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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 15.1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.13588#0221

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205

Komposition gegen das Kolorit, sich von selbst verbietet, sofern der
Inhalt einen bestimmten Anspruch an ideellen Werth erhebt, theils,
wie in der Landschaftsmalerei, der Inhalt wesentlich durch die sub-
jektive Empfindung bei gegebenem Naturniotiv bedingt wird. In
der Genremalerei dagegen giebt es zwischen völliger Inhaltsleere —
der sogenannten Salonmalerei — und der feinsten psychologischen
Charakteristik eine unendliche Menge von Stufen gehaltvoller
Darstellung, deren Maaß wesentlich durch die geistige Erfassung
und intelligente Verwerthung des Motivs bedingt wird. Nirgends
liegt daher die Gefahr näher, den Mangel an solchem geistigen Ge-
halt durch eleganten Vortrag und feine Tonstimmung zu verbergen,
als gerade hier, und nirgends sollte man daher bei der Wahl eines
Lehrers vorsichtiger sein als bei dieser Gattung der Malerei, welche

— im Gegensatz zu allen andern — durch Männer wie Knaus,
Vautier u. s. f. zu einer Höhe der geistigen Wirkungsfähigkeit er-
hoben worden ist, von der man in früherer Zeit keine Vorstellung
hatte. Indem wir die Namen dieser beiden Künstler aussprechen,
beeilen wir uns — um Mißverständnissen aus dem Wege zu gehen

— hinzuzufügen, daß wir dieselben nur genannt haben, weil wir zu
wissen glauben, daß sie in diesem Falle außer Frage stehen, da sich
der Eine wie der Andere schwerlich an solche Stellung, die ihr freies
Schaffen allzusehr behindern könnte, binden würde. Dagegen giebt
eg — wie den mit dem hiesigen Verhältniß Vertrauten wohl bekannt
ist — allerdings einen Künstler, welcher alle Eigenschaften besitzt, um
jene wichtige Stellung in befriedigendster und erfolgreichster Weise aus-
zufüllen. Wir nennen ihn — aus dem entgegengesetzten Grunde —
nur deshalb nicht, um weder ihn noch uns dem Verdacht auszusetzeu,
als läge dieser Notiz die Absicht zu Grunde, für ihn gegen Herrn
Hoff Reklame zu machen. Es ist uns lediglich um die Zukunft der
Akademie selbst zu thun, da wir überzeugt sind, daß die Ausbildung
der Genremalerei nach der Seite ihres geistigen Gehalts von viel
tieferen Folgen auf die künstlerische Bewegung Düsseldorfs begleitet
sein würde, als cs vielleicht heute Manchem scheinen mag.

I?. Wie», Ende Juni. (Oesterreichischer Kunstverein.)
Erscheinungen, wie die „Schöne Melusine" von Schwind, sind in
Wien sehr selten und ganz besonders das Schönbrunnerhaus kannte,
seit ihm das Kunstlerhaus wirksam Konkurrenz macht, keine Zeit,
wo seine Räume in solchem Grade der Ansammlungsplatz des kunst-
sinnigen Publikums waren. Immer mehr verlor der Kunstverein an
Bedeutung und, ganz natürlich: denn er besitzt eine zu milde Jury,
die nicht nur alles zuläßt, was eingeschickt wird, sondern sogar Kunst-
jünger aufsucht, und ihre unvollendeten Werke auszustellen annimmt;
er besitzt einen zu rührigen Direktor, der in die Privatwohnungen
dringt, und was von lebenden Künstlern gefunden wird, ohne diese
zu fragen, aufstellt — um nur die ganzen Räume allmonatlich zu
füllen. Wie er dadurch die Künstler schädigt. Jung und Alt der
Künstlerwelt, so zugleich sich selbst, indem er Werke aufnimmt, die
an die Mache von jener Sorte Maler erinnern, die tagtäglich ihr
Bild fertigen. So kommt es, daß man, um einen verhältnißmäßig
hohen Eintrittspreis oft nur ein paar seheuswerthe Bilder findet,
während die übrigen der Betrachtung kaum werth sind.

Im Juni hat aber die Ausstellung in den wunderbaren Aqua-
rellen unscrs Altmeisters Moriz v. Schwind einen eigenthümlichcn
Anziehuugsmittclpunkt, und um dieses Werk gruppiren sich noch manche
andere Bildwerke, die sehens- und erwähnenswerth sind.

Die „Schöne Melusine" von Schwind, dem 66jährigen Pro-
fessor an der müuchcner Akademie, der in Wien geboren und erst
spät in seiner Heimath zu künstlerischen Leistungen (das erste Mal
für Fresken in der Lcrchenfeldcrkicchc, dann beim neuen Opernhause)
verwendet wurde, ist ein Cyklus von 11 Aquarellen, die im Katalog

folgende Titel führen: Fontes Melusinae — Am Waldbrunnen —
Die Braut — Die Gattin — Das Heiligthum — Die bösen Zungen
— Liebesglück — Der Eidbruch — Melusinens Mutterschmerz —
Das Wiederfinden — Fontes Melusinae. Wie im Titel das erste
und letzte, so korrespondiren in seinem Inhalte die einzelnen einander
gegenüberstehenden Aquarelle geistig mit einander. Was den stoff-
lichen Inhalt der Darstellungen betrifft, so kann ich auf die in
Nr. 7—9 Ihres geschätzten Journals enthaltene Beschreibung Ihres
Münchener Korrespoudenten verweisen. Nur über den allgemeinen
Charakter der Kompositionen will ich noch einige Worte sagen.

Ein italienischer Schriftsteller, Dolce, läßt in einem Zwie-
gespräch über Malerei den Pietro Aretino, den Freund Tizians,
sagen: Bei der Beurtheilung von Gemälden muß man auf vier
Stücke sehen: auf Erfindung, Komposition, Zeichnung und Kolorit".
Nach diesen vier Stücken mögen wir nun bei der erwähnten Arbeit
fragen. — Das Märchen erlangt erst durch die Auffassung Schwind's
den rechten Werth für das deutsche Volk, es wird zu jenem Märchen
des Lebens: der Kreislauf des Lebens um die Liebe ist sein Gegen-
stand, ein ernster und bedeutungsvoller. Weil eben die Erfindung
eines Themas über den Geist des Künstlers den ersten Aufschluß
giebt, sollte man meinen, werde darauf auch am meisten Gewicht
gelegt. Nichtsdestoweniger kann man in unseren Ausstellungen er-
fahren, daß es mit der Kunst im Ganzen etwas schlecht steht, weil
fast jeder Gedanke, ohne erst seinen Werth zu untersuchen, mit dem
Pinsel ausgeführt wird. Den den Bildern zu Grunde liegenden
Gedanken zu untersuchen, ist die Aufgabe jedes Kritikers, der den
Geist des Künstlers, der Schule, einer Kunstperiode messen will. Die
Wahl dieses Märchens und die Auffassung lassen aber in Schwind
einen Geist bewundern, dessen Existenz uns um so schwieriger zu be-
greifen wird, als er in einer Zeit lebt, von der man keine gesunde
Nahrung für sein Gemüth hoffte, weil er sich durch die schwache,
sentimental-romantische Richtung zu Anfang dieses Jahrhunderts,
durch die kalte schematisch-idealisirende im weiteren Verlauf und durch
die realistische in den letzten Jahrzehnten durcharbeiten mußte. Allein
jedes Thema, das der Künstler behandelt, ist frisch und gesund und
entbehrt, obwohl es alles Gute unserer Zeit in sich hat, des Schlechten,
das Uebergangsperioden an sich haben. (Schluß folgt.)

k. Prag, im Mai. (Kunstausstellung. Forts.) In einem
anderen Bildchen hat Bensa augenscheinlich mit Meissonier ge-
wetteifert, der freilich seine köstlichen Kleinkunstwerke noch ganz anders
durchzuführen pflegt. Der von Bensa gewählte Gegenstand, eine
vornehme Reisegesellschaft & la Louis XIV., erinnert auch ganz direkt
an den französischen Künstler, von dem eine ganz ähnliche Darstellung
in der Galleric Liechtenstein in Wien gesehen zu haben ich mich
erinnere.— Ein hübsches, realistisch gefaßtes Bildchen Bensa's ist
„Die Schmiede", wogegen das Nachbarbild, „Spielmann's Morgen-
Andacht" von Moriz Pläschke aus Dresden, von einer rcflektirten
Sentimentalität nicht ganz frei ist. Daß Pifferari in Italien einem
Madonnenbilde mit ihrer Hirtcnmusik ein Ständchen bringen, kommt
allerdings als etwas Gewöhnliches vor, Hierlands aber habe ich
Hunderte von Bildstöcken und Hunderte von Spielleuten gesehen,
aber nie, daß sie mit einander in Konjunction getreten wären. Wessen
Beruf es ist, in Bauernschänkcn die Nächte durch bis zur Final-
prügelci zu fiedeln, pflegt nicht so zart und so fromm zu empfinden.
Abgesehen von Dem, was gegen den Grundgedanken cinzuwenden wäre,
ist das Bildchen sehr hübsch. — Ein änderet Geiger, von Viktor
Zeppenfeld, geigt seiner alten, kränklich im Bette liegenden Frau
zu ihrer sichtlichen Erquickung und Freude etwas vor. Auch bei
diesem Einfall merkt man in dieser Gemüthlichkeit und Rührung
Absicht, man „fühlt Absicht und ist verstimmt". Zudem ist die
 
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