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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0186

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GROSSHABERSDORF • PFARRKIRCHE

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em anhaltendes Interesse an den zentralen Themen der Heilsgeschichte - Verkündigung, Kreuzigung, Weltgericht -
und an der Titelheiligen Walburga die Bewahrung der betreffenden Felder begünstigt haben. Daß die Passion Christi,
wie zu erwarten, ihren ursprünglichen Platz im Chorachsenfenster (I) gehabt haben muß, das legen die plastischen
Darstellungen des Schmerzensmannes (innen) und der Kreuzigung (außen) in der Maßwerkzone des Fensters nahe7.
Ungewiß dagegen, ob die Kreuzigungsscheibe seit jeher von der Darstellung des Weltenrichters begleitet wurde oder
ob das Gerichtsthema, wie etwa auch im Chor der Pfarrkirche von Markt Erlbach, einen eigenen Fensterplatz be-
anspruchte. Verglichen mit den dort und andernorts in der »Nürnberger« Glasmalerei (in Nürnberg, Mühlhausen,
Creglingen, etc.) realisierten symmetriebetonten, übergreifenden Szenen waren in den fünf kleinen zweibahnigen
Chorfenstern von Großhabersdorf lediglich additiv aneinandergereihte Einzelszenen unterzubringen.
Farbigkeit, Ornament: Die Großhabersdorfer Scheiben sind in Farbigkeit und Ornament typische Vertreter der
Nürnberger Glasmalerei am Ende des 14. Jahrhunderts. Die begrenzte Farbskala umfaßt die Grundfarben Rot, Vio-
lett, Blau, Grün und Gelb, daneben Weiß für architektonische Formen und Accessoires, hellbraune Inkarnate sowie
gebrochene Purpur- und Hellblautöne (Vergilbung an doublierten Gläsern). In den Hintergründen finden sich zwei
der geläufigsten vegetabilen Muster Nürnberger Glasmalerei (X, 2of.), in nord II belebt durch eingestreute gelbe Blüten.
Technik, Stil, Datierung: Die in Großhabersdorf erhaltenen Restscheiben der Chorverglasung sind als Erzeugnisse
einer klar bestimmbaren Werkstattrichtung der Nürnberger Schule des ausgehenden 14. Jahrhunderts zuzuordnen:
Als deren charakteristisches Merkmal ist zuallererst die locker mit breitem Pinsel aufgetragene, auf ein Mindestmaß
beschränkte deckende Konturierung der Binnenformen zu nennen. Diese derbe, überaus rationelle Schwarzlottechnik
findet sich gleichermaßen in den Chorverglasungen von St. Martha (um 1370/80) und St. Sebald in Nürnberg
(1379/86), in großen Teilen der Patriarchenfenster des Erfurter Domchores (um 1390), in der Chorverglasung der
Mühlhausener Marienkirche, in der Herrgottskirche in Creglingen und in den heutigen Chorflankenfenstern in Markt
Erlbach (alle um 1390/1400; vgl. Kunstgeschichtliche Einleitung S. 62). Negativtechniken wie Lichter und Aufhellun-
gen, die mit trockenem Pinsel aus dem flächig vertriebenen Halbtonüberzug herausgewischt wurden, entsprechen
gleichfalls dem Standard Nürnberger Glasmalerei des letzten Jahrhundertviertels. In den Köpfen, bei Haaren und Bär-
ten oder zur schärferen Kennzeichnung von Gewandsäumen und unterschiedlicher Accessoires kamen hier und da
spitze Radierlinien mit der Nadel oder dem spitzen Hölzchen zum Einsatz.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Glasgemälde wurden im Oktober 1997 vor Ort in ausgebautem Zustand untersucht
und neu aufgenommen; dem Abbildungsteil liegen die Neuaufnahmen zugrunde.

CHORFENSTER nord II

Fig. 79, 8if., Abb. 9of.

Lichtes Gesamtmaß: H. ca. 3,90 m, B. 0,75 m.
Zweibahniges Fenster von fünf Zeilen, Kopfscheiben und Maßwerk aus spitzblättrigem Dreipaß. Das Fenster umfaßt
zehn Rechteckfelder, zwei Kopfscheiben und ein Maßwerkteil, die bis auf die beiden mittelalterlichen Rechteckfelder
in der fünften Zeile mit Ornamentscheiben des 19. Jahrhunderts gefüllt sind. Schutzverglasung der mittelalterlichen
Felder mit außenseitig matt aufgeätzter Bleinetzsimulation (dem Verlauf des originalen Bleinetzes folgend).

4a HLL. BARBARA UND WALBURGA Fig. 81, Abb. 9o
H. 66 cm, B. 28,5-29 cm.
Ursprünglich muß das Feld in einer rechten Fensterbahn (b)
gestanden haben (breite rechte Randsäule).
Erhaltung: In der Substanz bis auf eine größere Ergänzung im
Architekturabschluß und zwei kleinere Flicken in den Randsäu-
len alt. Rückseitige Flächenkorrosion, die allenfalls bei violetten
Gläsern minimale Transparenzeinbußen zur Folge hatte. Verein-
zelt rückseitige Doublierungen. Bemalung weitgehend intakt.

Bleinetz erneuert; in jüngster Zeit am linken Rand durch meh-
rere Randbleie aufgefüttert.
7 Das Achsenfenster verfügte mit einem lichten Gesamtmaß (H. 3,20 m,
B. 0,75 m) lediglich über vier Zeilen, d.h. acht Rechteckfelder im Unter-
schied zu zehn Rechteckfeldern in den restlichen Chorfenstern. Pfarrer
Theodor Lauter hat 1904 eine Herkunft der Scheiben aus dem Mittelfen-
ster vermutet, das 1727/28 durch die neu angeschaffte Orgel verdeckt
worden war.
 
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