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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,2.1918

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Heft 11 (1. Märzheft 1918)
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Avenarius, Ferdinand: Öffentliches Vertrauen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14372#0138

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finde. Nicht den Schein, daß der Staat auch um des besten Zweckes
willen mit unlautern Mitteln arbeite. Wie solche Eindrücke möglich wären?
Nur ein Beispiel davon, das vom Rationieren nach Prozenten. Da
kamen öfsentliche Mahnungen: seid sparsam mit Gas, Kohle, Papier.
Müller denkt: „Laß sie mahnen, solange ich's noch reichlich bekomme, laß
ich mir wohl sein" und verbraucht vielleicht gerade viel, „zum Abgewöhnen".
Meier dagegen nimmt's ernst, er mit seiner ganzen Familie spart, ja
darbt freiwillig. Als es später zum Rationieren kommt, heißt es aber:
so und so viel Prozent vom letzten Verbrauch. Vom letzten. Müller
freut sich also, daß er verschwendet hat, denn nun wird von seinem Ver-
schwender-Gebrauch abgezogen, und so behält er noch reichlich. Meiern
dagegen geht's bitter schlecht, weil er von Anfang an guten Willens war.
Ich will nicht davon reden, wie ost Ahnliches vorgekommen ist, manchmal
ist ja auch nachträglich verbessert worden. Ich will nur darauf hin--
weisen, weshalb das, gerade das niemals hätte vorkommen sollen und
daß es sich nie wiederholen darf. Keiner darf denken: die Obrigkeit läßt
vaterländische Bereitwilligkeit später zugunsten dessen entgelten, der nicht
bereitwillig war.

Doch ist es ja nicht nur die Zuversicht in das Redliche der regierenden
Ordnung, was der Staatsbürger zu seiner Freudigkeit braucht, auch der
Glaube muß sest in ihm bleiben, daß sie das Geistigs vor dem bevor-
zuge, was nur stofflich, nur materiell ist. Da hat manches verstimmt, was
sich aus dem Weiterlaufen in altem Geleise zwanglos zur Genüge erklärt.
Vor allem bei der Papierbelieferung kam der Eindruck auf, daß man nach
wertvoll oder wertlos „da oben" kaum fragte. And wie hätten die Feld-
buchhandlungen organisiert werden können, wenn eine Mittelstelle für
Volksschriften geschäftlich uninteressierter Mitglieder aller Parteien dafür
gesorgt hätte, daß der spekulative Schund ausgeschaltet und die Menge wohl-
feiler guter Sachen, die da sind, wirklich auch zu kaufen wäre! Da ist
viel versäumt worden, weil man nach altem Brauch in den geschäftlichen
Interessenten auch die maßgebenden Sachverständigen sah. Aber wenn
ich recht unterrichtet bin, so geht man jetzt darauf aus, guten Lesestoff
wenigstens bei der Papierlieferung zu bevorzugen. Eine dringlichste Auf-
gabe, um unser Volk in Wafsen vor den Verblödern zu schützenl Man
würde damit nicht nur tausend schmutzige Rinnsale sperren und tausend
frische Brunnen wieder zum Spenden für durstige Köpfe bringen. Man
würde damit auch das öffentliche Vertrauen stärken, daß „oben" die geistigen
Werte an sich nicht nur bei „praktischen" Erwägungen was gelten.

In unserm Zusammenhang kommen noch andre Handlungen und Anter-
lassungen in Frage. Beispielsweise: beim Kapitel Preßbehandlung An-
deutungen von Belieferern an die Belieferten, die in geschlossenen Kreisen
vertraulich gemacht, dann aber durch viele Straßen geflüstert worden sind.
Auch so Hochpolitisches spielt herein, wie die Behandlung der preußischen
Wahlreform, bei der sich's fragt, ob sich überhaupt so viel gewinnen läßt,
wie man durch Zögern und Zagen schon verloren hat. Außerungen, von
denen man nicht weiß: sind sie tatsächlich gefallen oder nur angeblich? —
schweben als Geister der Beunruhigung durch den Tag. Davon zu reden
gehört nicht in diese Stunde, wäre auch jetzt gar nicht möglich. Aber ich
setze diese paar Zeilen in unserm Blatt mit voller Absicht an auffallende
Stelle. Der deutsche Staatsbürger soll auch gegen seine Regierung nicht
blind sein, er soll die Aberzeugung haben, daß man „oben" auch nicht

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