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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Osborn, Max: Eine Miet-Wohnung: eingerichtet von Architekt Gustav Goerke - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0398

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Max Osborn—Berlin:

tragen. Ich habe in letzter Zeit zwei Privat-
wohnungen gesehen, die Goerke eingerichtet
hat. Das eine Mal galt es, einem eben ver-
heirateten jungen Gelehrten das Quartier zu
rüsten, das andere Mal — es betrifft die Ori-
ginale unserer Bilder —, einer Künstlerin von
apartem Geschmack ein Heim zu schaffen. Und
es war sehr interessant zu beobachten, wie sich
das wohnliche Behagen, das der junge Architekt
in beiden Fällen heranzauberte, dort ins Ernst-
haft-Arbeitssame, hier ins Pikante, Ungewöhn-
liche und Erlesene nuancierte. Und blieb doch
hier wie dort die deutlich erkennbare Spielart
Goerke. Was für diese Art vor allem als charak-
teristisch gelten darf, ist die geschickte und ori-
ginelle Manier, mit der grinsenden Trivialität der
Berliner Miethäuser fertig zu werden. Es ist
ungemein lustig, wie Goerke der öden Nüch-
ternheit der ewig gleichgezogenen Zimmervier-
ecke zuleibe geht, wie er den Jammer der
spitzen Ecken überwindet, der Schablone der
sinnlosen Fensteranordnungen ein Schnippchen

schlägt, die Wandlosigkeit aufhebt, die unsere
Zinspaläste auszeichnet. Er zeigt, wie man
durch Einbauten Variationen und Kontraste
des Raumes schaffen, wie man selbst die Kälte
und Langweiligkeit der Berliner »Entrees«
durch solche Mittel niederkämpfen, durch runde
Polsterarrangements die starrende Leere der
rechtwinkligen Ecken zwischen zwei Türen aus-
füllen, durch niedrige Sofabänke an den sonst
stets unbenutzt bleibenden kleinen Wandresten
unter den Fenstern (selbst wenn die Zentral-
heizung dort untergebracht ist) das Zimmer be-
haglich füllen kann. Die so behandelten Ber-
liner Mietwohnungen haben nichts mehr von
der gewohnten Kasernenlangweiligkeit; sie
bilden, meist inmitten schrecklicher Pseudo-
palazzi, kleine Enklaven des Geschmacks. Im
Bau seiner Möbel hat Goerke dann einen ganz
eigenen Stil entwickelt. Er hat eine Vorliebe
für große Formen, breite Leisten, lebhaft an-
ziehende Flächen, massive Materialwirkungen.
Er erreicht dadurch einen stark architek-

ARCHITEKT
GUST." GOERKE.

STUHL IM
SPEISE-ZIMMER.
 
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