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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

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Heft 20 (2. Juliheft 1917)
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Brockhausen, Karl: Die Kugelgestalt der Erde und der Weltfriede
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0074

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daran, daß ern gewisser Kolumbus bereits mit der falschen Massen-
vorstellung gründlich aufraumte und auch für die Ungebildeten die Scheibe
längst zur Kugel umwandelte. Schade, daß Sie Ihre Neuigkeit um rund
vierhundert Iahre zu spät verkünden!"

„Mitnichten; ich verkünde sie im richtigen Augenblicke", fuhr hart-
näckig der andere fort. „Die wirkliche und wirksame Umwandlung des
Erdkreises in eine (Lrdkugel vollzieht sich erst jetzt und vor unseren Augen;
erst wir sind die Zeitgenossen dieses Erlebnisses. Kolumbus gilt als der
Psörtner der Neuzeit; aber er hat doch nur ein Lor geöffnet. Nechts und
links von der bereits bekannten Erdscheibe entdeckte man neue Länder, und
die Landkarte in Merkators Projektion wurde nach West und Ost angestückelt.
Gewiß ein bedeutsamer erster Schritt; aber noch immer lebten die Völker
der Erde genau so auf einer Scheibe nebeneinander wie bisher; die Kugel-
gestalt war zwar erkannt, doch wirkte sie noch nicht."

„Aber mein Lieber, was haben denn diese Phantasmagorien und das
gar nicht üble Bild von der Anstückelung neuer Länder an die bestehende
Flächenkarte der Erde, was hat denn Merkators Projektion mit unserer
Friedensfrage zu tun?" rief ungeduldig der Friedensapostel. „Solche
Gleichnisse bringen uns keinen Schritt weiter auf unserem Wege."

„Sie weisen bereits das Ziel, die Lösung des Friedensproblemes", ent-
gegnete der Iüngling. „Nur noch einen Augenblick Geduld. Solange
die Erde eine Scheibe war, gab es Völker, die eingekreist waren. Die
einen wohnten in der gefährlichen Mitte, die anderen am gesicherten Rande,
und diese letzteren konnten sich jederzeit verbünden, um von allen Seiten
über den Anglücksmann in der Mitte herzufallen, auch wenn er blutsver-
wandt war. So war der Brudermord ein regelmäßiger Zustand. Ander-
seits durfte auch der Mann in der Mitte seine rechts und links wohnenden
Nachbarn zusammen nicht stärker werden lassen, als er für sich allein war;
denn sonst zerpflückten sie ihn, wie man eine Artischocke zerpflückt. Die
Vorwände wechselten; aber die Tatsache blieb; tzammer oder Ambos: Welt-
herrschaft über die Nachbarn des Randes oder Versklavung durch sie war
die grauenvolle Alternative. So entstanden und vergingen unter ewigen
Kämpfen Weltreiche des Altertums. Als dann das kleine Europa das
Zepter der Erde übernahm, da zeigte es sich erst recht deutlich, wie die
Völker, die in der Mitte Europas sitzen, von allen Seiten den größten
Druck auszuhalten haben. — Gegen den unglücklichen Mann in der Mitte
richten sich die Begehrlichkeiten von allen Seiten; alle seine Nachbarn sind
leicht verführt, ihm ein Stück Gewand vom Leibe zu reißen, und sie können
dies um so sicherer tun, wenn sie sich mit den sernen Nachbarn des Ein-
gekreisten auf der anderen Seite verbinden."

„Eine besondere Neuigkeit erzählen Sie uns da gerade nicht; das haben
wir Zentraleuropäer immer gewußt. Iahrhundertelang waren wir der
Turnierplatz der anderen, und als wir uns dagegen versichern wollten,
nannte man das Militarismus^, unterbrach der Kriegerische. „Alle unsere
Nachbarn sind ja solche Randvölker; und so bedrängen sie uns, sobald
unsere tzand schwach oder unser Schwert rostig wird." Auch der Friedens-
apostel schüttelte betrübt sein Haupt: „Dies ist aber nicht bloß unser An-

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