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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0079

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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG


Textabb. 49. Hl. Andreas aus dem Fenster der Abtskapelle.
Augsburg, St. Ulrich und Afra. Augsburg, um 1496
(Werkstatt Gumpolt Giltlinger).


Textabb. 50. Scheibenriß der thronenden Muttergottes für die
Anbetung der Könige in St. Ulrich und Afra. Basel, Kupferstich-
Kabinett. Werkstatt Hans Holbein d.Ä., um 1495/1500.

Stuhl in Altenthann, die zu größeren Teilen nach vorhandenen älteren Entwürfen oder auf der Grundlage druckgra-
phischer Vorbilder des Dürerkreises - gewissermaßen aus dem Fundus - bestritten wurden, dann wird allerdings auch
deutlich, daß die innovativen Zeiten der monumentalen Glasmalerei in Nürnberg bereits vor dem Ableben des alten
Veit Hirsvogel im Jahr 1525 vorüber waren (Textabb. 47h).
Die Dominanz der in Nürnberg niedergelassenen Glasmalerei-Werkstätten für den näheren mittelfränkischen Raum
scheint in einzelnen Fällen bereits vor 1500 gebrochen. Insbesondere Augsburg tritt als zweites Zentrum hervor, des-
sen künstlerisch hochstehende Produktion seit Mitte der 1490er Jahre in der Hauptsache dem Einfluß Holbeins d.Ä.
zu verdanken ist. Im Unterschied zu Nürnberg hat Augsburg innerhalb seiner Mauern so gut wie keine nennenswer-
ten Farbverglasungen aus der fraglichen Zeit bewahrt. Behandelt man Augsburger Glasmalerei zur Zeit Holbeins, ist
man gezwungen, sich nach auswärts zu orientieren, wobei sich der Einzugsbereich der Exporte von der näheren
schwäbischen und oberbayerischen Umgebung über Eichstätt, Straubing und Landsberg am Lech bis nach Südtirol,
Schwaz und Meran erstreckt142. Bereits 1468/69 hatte man für die Kreuzgangsverglasung des Zisterzienserklosters
Heilsbronn einen umfangreichen Zyklus von zwanzig Glasgemälden aus Augsburg bezogen, der beim Abbruch der
Klausurgebäude 1774 an das Ansbacher Bauamt gelangte und seither verschollen ist (vgl. Reg. Nr. 32). Leider wird der
Meister der gemalten scheyben nicht namentlich genannt, doch ein umfangreiches Konvolut von Scheibenrissen
(Rund- und Rechteckblätter) von recht dramatischem Temperament, das von Buchner mit dem OEuvre des Augsbur-
ger »Meisters von 1477« (benannt nach der datierten Kreuzigungstafel der Augsburger Galerie) verbunden wurde, lie-
fert den Beweis, daß es eine bemerkenswerte Augsburger Glasmalerei schon vor Holbein und dessen Kooperation mit
dem Maler und Glasmaler Gumpolt Giltlinger gegeben haben muß143. Auch in Augsburg stand die Glasmalerei am
Ausgang des Mittelalters ganz im Zeichen der Trennung von entwerfenden und ausführenden Künstlern. Aus Sicht
der bislang bekannten Bestände engt sich dieser Sachverhalt für das ausgehende 15. und beginnende 16. Jahrhundert
allerdings auf die alles überragende Bedeutung Holbeins als Entwerfer ein. Schon für die zweite Augsburger Liefe-
 
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