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NÜRNBERG (wÖHRü) • ST. BARTHOLOMÄUS
gründlich (vgl. Abb. 79)20. Entwurf Hans Bildung Grien; die
Ausführung entspricht in allen Belangen der Geburtsscheibe
(wohl Hans Hirsvogel d.J.).
CVMA A 12245, Großdia A 99/66
3b BETHLEHEMITISCHER KINDERMORD
Fig. 191 f., Abb. 208, 226
H. 80,5-81,5 cm, B. 63,5 cm.
Vor 1835 in Chor süd III, 3b; 1886 nach Chor süd II, 4b ver-
setzt21; seit 1964 am jetzigen Standort.
Wappen: Im rechten unteren Eck Engel mit erneuertem Tucher-
Wappen.
Erhaltung: In Höhe und Breite minimal beschnitten. Abgesehen
von wenigen alten Flicken sowie größeren Ergänzungen im
Sockelbereich des Thrones, in der unteren Hälfte des Wappenen-
gels mit dem Tucher-Schildchen und dem Großteil der rechten
Rahmensäule alte Glassubstanz. In der Figur des vorderen
Schergen und im Wappenengel zahlreich gesprungene, 1964 in
der Werkstatt Frenzei doublierte Gläser; partiell nur mit Araldit-
überzug ohne Deckglas. Die Bemalung ist bis auf die stark
gesprungenen Partien im rechten unteren Viertel des Feldes
weitestgehend intakt; teilweise intakte rückseitige Lasuren mit
Braunlot (Kopf eines Schergen). Einzelne Scherben sind innen-
seitig mit einem kalten Asphaltlacküberzug abgedeckt. Bleinetz
von Frenzei erneuert.
Ikonographie, Komposition: Die im Matthäus-Evangelium an die
Epiphanie anschließende Flucht nach Ägypten wird erklärt
durch den Befehl des Herodes, alle Kinder unter zwei Jahren zu
töten (Mt 2, 16-18)22. Die gesuchte, fast verworrene Komposi-
tion im Gegen- und Nebeneinander von Profil- und Frontalfigu-
ren offenbart trotz aller Abweichungen im Detail des Typen-
schatzes zu deutlich baldungsche Gestaltungsprinzipien (man
vergleiche nur die Geschichte der Ehebrecherin in Großgründ-
lach, Abb. 83), um nicht zumindest auf einen Vorentwurf von
seiner Hand zurückgeführt zu werden23. Für das Vorhandensein
einer solchen ersten Skizze spräche auch die Wiederkehr dessel-
ben Wappenengels, der schon die Szene der Ehebrecherin beglei-
tet hatte.
Farbigkeit: Herodes thront links im roten, hermelinbesetzten
Mantel über silbergelb damasziertem Untergewand; dazu in Sil-
bergelb Ketten, Ringe, Krone und Szepter. Der bernsteingelbe
Thron ist überfangen durch einen silbergelben, innen mit hell-
grünem Damast ausgeschlagenen, an der Vorderkante mit roten
Fransen gezierten Baldachin. Gegenüber im Vordergrund ein
Fig. 192. ES Chor n II, 3b.
Scherge in blauem Wams, einer weiß-gelb gestreiften Haube und
hellbraunen Beinlingen; dazwischen eine Frau mit seltsam ver-
haltenem Schmerz in grünem Kleid, den Kopf in ein weißes Tuch
gehüllt. Im Mittelgrund rechts ein zweiter Soldat mit zum Stoß
erhobenem weißen Schwert, gekleidet in einen grünen Koller
über gelb damasziertem Hemd mit weißen Puffärmeln; silbergel-
ber Hut, von einer weißen Kinnbinde gehalten. Klageweib mit
rotem Kleid und weißer Haube; am rechten Rand ein dritter Sol-
dat in blauem Wams. Inkarnate der unschuldigen Kinder blaß-
braun. Wappenengel mit weißer Albe und roten Flügeln (im 19.
Jh. ergänztes Tucher-Schild und Gewandpartie viel zu braunto-
nig). Innenraum mit dunkelbraunen Mauern und weißen Fen-
stern. Weiße Astwerkrahmung mit Weinlaub; Trauben rückseitig
teils mit Silbergelb, teils mit Rotlot gehöht.
Ornament: In den Ärmeln eines Schergen gemalter Damast;
ebenso im Untergewand des Herodes und im stoffbespannten
Baldachin über dem Thron.
Stil, Datierung: Nürnberg, um 1508; Hirsvogel-Werkstatt, mut-
maßlich nach einem Vorentwurf von Hans Baldung Grien. Die
von Knappe als Argument für eine Endredaktion des Entwurfs
oder Kartons durch Hans von Kulmbach angeführte Verwandt-
schaft mit zwei Rundscheibenrissen mit den Martyrien der Hll.
Stanislaus und Erasmus (WK.m, 112; um 1511), dem Hl. Sigis-
mund vom Annenaltar in St. Lorenz von 1510 oder dem Frauen-
bad mit Narren (WK.119) trifft zwar im großen und ganzen für
die Kopftypen zu und mag mit einer späten Mitwirkung Kulm-
bachs an den Vorzeichnungen Zusammengehen, doch gerade die
kraftvoll gedrängte Inszenierung der Wöhrder Scheibe geht in
der Bilderfindung entschieden über das Maß Kulmbachscher
Kompositionskunst hinaus24.
CVMA A 12246, Großdia A 99/67
4a TAUFE CHRISTI Fig. 193, Abb. 213, 227
H. 81-81,5 cm, B. 63-64 cm.
Vor 1835 in Chor nord II, 3a; 1886 nach 4a versetzt25.
Erhaltung: In Höhe und Breite minimal beschnitten. Der
Gesamteindruck wird durch umfassende, zeichnerisch derbe
Ergänzungen des 19. Jh. in den Figuren Gottvaters und Christi,
im Kopf des Täufers sowie im Rand- und Bodenbereich nachhal-
tig getrübt. Punktförmige Korrosionsspuren in einzelnen blaß-
violetten Gläsern der Randsäulen. Abrieb der Bemalung an ori-
ginalen Partien, besonders im roten Mantel des Täufers und in
der Baumkulisse; im Kopf Christi, beim Engel und in den Bäu-
men sind noch Spuren der rückseitigen Malerei vorhanden.
20 Eine frühe Datierung in Anlehnung an die Entstehung des St. Loren-
zer Löffelholz-Fensters (1506) wird auch bei Schwemmer, 1933, S. 44,
vorgeschlagen.
21 Schwemmer, 1933, S. 41; vgl. Inv. 1829 (Reg. Nr. 76).
22 Schiller, 1,31981, S. 124-126; LCI, II, 1970, Sp. 510-513.
23 Für Knappe, Baldung, 1963, S. 67, weist der Bethlehemitische Kinder-
mord zumindest in der Endfassung auf Hans von Kulmbach als Entwer-
fer, während Grote, 1961, S. 70 »die Kraft der Zeichnung und die Kraß-
heit der Schilderung« für Baldung in Anspruch nehmen möchte; ebenso
Scholz, Werkstattpraxis, 1991, S. 109. Rainer Kahsnitz, in: Kat. Ausst.
Nürnberg 1986, S. 367, teilt dagegen die Ansicht von Knappe.
24 Knappe, Baldung, 1963, Anm. 351; zu den genannten Vergleichsob-
jekten siehe auch Stadler, 1936, Abb. 3 5, 79c, io6f., 148.
25 Schwemmer, 1933, S. 41; vgl. Inv. 1829 (Reg. Nr. 76).
NÜRNBERG (wÖHRü) • ST. BARTHOLOMÄUS
gründlich (vgl. Abb. 79)20. Entwurf Hans Bildung Grien; die
Ausführung entspricht in allen Belangen der Geburtsscheibe
(wohl Hans Hirsvogel d.J.).
CVMA A 12245, Großdia A 99/66
3b BETHLEHEMITISCHER KINDERMORD
Fig. 191 f., Abb. 208, 226
H. 80,5-81,5 cm, B. 63,5 cm.
Vor 1835 in Chor süd III, 3b; 1886 nach Chor süd II, 4b ver-
setzt21; seit 1964 am jetzigen Standort.
Wappen: Im rechten unteren Eck Engel mit erneuertem Tucher-
Wappen.
Erhaltung: In Höhe und Breite minimal beschnitten. Abgesehen
von wenigen alten Flicken sowie größeren Ergänzungen im
Sockelbereich des Thrones, in der unteren Hälfte des Wappenen-
gels mit dem Tucher-Schildchen und dem Großteil der rechten
Rahmensäule alte Glassubstanz. In der Figur des vorderen
Schergen und im Wappenengel zahlreich gesprungene, 1964 in
der Werkstatt Frenzei doublierte Gläser; partiell nur mit Araldit-
überzug ohne Deckglas. Die Bemalung ist bis auf die stark
gesprungenen Partien im rechten unteren Viertel des Feldes
weitestgehend intakt; teilweise intakte rückseitige Lasuren mit
Braunlot (Kopf eines Schergen). Einzelne Scherben sind innen-
seitig mit einem kalten Asphaltlacküberzug abgedeckt. Bleinetz
von Frenzei erneuert.
Ikonographie, Komposition: Die im Matthäus-Evangelium an die
Epiphanie anschließende Flucht nach Ägypten wird erklärt
durch den Befehl des Herodes, alle Kinder unter zwei Jahren zu
töten (Mt 2, 16-18)22. Die gesuchte, fast verworrene Komposi-
tion im Gegen- und Nebeneinander von Profil- und Frontalfigu-
ren offenbart trotz aller Abweichungen im Detail des Typen-
schatzes zu deutlich baldungsche Gestaltungsprinzipien (man
vergleiche nur die Geschichte der Ehebrecherin in Großgründ-
lach, Abb. 83), um nicht zumindest auf einen Vorentwurf von
seiner Hand zurückgeführt zu werden23. Für das Vorhandensein
einer solchen ersten Skizze spräche auch die Wiederkehr dessel-
ben Wappenengels, der schon die Szene der Ehebrecherin beglei-
tet hatte.
Farbigkeit: Herodes thront links im roten, hermelinbesetzten
Mantel über silbergelb damasziertem Untergewand; dazu in Sil-
bergelb Ketten, Ringe, Krone und Szepter. Der bernsteingelbe
Thron ist überfangen durch einen silbergelben, innen mit hell-
grünem Damast ausgeschlagenen, an der Vorderkante mit roten
Fransen gezierten Baldachin. Gegenüber im Vordergrund ein
Fig. 192. ES Chor n II, 3b.
Scherge in blauem Wams, einer weiß-gelb gestreiften Haube und
hellbraunen Beinlingen; dazwischen eine Frau mit seltsam ver-
haltenem Schmerz in grünem Kleid, den Kopf in ein weißes Tuch
gehüllt. Im Mittelgrund rechts ein zweiter Soldat mit zum Stoß
erhobenem weißen Schwert, gekleidet in einen grünen Koller
über gelb damasziertem Hemd mit weißen Puffärmeln; silbergel-
ber Hut, von einer weißen Kinnbinde gehalten. Klageweib mit
rotem Kleid und weißer Haube; am rechten Rand ein dritter Sol-
dat in blauem Wams. Inkarnate der unschuldigen Kinder blaß-
braun. Wappenengel mit weißer Albe und roten Flügeln (im 19.
Jh. ergänztes Tucher-Schild und Gewandpartie viel zu braunto-
nig). Innenraum mit dunkelbraunen Mauern und weißen Fen-
stern. Weiße Astwerkrahmung mit Weinlaub; Trauben rückseitig
teils mit Silbergelb, teils mit Rotlot gehöht.
Ornament: In den Ärmeln eines Schergen gemalter Damast;
ebenso im Untergewand des Herodes und im stoffbespannten
Baldachin über dem Thron.
Stil, Datierung: Nürnberg, um 1508; Hirsvogel-Werkstatt, mut-
maßlich nach einem Vorentwurf von Hans Baldung Grien. Die
von Knappe als Argument für eine Endredaktion des Entwurfs
oder Kartons durch Hans von Kulmbach angeführte Verwandt-
schaft mit zwei Rundscheibenrissen mit den Martyrien der Hll.
Stanislaus und Erasmus (WK.m, 112; um 1511), dem Hl. Sigis-
mund vom Annenaltar in St. Lorenz von 1510 oder dem Frauen-
bad mit Narren (WK.119) trifft zwar im großen und ganzen für
die Kopftypen zu und mag mit einer späten Mitwirkung Kulm-
bachs an den Vorzeichnungen Zusammengehen, doch gerade die
kraftvoll gedrängte Inszenierung der Wöhrder Scheibe geht in
der Bilderfindung entschieden über das Maß Kulmbachscher
Kompositionskunst hinaus24.
CVMA A 12246, Großdia A 99/67
4a TAUFE CHRISTI Fig. 193, Abb. 213, 227
H. 81-81,5 cm, B. 63-64 cm.
Vor 1835 in Chor nord II, 3a; 1886 nach 4a versetzt25.
Erhaltung: In Höhe und Breite minimal beschnitten. Der
Gesamteindruck wird durch umfassende, zeichnerisch derbe
Ergänzungen des 19. Jh. in den Figuren Gottvaters und Christi,
im Kopf des Täufers sowie im Rand- und Bodenbereich nachhal-
tig getrübt. Punktförmige Korrosionsspuren in einzelnen blaß-
violetten Gläsern der Randsäulen. Abrieb der Bemalung an ori-
ginalen Partien, besonders im roten Mantel des Täufers und in
der Baumkulisse; im Kopf Christi, beim Engel und in den Bäu-
men sind noch Spuren der rückseitigen Malerei vorhanden.
20 Eine frühe Datierung in Anlehnung an die Entstehung des St. Loren-
zer Löffelholz-Fensters (1506) wird auch bei Schwemmer, 1933, S. 44,
vorgeschlagen.
21 Schwemmer, 1933, S. 41; vgl. Inv. 1829 (Reg. Nr. 76).
22 Schiller, 1,31981, S. 124-126; LCI, II, 1970, Sp. 510-513.
23 Für Knappe, Baldung, 1963, S. 67, weist der Bethlehemitische Kinder-
mord zumindest in der Endfassung auf Hans von Kulmbach als Entwer-
fer, während Grote, 1961, S. 70 »die Kraft der Zeichnung und die Kraß-
heit der Schilderung« für Baldung in Anspruch nehmen möchte; ebenso
Scholz, Werkstattpraxis, 1991, S. 109. Rainer Kahsnitz, in: Kat. Ausst.
Nürnberg 1986, S. 367, teilt dagegen die Ansicht von Knappe.
24 Knappe, Baldung, 1963, Anm. 351; zu den genannten Vergleichsob-
jekten siehe auch Stadler, 1936, Abb. 3 5, 79c, io6f., 148.
25 Schwemmer, 1933, S. 41; vgl. Inv. 1829 (Reg. Nr. 76).