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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Michel, Wilhelm: Das deutsche Volk und seine Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0340

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Wilhelm Michel—München:

Nun, es ist fruchtlos, mit dieser Unkennt-
nis und Ahnungslosigkeit weiter zu rechten.
Es fehlt ja doch jede Möglichkeit der Ver-
ständigung. Bis tief hinab in die untersten
Schichten und weit hinauf in die höchsten
Klassen der Gesellschaft erstreckt sich diese
Barbarei, die der Künstler zum Feinde hat.
Ein Bauer lehnte einmal ein Bild ab, das
einen Postwagen darstellt; der Wagen fährt
gerade einen Abhang hinunter und der
Postillon bläst auf dem Horn. Der Bauer
meinte: »Harn Sie scho amal an Postillon
geseh'n, der wo blast, wann's an Hang hin-
untergeht? J net. Do hot der alle Händ'
voll z'tun, daß er die Gäul' einhält'!« Und
damit war das Bild für ihn erledigt. Und
mit aller Hartnäckigkeit erhält sich das Ge-
rücht, daß eine sehr hochstehende Frau in

einer Berliner Kunst-Ausstellung geäußert hat:
»Mein Mann hat den Malern doch gesagt,
wie sie malen sollen. Warum handeln sie
nicht darnach?«

Ja, es ist wohl wahr: die Kunst und die
Künstler sind Fremdlinge in einem Lande,
das sich von ästhetischer Kultur trotz aller
sonstigen Fortschritte immer weiter entfernt.

Eines aber könnte doch wohl erreicht
werden. Es könnte erreicht werden, daß man
der Kunst wenigstens als Handwerk, als
Zunft Übung, die so und so viele dem Laien
verschlossene Vorbedingungen technischer Art
hat, einen gewissen Respekt zollt. Nicht
jeder hält sich für befugt, dem Juristen, dem
Ingenieur, dem Schreiner und Schlosser jeder-
zeit dareinzureden. Warum wagt man das
der Kunst gegenüber so leichten Herzens?

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