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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 15.1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.13588#0346

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Es ist nun bereits ein Decennium verflossen, daß seitens
des „Verwaltungsausschusses für das Königsdenkmal", welcher
sich in Köln zu diesem Zwecke konstituirt hatte, eine Konkurrenz
eröffnet wurde. In Folge der vom II. December 1860 da-
tirten Aufforderung zur Konkurrenz, bei welcher bedeutende Preise
ausgesetzt waren, hatten sich 13 Künstler daran betheiligt, deren
Modelle in Köln im Sommer des Jahres 1862 öffentlich aus-
gestellt wurden.*) Obschon die ausgesetzten Preise, und zwar
an die Bildhauer R. Begas, Ehr. Mohr, H. Schievel-
bein, G. Bläser und C. Zumbusch zur Vertheilung kamen,
sah sich das Comitö dennoch genöthigt, eine neue Konkurrenz
auszuschreiben, weil in der „Kommission der Kunstverständigen"
— wie es in dem betreffenden zweiten Konkurrenzausschreiben
hieß — „die Ansicht Geltung gefunden, als hätten die Künstler
durch das Programm vom 11. December 1860 sich in ihrer
Phantasiekhätigkeit beengt fühlen können." In der That waren
die Bedingungen jenes ersten Programms viel zu enge gefaßt,
man hatte sich allzu tief in Detailvorschriften zu Reliefs u. s. f.
eingelassen. Die Berufung einer „Kommission von Sachver-
ständigen", die man zur Prüfung der Modelle nöthig erachtete,
wäre für die Entwerfung eines „sachverständigen" Programms
viel mehr an Ort und Stelle gewesen. Mau hätte aber nun wenig-
stens die gemachten Erfahrungen benutze«: und — statt eine aber-
malige Konkurrenz zu eröffnen — denjenigen Künstler, welcher
durch seine erste Konkurrenzskizze sich ain befähigsten erwiesen,
mit der Entwerfung eines neuen Modells beauftragen sollen.
Dies geschah indeß nicht, sondern man entschied sich für eine
zweite engere Konkurrenz. Aber auch bei dieser scheint die Sache
nicht ain rechten Ende angefaßt worden zu sein, denn — auch
sie blieb erfolglos, außer insofern aberinals 1000 Friedrichsd'or
Prämien gezahlt wurden.

Worin lag der Grund dieses Mißerfolgs? — Hauptsäch-
lich darin, daß die Sachverständigen-Koinmission nicht mit hin-
länglicher Entschiedenheit den von dein Comitä - Prograinm aus-
gestellten Anforderungen an das Piedestal entgegentrat. Man
wollte woinöglich die ganze Geschichte der Wohlthaten, «velche
Friedrich Wilhelin HI. den Rheinlanden erzeigt, darauf darge-
stellt sehen: man wollte mit einem Worte in den Nebensachen
zu viel und verfehlte damit die Hauptsache.

Wir haben nicht die Absicht, das Verfahren des Comitö's
und das Urtheil der Sachverständigen einer Kritik zu unterziehen,
würden auch sicherlich nicht auf diese abgethanen Dinge, da nun
endlich ein Resultat — das Meisterwerk unsers Bläser —-
vorliegt, zurückgekommen sein, wenn wir nicht ein ernstgemeintes
Wort über den nunmehr, inte es scheint, definitiv acceptirten
Entwurf zu dem Gesammt-Deickmal zu sagen uns verpflichtet
fühlten. Es ist eine alte Klage, daß fast alle unsre großen Denk-
mäler, namentlich die Reiterstatuen, insofern unpopulär sind, als
sie einerseits die Hauptfigur nur gleichsam als einen in die blaue
Luft hiueingebauten Appendix des Piedestals erscheinen lassen,
so daß man die Schenkel und der Bauch des Pferdes zwar sehr
gut, den Kopf des Reiters aber gar nicht oder mit ernstlicher
Gefahr einer Halsverrenkung erblicken, geschweige denn betrachten

*) Wir haben damals aussührlich über die ausgestellten Modelle be-
richtet. (Siehe Jahrgang 1862, Nr. 29—36.) D. Red.

und genießen kann, andrerseits das Piedestal mit einer Menge
von Figuren und Reliefs überladen wird, welche von so geist-
reich tiefer Symbolik überquellen, daß das Volk — und ein
Denkmal ist doch wohl für das Volk, für die Nation im Großen
und Ganzen — davor steht wie vor den Hieroglyphen des Tem-
pels zu Dendera. So kommt der wunderliche Widerspruch heraus,
daß Das, was das Volk liebt und versteht, nämlich das Antlitz
seines Fürsten, seinen Blicken, und Das, was ihm deutlich vor
Augen steht, nämlich die Reliefs an den Seiten des Piedestals,
seinem Verständniß gänzlich entzogen ist. — Was man in den
Vorkommnissen des praktischen Lebens für widersinnig und lächer-
lich erklären würde, ist man hier geneigt, fiir ganz natürlich und
selbstverständlich zu halten.

Wir haben in Berlin zwei Reiterstatuen, welche einen deut-
lichen Fingerzeig dafür geben, sowohl von der Nuzuträglichkeit
eines zu kolossalen und überladenen Piedestals: — Rauch's
„Friedrich der Große" — wie von der echt monumentalen
Wirkung des Standbildes, wenn das Piedestal nichts weiter zu
sein beansprucht, als was es seiner Natur nach sein soll, näm-
lich „Fußgestell": — Schlüter's „Großer Kurfürst". Aber
man hat diese deutlichen Fingerzeige nicht beachtet; man will
nicht sehen, daß der „Große Kurfürst" nicht nur seiner wahrhaft
stylvollen Auffassung wegen, sondern hauptsächlich auch, weil er
auf niedrigem und einfachem Piedestal steht, einen um so viel
bedeutenderen monumentalen Eindruck, eine unvergleichlich groß-
artigere Wirkung macht als „Friedrich der Größe", trotzdem daß
dieser mehr als die doppelte Höhe und einen überwältigenden
Reichthum au Figuren und Reliefs besitzt.

Und so ist denn diese Sünde gegen die Mouumentalität
und zugleich gegen die Popularität des Denkmals leider auch im
vorliegenden Falle, wenigstens im Entwurf, begangen. Aller-
dings erfordert ein Reiterstandbild in so kolossalen Dimensionen
wie das Friedrich Wilhelm's III. eine entsprechende Höhe des
Standpunkts; allein niemals darf das Mißverhältniß zwischen
Fußgestell und Standbild so groß sein, daß dieses nur als eine
Art bekrönendes Ornament auf einem architektonischen Unterbau
erscheint. Aus physikalischen Gründen muß der Abstand von
einem Gegenstände, den man in seiner richtigen Größe und Wir-
kung überschauen will, mindestens das Dreifache seiner Höhe be-
tragen. Beispielsweise ist für die Betrachtung des Rauch'schen
Friedrichs-Denkmals eine Entfernung von über 70 Schritt er-
forderlich, d. h. ein Abstand, in welchem man — außer durch
ein Teleskop — überhaupt nichts mehr deutlich erkennen kann.
So begnügt sich denn der Beschauer, welcher das großartige
Werk genauer betrachten will, damit, um das eiserne Gitter
herumzuwandern und die Portraitstatuen auf den Reliefs auzu-
sehen. Will er ja einmal zum großen Fritz emporschauen, so
hat er ja die interessante Ansicht von dem wuchtigen Pferdebauch
und den Stiefelsohlen. Mit anderen Worten: bei dieser beliebten
Anordnung der ofenförmig sich aufthürmenden Picdestale wird die
Hauptsache, die Statue, völlig dem bloßen Ornament, dem Neben-
werk, geopfert.

Was das kölner Königsdenkmal betrifft, so mag die Be-
merkung genügen, daß die Eckfiguren des Piedestals „Bülow",
„Blücher", „Aorl", „Kleist von Nollendorf" mit Plinthe über
9 Fuß groß werden sollen und daß das ganze Bauwerk, wel-
 
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