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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 15.1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.13588#0257

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Kunstkritik.

Ausstellung äes berliner Jünstiervereins.

(Schluff.)

' iefe monumentale Auffassung des großen Königs
in Verbindung mit dem Umstande, daß er als
Reiterfigur dargestellt ist, führt uns zu einer
zweiten Vergleichung, nämlich mit dem Friedrich
auf dem großen Rauch'schen Friedrichsdenk-
mal. Beide berühren sich in einem Punkte,
nämlich daß sie trotz des monumentalen Cha-
rakters doch den „alten Fritz", nicht gänzlich
hinter der großen welthistorischen Persönlichkeit verschwinden lassen.
Und dies scheint uns vollkommen gerechtfertigt. Es ist eben Preußens
Friedrich der Große, d. h. ein Lebensbild, welches tief in seiner ganzen
Eigenthümlichkeit die Erinnerung des Volkes erfüllt. Friedrich der
Große würde, dünkt uns, dieser Erinnerung entfremdet werden, wenn
er — wie der „große Kurfürst" von Schlüter oder gar „Friedrich
Wilhelm III." im Museum — in idealem, resp. römischem Jmperatoren-
Kostüm dargestellt würde. Nicht etwa blos darum, weil er uns in
der Zeit noch zu nahe liegt, sondern weil er einer Zeit angehört, die
er geschaffen. So gehört er weniger dieser Zeit, als vielmehr diese
Zeit ihm an, und diese Zeit hat sich also auch in seiner Erscheinung
als ein Moment seines Wesens auszudrücken. Aber im Uebrigen,
welch' ein Unterschied zwischen dem Rauch'schen „Friedrich" und
dem Camphausen'schen! Wir reden hier nicht von dem Gesammt-
werk des ersteren als Monument, abstrahiren vielmehr gern von
dem, trotz alles Reichthums an meisterhaften Details, doch in seiner
Gesammtwirkung mehr einem kolossalen Tafelaufsatz ähnlichen als
zu einem plastischen Monument passenden Piedestal, sondern haben
nur die beiden Reiterfiguren im Auge: dort bei Camp Hausen ein
„Friedrich" voll hoher Energie und feuriger Kraft, gemildert durch
die wohlthuende Erinnerung an den „alten Fritz", hier bei Rauch
ein „alter Fritz", aber nicht gehoben durch die Erinnerung an den
welthistorischen „Einzigen", behäbig dahinreitend ohne besondere Theil-
nahme für Das, was er geschaffen. Bei „Friedrich dem Großen"
ist die Würde so eng mit dem Ausdruck der Energie verbunden, daß
er sogleich zur Genrefigur wird, sobald diese Energie nicht zum vollen,
entschiedenen Ausdruck gelangt. So stellen wir, was diesen Ausdruck
anbelangt, Camphausen's „Friedrich" weit über den Rauch'schen.

Hatten wir über die Hauptfigur des Camphausen'schen
Bildes unsre volle Anerkennung anszusprechen, so fordert andrerseits
die Wahrheit das Bekenutniß, daß die Behandlung der Umgebung
derselben weniger befriedigend ist. Sollte der Künstler durch die
Erwägung, daß Friedrich vor Allem hervorzutreten hatte, verleitet
worden sein, die Figuren Zieten's, Sehdlitz s und des Prinzen Hein-
rich absichtlich unbedeutend darzustellen, etwa wie die berühmte Rachel
sich absichtlich mittelmäßige Darsteller der Nebenrollen für ihre Haupt-
Partien aussuchte, so halten wir dies für einen ästhetischen Fehler.
Zielen, Seydlitz, Prinz Heinrich sind in ihrer Sphäre ebenfalls
historisch-bedeutsame Persönlichkeiten, die unter keinen Umständen zu

Statistenrollen degradirt werden dürfen. Entweder mußten sie ganz
fortbleiben, oder aber in der ihnen angemessenen Weise dargestellt
werden. Der Abstand, nicht blos räumlich, sondern auch qualitativ,
vom großen König war noch immer bedeutend genug, um dem Ein-
druck dieser mächtigen Persönlichkeit nicht Abbruch zu thun. In dem
räumlichen Abstande war aber zugleich auch die Möglichkeit gegeben,
sie technisch — koloristisch sowohl wie hinsichtlich der Detaillirung —
unterzuordnen, aber innerhalb dieser nothwendigen Grenze mußten
sie mit umso größerer Prägnanz zur Erscheinung gebracht werden.
Wie Camphansen sie aufgefaßt, erscheinen sie allzu unbedeutend,
namentlich Zieten. Dies ist ein wesentlicher Mangel des Bildes,
den wir um so weniger verschweigen durften, als er seinen sonstigen
Vorzügen immerhin etwas Abbruch thut. Was das Gesammtkolorit
betrifft — wir wagen bei der notorisch schlechten Beleuchtung des
Lokales kaum ein eingehenderes Urtheil — so scheint es kräftig und
gesund, harmonisch in jedem Fall. Ob der Kopf Friedrichs, welcher
im Inkarnat einen etwas gelblichgrauen Ton hat, nicht leuchtender
hätte behandelt werden können, darüber läßt sich erst urtheilen, wenn
das Bild im vollen ruhigen Lichte zu sehen ist.

Zm Großen und Ganzen aber haben wir ein Werk vor uns,
wie man es heutzutage, wo elegantes Machwerk und geniale Technik
das Feldgeschrei der Künstler geworden, selten sieht, ein Werk von
entschiedener Richtung auf das geistig Bedeutsame und Historisch-
Charakteristische. Wie wir Horen, ist dem Künstler der Auftrag ge-
worden, als Seitenstück dazu den großen Kurfürsten zu malen. Mögen
ihm die Kräfte nicht fehlen, ihn seinem Friedrich würdig zu gestalten.

Nachdem wir das Camphausen'sche Gemälde so ausführlich be-
sprochen haben, können wir uns in Betreff der übrigen noch vor-
handenen Werke um so kurzer fassen. Wir hätten bei der Verglei-
chung Camphausen's mit Menzel und Rauch vielleicht auch
Steffeck's erwähnen können, wenn es uns nicht wesentlich um die
Auffassung Friedrichs II. dabei angekommen wäre. St eff eck hat
nun selbst durch Ausstellung eines großen Reiterportraits, welches
den „Feldmarschall Grafen von Eu, Gemahl der Thronfolgerin von
Brasilien", darstellt, zu einer solchen Vergleichung Anlaß gegeben,
die jedoch, sofern sie sich auf die Malerei des Pferdes beschränkt,
entschieden zu seinem Bortheil ausschlägt. In der That ist dieser
gleichsam in der Luft schwebende Fuchs meisterhaft in Bewegung
wie im Stofflichen behandelt. Ohne penibel durchgesührt zu scheuien,
ist er doch außerordentlich durchgeführt, so daß die Realistik der Er-
scheinung die Grenze des Möglichen erreicht. Ob Camp Hausen
hierin mit ihm zu rivalisiren vermag, kann hier unervrtert bleiben;
daß sein Pferd hinsichtlich der Plastik und Lebenswahrheit der Dar-
stellung dem Stesfeck'schen nicht gleichkommt, kann nicht nur zuge-
geben werden, sondern wir stehen auch nicht an zu behaupten, daß
solche realistische Behandlungsweise bei dem Pferde Friedrichs des
Großen ein noch größerer Fehler gewesen wäre, als die zu große
 
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