Metadaten

Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0209

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
204

HENFENFELD • PFARRKIRCHE

Fig. 96. Hl. Nikolaus. Henfenfeld, Pfarrkirche,
Sakristei. Bamberg, um 1230/40. - Kat. S. zojf.


Gleichviel, ob die Herren von Henfenfeld, ursprünglich bischöf-
lich-bambergische Ministerialen, die 1235-1382 urkundlich
erwähnt werden, oder Kloster Michelfeld als Patronatsherr an
Bau und Ausstattung der Pfarrkirche beteiligt waren. Als künst-
lerisches Zentrum war Bamberg in jedem Fall naheliegend, zumal
der Neubau des Ekbert-Domes im ersten Drittel des 13. Jahrhun-
derts (Schlußweihe 1237) herausragende Künstler, namentlich
Baumeister und Bildhauer, in die Stadt geführt hatte16. Daß die
Glasmalerei in diesem Rahmen künstlerisch mithalten konnte, ist
aufgrund fehlender Zeugnisse dieser Zeit nicht mehr zu verifizie-
ren. Repräsentative Aufgaben wie die monumentale Farbvergla-
sung von Ost- und Westchor, nicht zu reden von den zahlreichen
Farbfenstern in Lang- und Querhaus, forderten leistungsfähige
Kräfte, die mutmaßlich - wie die Werkleute in den anderen Spar-
ten - erst zu diesem Zwecke beigezogen worden waren.
Unter den Werken der Malerei, die mit Sicherheit nach Bamberg
lokalisiert werden können, stehen die Miniaturen der beiden
Psalterien Msc. Bibi. 47 und 48 in der Bamberger Staatsbibliothek
sowie der Psalter der Bibliotheque Nationale in Paris aus dem
2.Viertel des 13. Jahrhunderts (BN Ms. lat. 17961) den Henfen-
felder Scheiben am nächsten (Fig. 94, Textabb. 5f.)17. Wohl verra-
ten die langestreckten, schlanken Figuren besonders des Pariser
Codex im Vergleich zum Michael - nicht zum Nikolaus - eine
andere Proportionierung, doch die betont lineare Faltenzeich-
nung mit ihrer seltsamen Mischung von weit und weich
geschwungenen Verläufen und spröde gebrochenen Säumen bis
hin zu wulstig verschlungenen Gewandpartien auf Höhe der
Taille oder an den Ärmeln bietet ausreichend enge Bezüge, um
die künstlerische Provenienz der Scheiben aus demselben Werk-
stattkreis in Betracht zu ziehen. Selbst für die strenge, geradlinige
Faltenzeichnung im Pluviale des Nikolaus, die ins späte 12. Jahr-
hundert zurückverweist, sind im Psalter Msc. Bibi. 47 überzeu-
gende Parallelen auszumachen (Textabb. 6). Vergleicht man ande-
rerseits den Drachentöter in der Q-Initiale des Pariser Psalters,
dann zeigt sich hier eine ausgeprägte Dynamik der Bewegung, die
der Hl. Michael in Henfenfeld völlig vermissen läßt. Kaum ein
schwächlicher Reflex der ausgreifenden Gebärde ist im Glasfen-
ster noch zu spüren, was sicher nicht allein dem wesentlich
ungünstigeren Verhältnis von Figur und Raum anzulasten ist,
sondern ebenso den unterschiedlichen künstlerischen Rang der
beiden Werke dokumentiert. Deutlich näher steht der Drachentö-
ter auf dem Einband des >Bamberger Psalters« (Msc. Bibi. 48); er
ist nicht nur in Haltung und Bewegung gut vergleichbar, sondern
vereint in sich eine ganze Reihe von sehr ähnlichen Faltenmoti-
ven. Das eigentümlichste Motiv - die von T-förmig geblähten
Saumkanten aufwärts umgebogenen Faltenschläuche - kehrt
zudem unmittelbar bei den berühmten Chorschrankenfiguren
des Domes wieder, womit die Bamberger Herkunft der Scheiben
eine weitere Stütze erfährt (Textabb. 4)18. Die Verwandtschaft
 
Annotationen