NÜRNBERG (WÖHRü) • ST. BARTHOLOMÄUS
3a KREUZIGUNG CHRISTI Fig. 201 f., Abb. 215
H. 80 cm, B. 63,5 cm.
Vor 1835 in Chor süd II, 3b; 1886 nach Chor nord II, 4b ver-
setzt39; seit 1964 am jetzigen Standort.
Inschriften: Uber dem Kreuzbalken, vom Weinlaubbogen fast
verdeckt der Kreuztitulus: IN R I.
Erhaltung: Bogenrahmung linksseitig und oben um wenige Zen-
timeter beschnitten. In Technik und Stil ausgesprochen einfühl-
same Ergänzungen im linken unteren Eck - insbesondere der
grüne Mantel des Johannes, Bodenfläche und ein Stück des
blauen Marienmantels - sind kaum vom originalen Bestand zu
scheiden (mutmaßlich Zettler); außerdem vereinzelte alte Flick-
stücke und neutrale, meist stark abgedeckte Reparaturen Fren-
zeis. Stärker gesprungene Gläser im Körper des Gekreuzigten,
im Marienkopf, in Landschaftsgrund und Bogenrahmung wur-
den im Zuge der letzten Restaurierung rückseitig doubliert.
Allein die purpurvioletten Gläser in den Gewändern Marias und
Magdalenas zeigen rückseitig fortgeschrittenen Lochfraß; Gelb-
glas zeigt Ansätze von Craquele. Die Bemalung ist einschließlich
ausgiebiger rückseitiger Braunlotlasuren im Kreuzstamm und im
Landschaftsgrund annähernd ungetrübt. Bleinetz Frenzei.
Fig. 202. ES Chor s II, 3a.
Ikonographie, Komposition: Obwohl die Wöhrder Komposition
in einzelnen Punkten - so dem strengen Profil von Maria und
Johannes, dem Motiv der in niedergesunkener Klage den Kreuz-
stamm umfassenden Magdalena und nicht zuletzt in der Schräg-
stellung des Kreuzes - zweifellos Baldungs Einblattholzschnitt
von 1505/7 (M.2) und mittelbar auch Dürers Kreuzigung aus der
Grünen Passion (W.312) von 1504 verpflichtet scheint, ist ein
direkter Entwurf von der Hand Baldungs, wie gelegentlich von
Knappe und anderen erwogen, kaum anzunehmen40. Gerade die
spannungsvollen Bezüge zwischen den Einzelfiguren des Holz-
schnitts sind in Wöhrd einer sehr gedrängten, einigermaßen
beliebig anmutenden Ansammlung von Figuren gewichen, und
besonders der schwach proportionierte, kraftlose Körper des
Gekreuzigten hat mit Baldung nicht das geringste gemeinsam,
greift vielmehr weiter zurück auf die verschiedenen Formulie-
rungen im druckgraphischen CEuvre Martin Schongauers (L.13,
14, 27)-
Farbigkeit: Im Zentrum steht Christus in blaßbraunem Inkarnat
und weißem Lendentuch am braunen Kreuzstamm, flankiert von
Assistenzfiguren unterm Kreuz in Grisaille mit Silbergelb.
Hauptakzente bieten dagegen das Rot im Mantel des Soldaten
(über grauer Rüstung und roten Schuhen) außen rechts und
gegenüber links im Untergewand des Johannes, das Blau des
Marienmantels und das Grün im Mantel des Lieblingsjüngers
und in den Ärmeln Magdalenas; Purpurviolett im Mantel Mag-
dalenas und im fast verdeckten Kleid Marias; am rechten Rand
Figur in Gelb mit roter Mütze. Inkarnate überwiegend weiß;
Nimben silbergelb. Flußlandschaft mit Wiesen in variierenden
Grüntönen, braunen Felsen und brauner Stadtkulisse, grau-
blauem Flußlauf unter atmosphärisch blauem Wolkenhimmel.
Weißer Bogen aus Weinlaub mit silbergelben Trauben.
Technik, Stil, Datierung: Die routinierte Modellierung mit kräf-
tig gestupftem Halbton und einer lockeren, wesentlich parallel-
geführten, holzschnittartigen Pinselschraffur entspricht dem
gängigen Werkstattstil des führenden Nürnberger Glasmalerei-
ateliers ab etwa 1508.
CVMA A 12253, Großdia A 99/70
3 b CHRISTUS IM LIMBUS (HÖLLENFAHRT)
Fig. 203, Abb. 216
H. 84,5 cm, B. 56,5-57 cm.
Vor 1835 in Lhs. nord IV, 3a; 1886 nach Chor süd II, 3a ver-
setzt41; seit 1964 am jetzigen Standort.
Erhaltung: Bestimmt durch umfangreiche Ergänzungen des 19.
Jh. im Bildfeld und den fast komplett erneuerten Rahmen; ver-
einzelt alte Flickstücke. Gesprungene Gläser wurden zuletzt von
Frenzei rückseitig doubliert. Die ausgeprägt spröde Erschei-
nungsform der Malerei ist nicht zuletzt das Resultat umfassender
Verluste an Halbtonlasuren. Bleinetz Frenzei.
Ikonographie, Komposition: Das Thema der Höllenfahrt Christi
beschreibt die Zerschlagung der Pforten des Totenreiches und
die Errettung der Voreltern und Gerechten. Als Textgrundlage
des in der Bibel nur angedeuteten Geschehens dienten die reich
ausgeschmückten apokryphen Erzählungen, vorzugsweise im
Nikodemusevangelium und in der Legenda aurean. Gemessen
an den kurz zuvor bzw. zeitgleich realisierten Bilderfindungen in
Fig. 203. ES Chor s II, 3b.
39 Schwemmer, 1933, S. 41; vgl. Inv. 1829 (Reg. Nr. 76).
40 Knappe, Baldung, 1963, S. 66, Anm. 348; Kahsnitz, in: Kat. Ausst.
Nürnberg 1986, S. 363. Als weiteres druckgraphisches Vorbild Baldungs
käme noch dessen zeitgleich entstandener Kalvarienberg (M.298) in
Betracht.
41 Schwemmer, 1933, S. 41; vgl. Inv. 1829 (Reg. Nr. 76).
42 Schneemelcher, I, 6i99o, S. 414-418; Benz, 9i979, S. 280-284; vgl.
LCI, II, 1970, Sp. 322-331.
3a KREUZIGUNG CHRISTI Fig. 201 f., Abb. 215
H. 80 cm, B. 63,5 cm.
Vor 1835 in Chor süd II, 3b; 1886 nach Chor nord II, 4b ver-
setzt39; seit 1964 am jetzigen Standort.
Inschriften: Uber dem Kreuzbalken, vom Weinlaubbogen fast
verdeckt der Kreuztitulus: IN R I.
Erhaltung: Bogenrahmung linksseitig und oben um wenige Zen-
timeter beschnitten. In Technik und Stil ausgesprochen einfühl-
same Ergänzungen im linken unteren Eck - insbesondere der
grüne Mantel des Johannes, Bodenfläche und ein Stück des
blauen Marienmantels - sind kaum vom originalen Bestand zu
scheiden (mutmaßlich Zettler); außerdem vereinzelte alte Flick-
stücke und neutrale, meist stark abgedeckte Reparaturen Fren-
zeis. Stärker gesprungene Gläser im Körper des Gekreuzigten,
im Marienkopf, in Landschaftsgrund und Bogenrahmung wur-
den im Zuge der letzten Restaurierung rückseitig doubliert.
Allein die purpurvioletten Gläser in den Gewändern Marias und
Magdalenas zeigen rückseitig fortgeschrittenen Lochfraß; Gelb-
glas zeigt Ansätze von Craquele. Die Bemalung ist einschließlich
ausgiebiger rückseitiger Braunlotlasuren im Kreuzstamm und im
Landschaftsgrund annähernd ungetrübt. Bleinetz Frenzei.
Fig. 202. ES Chor s II, 3a.
Ikonographie, Komposition: Obwohl die Wöhrder Komposition
in einzelnen Punkten - so dem strengen Profil von Maria und
Johannes, dem Motiv der in niedergesunkener Klage den Kreuz-
stamm umfassenden Magdalena und nicht zuletzt in der Schräg-
stellung des Kreuzes - zweifellos Baldungs Einblattholzschnitt
von 1505/7 (M.2) und mittelbar auch Dürers Kreuzigung aus der
Grünen Passion (W.312) von 1504 verpflichtet scheint, ist ein
direkter Entwurf von der Hand Baldungs, wie gelegentlich von
Knappe und anderen erwogen, kaum anzunehmen40. Gerade die
spannungsvollen Bezüge zwischen den Einzelfiguren des Holz-
schnitts sind in Wöhrd einer sehr gedrängten, einigermaßen
beliebig anmutenden Ansammlung von Figuren gewichen, und
besonders der schwach proportionierte, kraftlose Körper des
Gekreuzigten hat mit Baldung nicht das geringste gemeinsam,
greift vielmehr weiter zurück auf die verschiedenen Formulie-
rungen im druckgraphischen CEuvre Martin Schongauers (L.13,
14, 27)-
Farbigkeit: Im Zentrum steht Christus in blaßbraunem Inkarnat
und weißem Lendentuch am braunen Kreuzstamm, flankiert von
Assistenzfiguren unterm Kreuz in Grisaille mit Silbergelb.
Hauptakzente bieten dagegen das Rot im Mantel des Soldaten
(über grauer Rüstung und roten Schuhen) außen rechts und
gegenüber links im Untergewand des Johannes, das Blau des
Marienmantels und das Grün im Mantel des Lieblingsjüngers
und in den Ärmeln Magdalenas; Purpurviolett im Mantel Mag-
dalenas und im fast verdeckten Kleid Marias; am rechten Rand
Figur in Gelb mit roter Mütze. Inkarnate überwiegend weiß;
Nimben silbergelb. Flußlandschaft mit Wiesen in variierenden
Grüntönen, braunen Felsen und brauner Stadtkulisse, grau-
blauem Flußlauf unter atmosphärisch blauem Wolkenhimmel.
Weißer Bogen aus Weinlaub mit silbergelben Trauben.
Technik, Stil, Datierung: Die routinierte Modellierung mit kräf-
tig gestupftem Halbton und einer lockeren, wesentlich parallel-
geführten, holzschnittartigen Pinselschraffur entspricht dem
gängigen Werkstattstil des führenden Nürnberger Glasmalerei-
ateliers ab etwa 1508.
CVMA A 12253, Großdia A 99/70
3 b CHRISTUS IM LIMBUS (HÖLLENFAHRT)
Fig. 203, Abb. 216
H. 84,5 cm, B. 56,5-57 cm.
Vor 1835 in Lhs. nord IV, 3a; 1886 nach Chor süd II, 3a ver-
setzt41; seit 1964 am jetzigen Standort.
Erhaltung: Bestimmt durch umfangreiche Ergänzungen des 19.
Jh. im Bildfeld und den fast komplett erneuerten Rahmen; ver-
einzelt alte Flickstücke. Gesprungene Gläser wurden zuletzt von
Frenzei rückseitig doubliert. Die ausgeprägt spröde Erschei-
nungsform der Malerei ist nicht zuletzt das Resultat umfassender
Verluste an Halbtonlasuren. Bleinetz Frenzei.
Ikonographie, Komposition: Das Thema der Höllenfahrt Christi
beschreibt die Zerschlagung der Pforten des Totenreiches und
die Errettung der Voreltern und Gerechten. Als Textgrundlage
des in der Bibel nur angedeuteten Geschehens dienten die reich
ausgeschmückten apokryphen Erzählungen, vorzugsweise im
Nikodemusevangelium und in der Legenda aurean. Gemessen
an den kurz zuvor bzw. zeitgleich realisierten Bilderfindungen in
Fig. 203. ES Chor s II, 3b.
39 Schwemmer, 1933, S. 41; vgl. Inv. 1829 (Reg. Nr. 76).
40 Knappe, Baldung, 1963, S. 66, Anm. 348; Kahsnitz, in: Kat. Ausst.
Nürnberg 1986, S. 363. Als weiteres druckgraphisches Vorbild Baldungs
käme noch dessen zeitgleich entstandener Kalvarienberg (M.298) in
Betracht.
41 Schwemmer, 1933, S. 41; vgl. Inv. 1829 (Reg. Nr. 76).
42 Schneemelcher, I, 6i99o, S. 414-418; Benz, 9i979, S. 280-284; vgl.
LCI, II, 1970, Sp. 322-331.