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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Pabst, Arthur: Voraussetzungen und Grundlagen der gewerblich-technischen Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0243

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Dr. Pabst—Leipzig:

schaft als Gewerbebetrieb bedarf unter Umständen
kaum einer besonderen Lehre, denn der Sohn
des Landwirtes wächst sozusagen in die Wirt-
schaft des Vaters hinein.

Anders war es von jeher mit den Gewerben
der Metallverarbeitung-. Das Ausschmelzen der
Erze, das Gießen und Schmieden der Bronze und
des Eisens, das Löten und Treiben des Goldes,
Silbers und Kupfers mußte mühsam erlernt werden
und galt in der Urzeit als eine Kunst, die der
Mensch von überirdischen Wesen, von Göttern und
Zwergen übernommen hatte. Wie hoch diese Kunst
ge wertet wurde, geht auch schon daraus hervor, daß
die Sage von Wieland dem Schmied, die einzige
echte Handwerkersage, die wir besitjen, in direkter
Beziehung zu den Helden- und Göttersagen steht.
Der tiefsinnige Gehalt der Wielandsage und ebenso
der der Nibelungensage, wie sie Richard Wagner
künstlerisch verwertet hat, kann hier nicht weiter
erörtert werden, aber wer die Urgeschichte des
deutschen Handwerks schreiben will, kann an
diesen Sagen nicht vorübergehen.

Aus dem geheimnisvollen Reich der düstern
Sage führt uns ein Schritt in die helle, nüchterne

Wirklichkeit. Wer über Handwerk und Handwerks-
lehre redet oder schreibt, denkt sich die Meister
aus der Blütezeit des Handwerkes im 16. und
17. Jahrhundert im allgemeinen als wohlhabende
Leute, die in ihren Werkstätten mit tüchtigen
Gesellen und willigen Lehrlingen ertragreich ar-
beiteten und persönlich angesehene, hochachtbare
Leute waren. Die durch Wagners „Meistersinger
von Nürnberg" verklärte Gestalt eines Hans Sachs
stellt das Ideal eines solchen Handwerksmeisters
dar, wie er in der Wirklichkeit wohl nie gelebt
hat. Die nüchterne, von poetischen Auffassungen
nicht beeinflußte Forschung ergibt vielmehr ein
wesentlich anderes Bild des mittelalterlichen
Handwerkerstandes. Auch unsere klassischen
Dichter müssen dieses Bild noch vor Augen gehabt
haben, denn ihre „Gevatter Schneider und Hand-
schuhmacher" sind armselige Gestalten, die keines-
wegs so imponierend auftreten konnten, wie die
Meister in der Nürnberger Singeschule.

Trorj aller Schranken, die den Zugang zu den
Meisterrechten versperrten, war der Wettbewerb
im Handwerk übergroß und die wirtschaftliche
Lage der Meister demnach fast immer gedrückt.

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