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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 20.1902

DOI Artikel:
Beck, Paul A.: Lavaters Beziehungen zu Schwaben: ein Gedenkblatt zu seinem hundertsten Todestag (2. Januar 1801)
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https://doi.org/10.11588/diglit.18298#0043

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35 —

haben. Inzwischen muß L. in Stuttgart bezw.
Hohenheim einen Besuch gemacht haben, denn
die Herzogin schreibt ihm cl. 3. Hohenheim,
28. September 1793 u. a.: . . . Die Zeit,
die Sie uns hier geschenkt haben, bleibt mir un-
vergeßlich, der Herzog und ich wiederholen oft
jedes Wort und jedes Urtheil, das Sie gesagt
haben; wir haben auch schon einige Dispute da-
durch gehoben und haben wir Sie zuvor schon
sehr geschätzt, so hat doch neuere Bekanntschaft
die Verehrung wieder noch mehr erwärmt und
ich kann sagen, daß ich ein wahres Vergnügen
darin finde, an Sie zu denken, urtheilen Sie
daher, wie theuer mir Ihre Freundschaft ist, so
weiß ich gewiß, Sie finden eine Art von Lohn
gegen Alles dasjenige darin, daß Sie uns durch
das Geschenk Ihres Besuchs gemacht haben. . . .
Erst vor ein paar Tagen kamen wir nahe von
dem Schauplatz des Krieges zurück, und in dieser
Gegend sowie zu Mainz war mir der Ton Ihres
Namens, wann ich ihn mannigmal ohne Ver-
muth hörte, wieder Wohlklang gegen die Dis-
harmonie der kriegerischen Auftritte . . . ." Bald
darauf traf die Herzogin der schwerste Schlag,
der ihr begegnen konnte, der Tod des geliebten
Gemahls am 24. Oktober 1793 zu Hohenheim;
der schwarzumränderte Brief, ck. ck. Stuttgart,
21. Dezember 1793, in welchem die gefühlvolle
Seele ihr ganzes kindliches Herz ausschüttet, ist
zu charakteristisch, als daß er hier nicht seinen:
vollen Inhalte nach folgen sollte: „O theurer
Freund! was habe ich vor Einen Schiffbruch er-
litten, doch hoffe ich nur vor diese Welt, um in
der zukünftigen vor Alles Ersatz zu finden. —
Ihr Antheil, den Sie mir an meinem traurigen
Schicksal nehmen versichern, hat die erste sanfte
Empfindung wieder in meinem Herzen erregt,
das vor nichts als Glauben an Gott und Freund-
schaft mehr Gefühl zu haben scheint, denn das
Theuerste, das Liebste in der Welt habe ich auf
Zeitlebens verloren. Einen Gemahl, der mir
Alles wahr, was nur Ein Mensch dem andern
zu sein im stände ist; in seiner Vereinigung bin
ich so glücklich gewesen, — so schön, so gut be-
handelt worden! Jetzo ist Alles verändert, —
Alles weiß ich auch zu embehren, nur das häus-
liche Glück, den geistvollen Umgang, das sich
Einander Verstehen, mittheilen! — dieses zu
mißen und noch zu leben, weiß ich fast nicht zu
überstehen.
Daß Alles kurz thaurt, daß ich bald meinen
Ewig geliebten Herzog in der Ewigkeit vor dem
Thrun Gottes wieder zu finden hoffe, ist der
schönste Gedanke, den ich zu denken im stände
bin und ich glaube nicht zu sündigen, wann ich
mir bald zu sterben wünsche, doch möchte ich
Ihre Meinung darüber hören, in dem Verhältniß,
in welchem ich jetzo stehe, sehe ich nicht, wie ich
der Welt viel nutzen kann, und muß viel mehr
glauben zur Last zu sein, also warum soll ich
wünschen zu leben?
Viel Hab ich schon in meinem kurzen Wittwen-
stand erfahren, und ich glaube nicht ungerecht zu
fein, wann ich an Welt und Menschen wenig
Glauben mehr habe; desto mehr Glauben habe
ich an Gott, und fo mehr die Welt mir zu
nehmen sucht, so mehp gewönne ich, wenn ich

mich allein an den Geber alles Guten wende;
oft habe ich in meinen glücklichen Tagen gebeten,
daß mir Gott meinen Theil nicht hier, sondern
in der Ewigkeit bey Ihm, erst geben möchte, —
dies Gebet ist vielleicht erhört, o ich weiß um
so mehr, Dinge zu verachten, die jeder Zufall,
jeder Fürst mir nehmen kann.
Aus dieser Aeußerung, theurer Freund, können
Sie ungefähr schließen, wie es mir Einsamen
Verlaßnen gehet, — sehr recht sagt der Prediger:
ich wandt mich, und siehe da waren Thränen
derer, so unrecht litten, und hatten keinen Tröster,
und die ihnen unrecht thaten, waren zu mächtig,
daß sie keinen Tröster haben konnten.
Doch ich will nicht klagen und auf einen
andern Gegenstand kommen. Daß Sie mich zu
Zürich zu sehen wünschen, thut meinem Herzen
wohl, ich darf mir aber den Gedanken noch nicht
kommen laßen, dahin zu reisen, da ich noch nicht
einmal weiß, wo mein Wittwensitz sein wird;
äußerst angenehm weer es mir aber, bey Ihnen
auszuruhen, mein Herz zu ergißen, in Ihrem
Haus Freunde zu finden, die im Glück und im
Unglück sich gleich bleiben, und was vor Trost
könnte ich finden?
Sagen Sie nur nicht, wie in Ihrem letzten
Schreiben, daß Sie mir nichts geben, wie viel
haben Sie nur dann nicht schon gegeben, wie
viel ist das schon, daß Sie mich bey sich zu
sehen wünschen, Dank sey Ihnen vor Alles, Gott
lohne Sie vor Alles, wenn ich auch nicht Alles
nahmendlich nenne, was Sie mir schon gegeben,
so weiß ich doch Alles zu schätzen; Ihre Hand-
bibliothek für Freunde ist das letzte und Regten
für Kinder, — richtig habe ich dises Alles er-
halten, und jedes Wort, das Sie mir damit ge-
schrieben, mit gerührter Dankempsindung gelesen,
verzeihen Sie aber, daß ich noch nicht Alles er-
fülle, was Sie verlangen, ich solle Ihnen unsre
ganze Unterhaltung zu Hohenheim schreiben, um
sie in ihrer denischen Reisebeschreibung zu be-
nützen; iezo kann ich nicht mehr, wie ich es ge-
kunt, wenn ich Ihnen schon gleich auf selbiges
Verlangen geantwortet hätte.
Auch den Tod meines theuren mir Ewig Ge-
liebden Herzogs soll ich Ihnen erzählen. Er-
lauben Sie mir aber dieses auf eine mündliche
Unterredung zu ersparen, doch wissen Sie in-
deßen das, daß er muthig gestorben ist; Er be-
fahl seinen Geist in Gottes Hände, wie Er kaum
noch fprechen konnte, und sagte auch noch: Iezo
habe ich bald überwunden; — ich bin gewiß,
Gott hat Ihn zu Gnaden angenommen, — Er
ruhe sanft, der nur Theure ewig Geliebte, Er
hat viel Belohnung an mir verdient, ich werde
Ihn: auch in der Ewigkeit noch davor danken.
— Ein ganzes Land wird Ihm danken, die
Nachwelt wird Ihm noch mehr Gerechtigkeit
wiederfahren laßen, als die jetzige. Seine Unter-
thanen werden es einsehen wie glücklich sie
50 Jahre unter Einem Herrn wahren, der Alles
selbst gethan, selbst Eingesehen hat, der Eigene
Vortheile, um sein Land nicht bloß zu stellen,
ausgeschlagen hat, und nur auf das sähe, seine
Unterthanen ruhig zu erhalten; — Er war fer
Gut mein Ewig Geliebder Herzog! Oft ist Er
mißkannt worden, Er war ein vortrefflicher
 
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