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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Pabst, Arthur: Voraussetzungen und Grundlagen der gewerblich-technischen Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0244

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Grundlagen der gewerblich-technischen Erziehung.

ANNIE FRENCH- GLASGOW'.

t ederzeichnuDg: »The frog prince«.

Deshalb gehörte wohl auch die Mehrzahl der
Lehrlinge stets den ärmeren Bevölkerungsschichten
an und ihr Los war unter den Händen der harten,
gewinnsüchtigen Meister kein beneidenswertes.
„Lehrjahre sind Schwerjahre", sagt ein alter Reim-
spruch, und was dem Lehrling in diesen Jahren
bevorstand, deutet der Vers an:

„Was der Meister tut, ist wohlgetan,
Was der Geselle macht, geht auch noch an,
Der Lehrjunge aber muß Prügel ha'n."
Dazu kam die Besorgnis des Meisters, den
Lehrling, in dem er unter allen Umständen den
zukünftigen Konkurrenten sah, nicht zuviel lernen
zu lassen; an manches mittelalterliche Meister-
werk der Baukunst knüpft sich die düstere Sage
von der Rachgier eines Meisters, der seinen ge-
schickten Lehrling oder Gesellen nach vollbrach-
tem Werke aus Neid heimtückisch tötete!

Die Sache von diesem Standpunkte aus an-
gesehen, ergibt sich also zunächst, daß es un-
berechtigt ist, die gute alte Zeit so unbeschränkt
zu loben, wie es häufig geschieht. Sie hatte ihre
Vorzüge, aber auch ganz unverkennbar ihre Mängel,
und ob jene oder diese überwiegen, wollen wir

dahingestellt sein lassen. Die neue Zeit aber
stellt uns neue Aufgaben, auch auf dem Gebiete
der gewerblichen Erziehung.

Für die Berufe der Beamten und Gelehrten
hat der Staat schon seit langer Zeit durch gut
eingerichtete Schulen gesorgt, die unmittelbar
aus den Gelehrtenschulen des Mittelalters hervor-
gegangen sind. Die Erziehung aller übrigen Stände
aber, insbesondere die der Gewerbetreibenden, blieb
diesen selbst überlassen, abgesehen von der all-
gemeinen Volksschulpflicht, die der Staat frühzeitig
einführte. So ist es gekommen, daß die wirt-
schaftliche Entwickelung im vorigen Jahrhundert
den Magnahmen weit voraus geeilt ist, die für
die Zwecke der gewerblichen Erziehung getroffen
werden konnten. Ein großer Teil der heran-
wachsenden männlichen Jugend entbehrt heut-
zutage beinahe jeder systematischen Erziehung
für irgend einen gewerblichen Beruf. Die Volks-
schulerziehung kann hierbei selbstverständlich
nicht in Frage kommen, da sie keine Berufs-
erziehung ist und eine solche auch gar nicht sein
will, ganz abgesehen von den Mängeln, die ihr
bei ihrer heutigen Organisation ohnehin noch

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