Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 15.1870

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13588#0199

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
183

Damit nun aber diese allgemein symbolische Idee der „Segnun-
gen des bürgerlichen Friedens" ausdrücklich hier als in Beziehung zu
unserer Residenz und deren geschichtliche Entwickelung gefühlt und
erkannt werde, müßten die beiden Anstoßenden und einander gegen-
überliegenden Wände einerseits eine „Ruhmeshalle Berlins im 17.
und 18. Jahrhundert und eine entsprechende im 19. Jahrhundert"
darstellen, so daß der eintretende Beschauer von der kulturgeschicht-
lichen Bedeutung des älteren Berlins (um diesen Ausdruck zu wählen)
durch die „Segnungen des bürgerlichen Friedens" hinübergeleitet würde
zur Anschauung Dessen, was das neuere Berlin nach dem reinigenden
Gewitter der Freiheitskriege durch jene Segnungen geworden ist. Das
„alte Berlin" soll hier als die Zeit des Großen Kurfürsten bis herab
zum Tode Friedrichs II. niit seinen Hauptvertretern in Kunst und
Wissenschaft, mit seinen Kriegs- und Friedenshelden, das „neue
Berlin" als die Zeit der Freiheitskriege bis zur Gegenwart herab
gelten.

Bei diesen beiden Bildern macht jedoch die große Ausdehnung
in die Länge eine Thcilung nöthig, und wenn es auch ganz falsch
ist, große Flächen, die ohnehin selten genug sind, durch Zerlegung
in kleine und kleinste Bilder ihrer monumentalen Größe und Einheit
zu berauben, so scheint cs in diesem Falle vielleicht doch gerathen, die
Hauptkompositionen jeder Wand in einen Bildraum einzuschließen,
welcher etwa der Dimension des Bildes der zuerst geschilderten
Zwischenwand entspräche. Durch solche Theilung, die aber nicht
weiter gehen dürfte, würden auf jeder Seite des Hauptbildes jeder
Wand Nebenflächen entstehen, welche durch einfache archiiektonische
Gliederung von demselben getrennt werden könnten; etwa durch ge-
malte Säulen, die, sich am Ende des Bildes wiederholend und durch
einen Bogen verbunden, eine Art Vorhallen zu der Hauptkomposition
bildeten. Diese vier Bogenbilder könnten als Ein- und Ausgangs-
bilder der Hauptkompositionen behandelt werden, indem die verschiedenen
Kulturphysiognomien des bürgerlichen Lebens dadurch veranschaulicht
würden; also auf der linken Wand, am Anfänge: Volkstypen aus
der Zeit des Großen Kurfürsten, am Ende: solche aus der Zeit Fried-
richs des Großen; auf der andern Wand, am Anfänge: Volkstypen
aus der Zeit vor den Freiheitskriegen, am Ende: aus der Gegenwart.
Dergleichen ließen sich durch Kostüm, Beschäftigungsweise u. s. f. in
Figuren von Männern, Frauen und Kindern, diese etwa auch als
neugierige Zuschauer zu dem Vorgänge im Hauptbilde gefaßt würden,
sehr passend verwcrthen. Doch geht dies bereits über die Grenze
hinaus, welche solche Vorschläge innc zu halten haben, und kann am
füglichsten dem Geschmack des Künstlers überlassen bleiben.

Wir beschränken uns vorläufig auf diese Andeutungen und ver-
zichten auch darauf, für die noch sonst vorhandenen Räumlichkeiten,
wie den Vorsaal zum Stadtverordnetensessionssaal und den Korridor
beim Magistratssessionssaal Vorschläge zu machen, theils weil wir
nur die Vorschläge in dem Projekt des berliner Geschichtsvereins
wiederholen könnten, theils weil, wie wir hören, bereits für diese
Räume ebenfalls bestimmte Motive in Aussicht genommen sind. Leeres
Stroh dreschen lieben wir nicht, und so möge cs an dem Obigen
genügen. Wer sich überhaupt die Mühe nimmt, ernsthaft über diese
Frage nachzudenken, wird sich leicht ein Urtheil über die Zulässigkeit,
beziehungsweise Zweckmäßigkeit unserer Vorschläge bilden können.

Von größerer Wichtigkeit aber ist die Frage über die Art der
künstlerischen Behandlung solcher Motive, sowie über die richtige
Wahl der Künstler. Es kann Jemand ein großer Künstler sein,
d. h. in diesem Falle: ausgezeichnet charakteristisch zu komponiren und

vorzüglich zu koloriren verstehen und doch kein Geschick zur Wand-
malerei besitzen. Umgekehrt — und dieser Fall ist noch häufiger —
kann ein Künstler ein gewaltiger Wandmaler, strenggenommen sollte
es eigentlich heißen: Cartonzeichner sein, z. B. Cornelius, und doch
kein Staffeleigemälde von einigermaaßen koloristischer Wirkung fertig
bringen. Es liegt diese Differenz ganz naturgemäß in der verschie-
denen Bestimmung des Wandgemäldes und des Staffeleibildes. Was
hier Fehler wäre, nämlich eine gewisse Abschwächung und Milderung
des Tons bis zur halben Farblosigkeit, ist dort gerade Vorzug, wenn
nur nicht die Harmonie fehlt, und umgekehrt: nichts widerspricht dem
Charakter eines Wandgemäldes mehr als jene saftige und realistisch-
wahre Koloristik, wie wir sie von Staffeleigemälden verlangen. Die
Kaulbach'schen Wandgemälde im Treppenhause des neuen Museums
haben diesen Fehler. Der große, gedankenlose Haufe freilich ergötzt
sich an den bunten Bildern und den hübschen, „naturwahren" Figuren,
er überlegt auch nicht, welch' Widersinn zwischen dieser Realistik und
dem mathematisch konstruirten Jdeeninhalt liegt, er findet es ganz
natürlich, daß Portraitfiguren von „Columbus" und „Elisabeth II.",
von „Petrarka" und „Albrecht Dürer" u. s. f. auf einem und dem-
selben realen Boden stehen und sich gemüthlich miteinander unter-
halten, ohne daß sie, sei es in der Hölle oder im Himmel, sich be-
finden, wo die Bedingungen der Zeit aufgehoben sind. Der feiner
fühlende Mensch — er braucht gar nicht Mann von Fach zu sein —
wendet sich mit Abscheu von solcher gemalten Lüge ab.

Auch in dem Farbenmaterial selbst liegt schon die Differenz.
Die Oelfarbe läßt mit ihrem Glanz das wirkliche Naturleben hervor-
leuchten, die Freskofarben erscheinen nur dann in edler Wirkung,
wenn sie auf solche realistische Wirkung verzichten und sich auf der
Mittellinie zwischen Kolorit und Zeichnung halten. Die Farbe,
welche im Staffeleigemälde das Hauptelement der poetischen Wirkung
ist, tritt hier hinter die Komposition zurück und dient ihr; sic muß
untergeordnet, d. h. gebrochen und milde erscheinen, sonst wirkt sie
roh und gemein.

Seht Euch vor Allem also nach einem wirklichen Fresko-
maler um, so werdet Ihr in den meisten Fällen auch den richtigen
Komponisten für diese Bilder haben. Aber hütet Euch vor jenen
„Charaktergenremalern", die nichts von monumentalem Styl wissen, die
nur Zeichner des Moments sind, diesen Moment allerdings mit außer-
ordentlicher Treue, Schärfe und Feinheit aufzufassen und wiederzu-
geben im Stande sind, aber das Allgemeine, Ideelle, wenn
man will Abstrakte der Monumentalmalerei nicht begreifen und
noch weniger zur Erscheinung zu bringen im Stande sind. Wir
stehen gar nicht an, es mit aller Ueberzeugung auszusprcchen, daß
wir es für ein wahres Unglück halten würden, wenn Adolph
Menzel, den wir als Charaktergenrcmaler hoch stellen, ja vielleicht
höher als irgend einen anderen lebenden Künstler, wenigstens nach
der Seite des Zufälligen und ganz Individuellen sowohl der Person
wie der Handlung — es wäre ein wahres Unglück sagen wir, wenn
dieser Künstler (wie davon die Rede gewesen ist) für die Ausmalung
des Treppenhauses gewählt werden sollte. Jndeß steht zu hoffen,
daß er selbst, da er seine Sphäre wohl besser kennt als ein Anderer,
solchen Auftrag, wenn er ihm würde, ablehnen werde, in dem ge-
rechtfertigten Gefühl, daß er demselben in keiner Weise gewachsen ist.
— Fragt man uns aber, welchen oder welche Künstler wir denn in
Vorschlag dafür zu bringen hätten, so bemerken wir, daß wir keine
Veranlassung haben, uns eher darüber auszusprechen, als bis wir
danach gefragt werden. Dr. M. Schasler.


IS*-
 
Annotationen