des kaiserlichen Landge-
richts Rothenburg. Die nun einsetzende, bis zum Ende des großen Bürgermeisters Heinrich Toppier 1408 andauernde
Blütezeit der Stadt, die die Entwicklung auf allen Gebieten beförderte, war gleichwohl von wiederholten Rechtsun-
sicherheiten, Verpfändungen an die Grafen von Hohenlohe und den Bischof von Würzburg sowie verwirrenden poli-
tischen Allianzen begleitet, die bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts die beständige Gefahr der Mediatisierung Rothen-
burgs in sich bargen. Bereits im Verlauf des 13. Jahrhunderts waren mit der Deutschordenskommende und der
Stadtpfarrei, der Johanniterkommende, dem Dominikanerinnenkloster, dem Franziskanerkloster und dem Neuen Spi-
tal alle großen geistlichen Institutionen der Stadt entstanden, die in der Folgezeit das kirchliche Leben bestimmten44.
Wesentlich für die Entwicklung der Stadtpfarrei St. Jakob war das Verhältnis der Stadt zum Deutschen Orden, dem
die Pfarrei zusammen mit der Mutterkirche in Dettwang 1258 vom Würzburger Bischof mit allen Rechten und Zube-
hör übereignet worden war. Mit Beginn des Neubaus der Jakobskirche, der in der Hauptsache durch Zuwendungen
seitens der Bürgerschaft befördert wurde, erlangte der Rat jedoch Kontrolle und Mitbestimmung an der Vermögens-
verwaltung der St. Jakobspflege, die durch Vertrag von 1336 zunächst mit paritätischer Beteiligung errichtet wurde
und schließlich 1398 vollständig in die Hände der Stadt überging45. Die jeweilige Rechtslage hinsichtlich Baulast und
-Verwaltung hat ihren Niederschlag nicht zuletzt in den beiden Ausstattungssphasen des Chors Mitte bzw. Ende des
38 Vgl. Hans Lentze, Nürnbergs Gewerbeverfassung des Spätmittelal-
ters im Rahmen der deutschen Entwicklung (Beiträge zur Wirtschaftsge-
schichte Nürnbergs II), Nürnberg 1967, S. 593-619.
39 Möllner, 1623, S. 204.
40 Vgl. Felix MADER/Karl Gröber, Kdm. Bayern, MF V, 1932.
41 Vgl. Felix Mader, Kdm. Bayern, MF IV, 1931.
42 Nur für die Karmeliterkirche in Weißenburg wissen wir zumindest
von einem Fenster des Nürnberger Patriziers Rupprecht I. Haller, der
auch im Nürnberger Karmeliterkloster als Fensterstifter in Erscheinung
trat (Reg. Nr. 153).
43 Vgl. ausführlich Ress, 1959, S. 2-44; Gerhard Pfeiffer, Die Entwick-
lung der Selbständigkeit der Reichsstadt bis zum Eintritt Heinrich Topp-
lers in die Politik, in: VAR 1974/75. S. 5-15; Ludwig Schnurrer, Die
Reichsstadt Rothenburg im Zeitalter Karls IV. 1346-1378, in: Blätter für
deutsche Landesgeschichte 114, 1978,8. 563—612.
44 Zu den geistlichen Institutionen der Reichsstadt Rothenburg bis zur
Reformation grundlegend Borchardt, 1988.
45 Ebenda S. 39-43. Vergleichbare Pflegschaften errichtete der Rat der
Stadt auch im Fall des Neuen Spitals (1351/52), der Franziskaner (vor
1363) und der Dominikanerinnen (1378).
KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG
hatte die Organisation der Handwerke und die Bildung von Zünften nach dem mißlungenen Handwerkeraufstand
von 1348/49 aus Gründen der Machtkonzentration strikt unterbunden38. Einzelnen Personen aus der Handwerker-
schaft oder auch einfachen Bürgern war es jedoch in ausgesuchten Fällen - etwa bei der Kreuzgangsverglasung des
Nürnberger Karmeliterklosters - durchaus erlaubt, sich mit Legaten an der Ausstattung zu beteiligen. Bei den Karme-
liten wird als Grund wohl zu Recht die geringere Akzeptanz angeführt, die die Frauenbrüder im Vergleich zu den
Niederlassungen der Franziskaner, Dominikaner oder Augustiner bei den Nürnberger Patriziern genossen. Ganz in
diesem Sinne schreibt der Chronist Johann Möllner: »Des Klosters Jahrtagbuch gibt zu erkennen, daß dieses Kloster
von vornehmen Leuten keinen besonderen Zugang gehabt, sondern daß sich mehrerteils schlichte, gemeine Bürger
und Handwerksleut, die vielleicht in der Nachbarschaft gewohnt, sich zu ihnen gehalten«39.
Entsprechende rechtliche und soziale Beziehungen werden ehemals auch in den Farbverglasungen von Pfarrkirchen,
Klöstern und Spitälern der kleineren fränkischen Reichsstädte zum Ausdruck gebracht worden sein, wenngleich auf
der spärlichen Basis des Überlieferten kaum noch begründete Aussagen möglich sind: So wissen wir beispielsweise
nichts über den Stifterkreis (königlicher Stadtherr, Rat, Patriziat und Zünfte?) in den hochbedeutenden Stadtpfarrkir-
chen St. Andreas in Weißenburg40 und St. Georg in Dinkelsbühl41, ganz zu schweigen von den verschiedenen Ordens-
niederlassungen und Spitalkirchen ebenda42. Allein in Rothenburg, wo in der Pfarr- und Deutschordenskirche St.
Jakob der mit Abstand bedeutendste Glasmalereibestand Mittelfrankens (außerhalb der Mauern Nürnbergs) erhalten
geblieben ist, werfen die spezifischen Machtverhältnisse innerhalb der Pfarrei im Verlauf des 14. Jahrhunderts auch ein
interessantes Licht auf die Position und Motivation der Fensterstifter. Die Verwaltung des staufischen Haus- und
Reichsgutkomplexes um Rothenburg lag zunächst in den Händen von Reichsministerialen, die auf mehreren staufi-
schen Burganlagen im Umland die Reichsinteressen zu wahren und vor allem territoriale Ausdehnungsbestrebungen
von Seiten des Hochstifts Würzburg nach Süden hin abzuwehren hatten. Aus dem Kreis dieser Reichsministerialen
(Nordenberg, Hornberg, Seideneck usw.) rekrutierte sich später das Rothenburger Patriziat, das freilich nicht die dau-
erhafte Machtposition der Nürnberger Geschlechter entwickeln konnte43. Nach dem Interregnum, das Rothenburg
als Pfandschaft der Grafen von Hohenlohe überstanden hatte, folgte 1274 unter König Rudolf von Habsburg die
Rücknahme an das Reich, die Bestätigung älterer Marktprivilegien und die Ausgestaltung des kaiserlichen Landge-
richts Rothenburg. Die nun einsetzende, bis zum Ende des großen Bürgermeisters Heinrich Toppier 1408 andauernde
Blütezeit der Stadt, die die Entwicklung auf allen Gebieten beförderte, war gleichwohl von wiederholten Rechtsun-
sicherheiten, Verpfändungen an die Grafen von Hohenlohe und den Bischof von Würzburg sowie verwirrenden poli-
tischen Allianzen begleitet, die bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts die beständige Gefahr der Mediatisierung Rothen-
burgs in sich bargen. Bereits im Verlauf des 13. Jahrhunderts waren mit der Deutschordenskommende und der
Stadtpfarrei, der Johanniterkommende, dem Dominikanerinnenkloster, dem Franziskanerkloster und dem Neuen Spi-
tal alle großen geistlichen Institutionen der Stadt entstanden, die in der Folgezeit das kirchliche Leben bestimmten44.
Wesentlich für die Entwicklung der Stadtpfarrei St. Jakob war das Verhältnis der Stadt zum Deutschen Orden, dem
die Pfarrei zusammen mit der Mutterkirche in Dettwang 1258 vom Würzburger Bischof mit allen Rechten und Zube-
hör übereignet worden war. Mit Beginn des Neubaus der Jakobskirche, der in der Hauptsache durch Zuwendungen
seitens der Bürgerschaft befördert wurde, erlangte der Rat jedoch Kontrolle und Mitbestimmung an der Vermögens-
verwaltung der St. Jakobspflege, die durch Vertrag von 1336 zunächst mit paritätischer Beteiligung errichtet wurde
und schließlich 1398 vollständig in die Hände der Stadt überging45. Die jeweilige Rechtslage hinsichtlich Baulast und
-Verwaltung hat ihren Niederschlag nicht zuletzt in den beiden Ausstattungssphasen des Chors Mitte bzw. Ende des
38 Vgl. Hans Lentze, Nürnbergs Gewerbeverfassung des Spätmittelal-
ters im Rahmen der deutschen Entwicklung (Beiträge zur Wirtschaftsge-
schichte Nürnbergs II), Nürnberg 1967, S. 593-619.
39 Möllner, 1623, S. 204.
40 Vgl. Felix MADER/Karl Gröber, Kdm. Bayern, MF V, 1932.
41 Vgl. Felix Mader, Kdm. Bayern, MF IV, 1931.
42 Nur für die Karmeliterkirche in Weißenburg wissen wir zumindest
von einem Fenster des Nürnberger Patriziers Rupprecht I. Haller, der
auch im Nürnberger Karmeliterkloster als Fensterstifter in Erscheinung
trat (Reg. Nr. 153).
43 Vgl. ausführlich Ress, 1959, S. 2-44; Gerhard Pfeiffer, Die Entwick-
lung der Selbständigkeit der Reichsstadt bis zum Eintritt Heinrich Topp-
lers in die Politik, in: VAR 1974/75. S. 5-15; Ludwig Schnurrer, Die
Reichsstadt Rothenburg im Zeitalter Karls IV. 1346-1378, in: Blätter für
deutsche Landesgeschichte 114, 1978,8. 563—612.
44 Zu den geistlichen Institutionen der Reichsstadt Rothenburg bis zur
Reformation grundlegend Borchardt, 1988.
45 Ebenda S. 39-43. Vergleichbare Pflegschaften errichtete der Rat der
Stadt auch im Fall des Neuen Spitals (1351/52), der Franziskaner (vor
1363) und der Dominikanerinnen (1378).