NÜRNBERG (wÖHRD) • ST. BARTHOLOMÄUS
319
Fig. 193. ES Chor n 11,4a.
Fig. 194. ES Chor n II, 4b.
Mehrfach gesprungene Gläser im Astwerkbogen und im Arm
des Täufers sind rückseitig, der Christuskopf vorderseitig dou-
bliert; ein größeres Stück im Wolkenhimmel zudem rückseitig
ohne Deckglas flächig mit Araldit überzogen. Bleinetz von Fren-
zei erneuert.
Ikonographie, Komposition: Die Taufe Christi in Wöhrd geht,
trotz gegensinniger Anordnung und geringfügig modifizierter
Verteilung der Figuren, in letzter Instanz auf den Schongauer-
stich (L.8) zurück. Im Zentrum der Komposition stehen Johan-
nes der Täufer und Christus, flankiert vom Engelsdiener mit
dem Gewand Christi am linken Bildrand. Darüber schwebt die
Erscheinung Gottvaters mit der Taube des Heiligen Geistes in
der Wolke, durch die den Menschen die Gottessohnschaft Chri-
sti offenbart wird26. Vorausgesetzt, der im 19. Jh. en face erneu-
erte Kopf des Täufers stützte sich auf einen alten Befund, dann
erscheint dessen Wendung aus dem Bild heraus und die damit
verbundene Präsentation des Gottessohnes - anders als im
Schongauerschen Vorbild - als sinnfällige Weitergabe der Offen-
barung an den Betrachter.
Der Astwerkrahmen mit den verdorrten Zweigen war bereits um
1505 in Baldungs Visierung der Predigt des Hl. Vinzenz Ferrer
im J. Paul Getty Museum, Los Angeles annähernd wörtlich vor-
gebildet (Textabb. 46).
Farbigkeit: Bildbeherrschend Johannes der Täufer in rotem
Mantel über gelbem Fellgewand; daneben Christus in weißem
Lendentuch (Inkarnate blaßbraun); ein Engel mit weißer Albe
und roten Flügeln hält das violette Gewand Christi bereit; in der
blaß graublauen Wolke das Brustbild Gottvaters mit der Taube
weiß und silbergelb. Landschaftskulisse in diversen Grüntönen,
markanter blaßgelber Baumstamm, dazwischen blaugrauer
Flußlauf des Jordan; im Hintergrund hellblauer Wolkenhimmel
über graublauer Seelandschaft. Rahmung: gelber Astwerkbogen
mit violetten Basen und Kapitellen.
Technik, Stil, Datierung: Nürnberg, um 1506/7; Hirsvogel-
Werkstatt, vermutlich nach Vorentwurf von Hans Baldung
Grien. Besonders die halb verdeckte Gestalt des assistierenden
Engels offenbart in der engmaschigen Pinselzeichnung noch die
größte Nähe zu den früheren Wappenengeln in Baldungs Geburt
Christi und Anbetung der Könige (vgl. 2b, 3 a), doch auch die
handschriftlich freiere, großzügigere Gewandzeichnung des
Täufers ist noch eindeutig auf die Schulung an Baldungs frühem
Zeichenstil zurückzuführen (vgl. Anhang I, S. 548 f.).
CVMA A 12247
4b CHRISTUS UND DIE SAMARITERIN AM BRUNNEN
Fig. 194, Abb. 214
H. 81-82 cm, B. 57 cm.
Vor 1835 *n Lhs. nord VII, 3a; 1886 nach Chor nord III, 4a ver-
setzt27; seit 1964 am jetzigen Standort.
Erhaltung: Die Szene zeigt im Kern wider Erwarten noch große
Teile der originalen Substanz. Gravierende Einbußen betreffen
die um die Mitte des 19. Jh. ersetzten Köpfe Christi und der
Samariterin sowie das Wappen im linken unteren Eck. Die Ast-
werkrahmung ist bis auf wenige alte Flickstücke (feinzeichneri-
sche Postamente aus dem ehemaligen Gegenstück der Epiphanie
und ein entsprechend ausgeführtes Kapitell) gleichfalls erneuert.
Violettgläser zeigen rückseitig punktförmige Korrosion. Die
Bemalung der originalen Partien ist noch relativ gut erhalten;
Reste rückseitiger Malerei, teils mit Rot- und Braunlot, im gro-
ßen Wasserkrug, beim Ziehbrunnen und der kleinen Apostel-
gruppe im Hintergrund. Bleinetz im 19. Jh. erneuert.
Ikonographie, Komposition: Die im Spätmittelalter nurmehr sel-
ten dargestellte Perikope von der Rast Christi am alten Jakobs-
brunnen und dem Zwiegespräch mit der Samariterin (Io 4, 5-42)
besitzt im Sinnbild vom »Wasser des Lebens« einen engen Bezug
zur Taufe28 und kommt hier sogar als ehemaliges Gegenstück der
Taufe Christi in Betracht (vgl. Anhang I, S. 545). Ein bis in
Kostümdetails der Samariterin hinein verwandtes, annähernd
zeitgleiches Beispiel der Szene im Hochaltarretabel von St. Nico-
lai in Kalkar (Jan Joest von Kalkar, 1505-1508) verweist auf ein
gemeinsames, vermutlich verlorenes druckgraphisches Vor-
bild29. Zumindest das strenge Profil und das eigentümlich
geraffte Kleid der Samariterin sind in einem von Lehrs dem
Monogrammisten B+R, mithin der niederrheinischen Schon-
gauer-Schule zugeschriebenen Stich des Themas sehr ähnlich
vorgeprägt30.
Farbigkeit: Christus mit violetter Tunika, rotem Mantel und gel-
bem Nimbus; die Samariterin in gelb damasziertem, pelzbesetz-
tem Untergewand, rotem Oberkleid mit umgeschlagenem hell-
26 Mt 3, 13-17; Mc 1,9-11; Lc 3, 21 f.; Io 1, 26-36; vgl. auch Schiller, I,
3i98i, S. 137—152.
27 Schwemmer, 1933, S. 40; vgl. Inv. 1829 (Reg. Nr. 76).
28 Schiller, I, 3i98i, S. i68f.
29 Vgl. Ulrike Wolff-Thomsen, Jan Joest von Kalkar. Ein niederländi-
scher Maler um 1500, Bielefeld 1997, hier besonders S. 228-231, Taf. 22.
30 Lehrs, VI, 1927, S. 299, Taf. 168, Nr. 431.
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Fig. 193. ES Chor n 11,4a.
Fig. 194. ES Chor n II, 4b.
Mehrfach gesprungene Gläser im Astwerkbogen und im Arm
des Täufers sind rückseitig, der Christuskopf vorderseitig dou-
bliert; ein größeres Stück im Wolkenhimmel zudem rückseitig
ohne Deckglas flächig mit Araldit überzogen. Bleinetz von Fren-
zei erneuert.
Ikonographie, Komposition: Die Taufe Christi in Wöhrd geht,
trotz gegensinniger Anordnung und geringfügig modifizierter
Verteilung der Figuren, in letzter Instanz auf den Schongauer-
stich (L.8) zurück. Im Zentrum der Komposition stehen Johan-
nes der Täufer und Christus, flankiert vom Engelsdiener mit
dem Gewand Christi am linken Bildrand. Darüber schwebt die
Erscheinung Gottvaters mit der Taube des Heiligen Geistes in
der Wolke, durch die den Menschen die Gottessohnschaft Chri-
sti offenbart wird26. Vorausgesetzt, der im 19. Jh. en face erneu-
erte Kopf des Täufers stützte sich auf einen alten Befund, dann
erscheint dessen Wendung aus dem Bild heraus und die damit
verbundene Präsentation des Gottessohnes - anders als im
Schongauerschen Vorbild - als sinnfällige Weitergabe der Offen-
barung an den Betrachter.
Der Astwerkrahmen mit den verdorrten Zweigen war bereits um
1505 in Baldungs Visierung der Predigt des Hl. Vinzenz Ferrer
im J. Paul Getty Museum, Los Angeles annähernd wörtlich vor-
gebildet (Textabb. 46).
Farbigkeit: Bildbeherrschend Johannes der Täufer in rotem
Mantel über gelbem Fellgewand; daneben Christus in weißem
Lendentuch (Inkarnate blaßbraun); ein Engel mit weißer Albe
und roten Flügeln hält das violette Gewand Christi bereit; in der
blaß graublauen Wolke das Brustbild Gottvaters mit der Taube
weiß und silbergelb. Landschaftskulisse in diversen Grüntönen,
markanter blaßgelber Baumstamm, dazwischen blaugrauer
Flußlauf des Jordan; im Hintergrund hellblauer Wolkenhimmel
über graublauer Seelandschaft. Rahmung: gelber Astwerkbogen
mit violetten Basen und Kapitellen.
Technik, Stil, Datierung: Nürnberg, um 1506/7; Hirsvogel-
Werkstatt, vermutlich nach Vorentwurf von Hans Baldung
Grien. Besonders die halb verdeckte Gestalt des assistierenden
Engels offenbart in der engmaschigen Pinselzeichnung noch die
größte Nähe zu den früheren Wappenengeln in Baldungs Geburt
Christi und Anbetung der Könige (vgl. 2b, 3 a), doch auch die
handschriftlich freiere, großzügigere Gewandzeichnung des
Täufers ist noch eindeutig auf die Schulung an Baldungs frühem
Zeichenstil zurückzuführen (vgl. Anhang I, S. 548 f.).
CVMA A 12247
4b CHRISTUS UND DIE SAMARITERIN AM BRUNNEN
Fig. 194, Abb. 214
H. 81-82 cm, B. 57 cm.
Vor 1835 *n Lhs. nord VII, 3a; 1886 nach Chor nord III, 4a ver-
setzt27; seit 1964 am jetzigen Standort.
Erhaltung: Die Szene zeigt im Kern wider Erwarten noch große
Teile der originalen Substanz. Gravierende Einbußen betreffen
die um die Mitte des 19. Jh. ersetzten Köpfe Christi und der
Samariterin sowie das Wappen im linken unteren Eck. Die Ast-
werkrahmung ist bis auf wenige alte Flickstücke (feinzeichneri-
sche Postamente aus dem ehemaligen Gegenstück der Epiphanie
und ein entsprechend ausgeführtes Kapitell) gleichfalls erneuert.
Violettgläser zeigen rückseitig punktförmige Korrosion. Die
Bemalung der originalen Partien ist noch relativ gut erhalten;
Reste rückseitiger Malerei, teils mit Rot- und Braunlot, im gro-
ßen Wasserkrug, beim Ziehbrunnen und der kleinen Apostel-
gruppe im Hintergrund. Bleinetz im 19. Jh. erneuert.
Ikonographie, Komposition: Die im Spätmittelalter nurmehr sel-
ten dargestellte Perikope von der Rast Christi am alten Jakobs-
brunnen und dem Zwiegespräch mit der Samariterin (Io 4, 5-42)
besitzt im Sinnbild vom »Wasser des Lebens« einen engen Bezug
zur Taufe28 und kommt hier sogar als ehemaliges Gegenstück der
Taufe Christi in Betracht (vgl. Anhang I, S. 545). Ein bis in
Kostümdetails der Samariterin hinein verwandtes, annähernd
zeitgleiches Beispiel der Szene im Hochaltarretabel von St. Nico-
lai in Kalkar (Jan Joest von Kalkar, 1505-1508) verweist auf ein
gemeinsames, vermutlich verlorenes druckgraphisches Vor-
bild29. Zumindest das strenge Profil und das eigentümlich
geraffte Kleid der Samariterin sind in einem von Lehrs dem
Monogrammisten B+R, mithin der niederrheinischen Schon-
gauer-Schule zugeschriebenen Stich des Themas sehr ähnlich
vorgeprägt30.
Farbigkeit: Christus mit violetter Tunika, rotem Mantel und gel-
bem Nimbus; die Samariterin in gelb damasziertem, pelzbesetz-
tem Untergewand, rotem Oberkleid mit umgeschlagenem hell-
26 Mt 3, 13-17; Mc 1,9-11; Lc 3, 21 f.; Io 1, 26-36; vgl. auch Schiller, I,
3i98i, S. 137—152.
27 Schwemmer, 1933, S. 40; vgl. Inv. 1829 (Reg. Nr. 76).
28 Schiller, I, 3i98i, S. i68f.
29 Vgl. Ulrike Wolff-Thomsen, Jan Joest von Kalkar. Ein niederländi-
scher Maler um 1500, Bielefeld 1997, hier besonders S. 228-231, Taf. 22.
30 Lehrs, VI, 1927, S. 299, Taf. 168, Nr. 431.