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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 15.1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.13588#0305

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Kunst-Institute und -Vereine.

Lünstlrrverein „Palette" in New-York.

Schon vor längerer Zeit machten wir unseren Lesern Mittheilung von
der Gründung eines Künstler»ereins in New-Dork, welcher sich einer raschen
Zunahme an Mitgliedern erfreut. Das Vereins-Lokal der „Palette" ist
Stuyvesant Street Nr. 17. Der Verein hat sich in der Generalversamm-
lung vom 4. April d. I. ein Statut gegeben, welches in sehr verständiger
Weise abgefaßt ist. Wir kommen vielleicht auf dasselbe zurück, um einige
in principieller Beziehung wichtige Bestimmungen desselben zu besprechen.
Für diesmal beschäftigt uns der Verein nicht nach der Seite seiner geschäft-
lichen Einrichtung, sondern nach der mehr poetischen seines gesellschaftlichen
Auftretens.

Die „Palette" feierte nämlich in diesem Jahre ihr Stistungsfest
und zwar durch ein „Allegorisches Spiel mit Lebenden Bildern"
verfaßt von Georg Heß, welches in mehrfacher Beziehung durch die An-
sichten, welche darin über die Stellung der amerikanischen Kunst, einerseits
zum amerikanischen Leben andrerseits über das Verhält-,iß derselben als neuer
Knust zur „alten" europäischen Kunst, gleichsam dramatisch ausgedrückt wer-
den, von Interesse ist. Wir geben in Folgendem die Hauptstellen wieder.

Die „Gestalten" sind:

Lolnnibia.

Die Luiist.

Chor der Liinstter.

Die „Lebenden Bilder":

I. Die Landung des Kolumbus.

II. Die tlcbergabe der Engländer unter Loriiwallis.

III. Der üriidcrlirieg.

IV. Drr Tri»mph der üi-ust.

Der Titel des Ganzen lautet: Sie Macht der Luust.

Columbia

(tritt ermüdet auf die Scene und läßt sich nieder).

Balsam'sche Luft, umfächle mich und nimm
Die Gluth hinweg, die mir die Stirne drückt!

Wohl dürfte nach de« Tages MÜH» »nd Sorgen
Ein Augenblick der Rast willkommen flin,

Trieb'« mich nicht ruhelos z» neuem Schaffen
Unwiderstehlich fort! Wie And're sich
In süßlicher Behaglichkeit, nichtsthucnd,

Durch's Leben schleppen, ist mir unbegreiflich;

Nein, Arbeit mir, unausgesetzt, hält mir
Die Lebensgeister frisch und froh und frei.

Zn dem Errung'nen täglich Neues fügen,

Ersmid'nes durch Erfiuden werther machen,

Unmöglich Scheinendes im Fluge lösen,

Gilt mir allein als höchstes Erdenglück;

Und Ströme sollen bergwärts eher fließen.

Die Sonne Wärme, Licht vom Monde leih'n,

Bis ich genieße, ohne daß ich mehre,

Und ohne Ringen vom Errung'nen zehre.

Die KunN

(tritt auf als bejahrter Manu, verhüllt durcb einen Mantel).

Erlaube, daß ein Fremdling sich so spät
Unangemeldet Deinem Hause naht!

Columbia.

Mein Willkomm Jedem, der gesunden Sinnes
Und reinen Herzens seinen Wanderstab
Au dieses mein Gestade setzt; mein Haus
Ist groß und Raum Hab' ich für Alle, die,

Gebeugt von Fürstenlaune oder Noih,

Den, Land der Wiege scheu den Rucken kehren.

Eni Fremdling bist Du nicht! Ich drücke Alle
Mit gleicher Liebe an das Mntterherz,

Mit gleichem Recht und gleichvertheilter Pflicht.

Mach' Dir's bequem, erquicke Dich, und dann
Erzähle mir, was Dich hierher geführt!

Die Kunst.

Nicht Noth, nicht Fürstenlaune trieb mich fort,

Ich darf des Neichthums Pflegekind mich nennen,

Man baute Tempel mir an niauchem Ort,

Beglückt sind Alle, die so recht mich kennen;

Durch Grenzen nicht, durch Sprachen nicht gebunden,
Hab' ich noch überall ein Herz gefunden;

Du solltest doppelt freundlich mich begrüßen,

Mich zärtlich fördern, frei und froh zu walten,

Denn wo ich weile, da ersteh'n, entfalten

Sich Freuden hundertfach, der himmlisch süßen, —

tzolumöia.

Zu hoch geschraubt hast Du den eig'nen Werth,

Was immer nur das Menschenherz begehrt
Ist mein, noch eh' ich's flüsternd nenne;

Blick' um Dich her, Du Prahler, und erkenne:

Kein Land, kein Reich blüht nnter'm Sonnenscheine
So herrlich, groß, so glücklich wie das meine.

Die Kunst.

Gern stimm' ich Deinem Ausruf bei, daß sich
Kein Land darin mit Dir vergleichen darf;

Doch willst Du würdig sie genießen können
Und ferner Zukunft dauernd sie erhalten —

Weil in des Segens uugehemniler Fluth
Der Keim schon liegt zu künftigem Verderbe» —

So wirst noch Eins hinzu Du fügen müssen,

Das ich allein zn bieten Dir verniag.

tzokumbia.

Von sonderbareln Wahn scheinst Du befangen!

Wer bist Du denn? Ein altersschwacher Greis,

Der ohne Hülfe kaum mit Anstand sich
An's Ende seiner Tage schleppen kann.

Was sind die Gaben, die Dein stumpfer Sinn
Mir, strotzend in der vollen Jugendkraft,

— Aufdringlich möcht' ich's nennen — bieten kann?

Die Kunst.

Wohl bin ich alt, jedoch nicht altersschwach!

Jahrhunderte, Jahrtausende zurück
War ich gekannt, geehrt! Wenn manchmal ich
Zn schlafen schien, so wacht' ich immer wieder
Zu neuem Leben auf und schönerin Wirke-i,

Mit meinen- Glanz die halbe Welt erfüllend;

(wirst ihre Verkleidung ab und steht da als herrliches Weib)
Ich bin die Kunst, die bildende genannt.

Hokumbia.

Du bist die Kunst! Ach! Ich erimi're mich,

Daß dann und wann ein schwacher Laut von Dir

Zu mir herüberklang. Doch sieh', im Drange

All' meiner riesige» Geschäfte fand

Ich niemals Zeit noch Muße, ernstlich mich

Um Dich zn kümmern. D'rnin eiilschnld'ge, Schwester!

Doch bitl' ich Dich, mir freundlich zn erklären:

Wozu wohl bist Du gut, und eigentlich

Was ist denn Kunst? Doch fass' Dich möglichst kurz,

Denn kärglich ist die Zeit mir zugemessen.

Die Kunst.

Was Kunst sei, frägst Du mich? Bist Du noch nie
Im frühen Lenz an einem Sonntagsmorgen
Gewandelt in der werdenden Natur,
lind wurdest dann von einem Drang ergriffen —
 
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