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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 35.1914-1915

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Servaes, Franz: Lebendige Kunst und tote Sammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7013#0037

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Lebendige Kumt und tote Sammlungen.

Doch es soll nicht allein den Privat-
leuten zur Last gelegt werden, was
mitunter in den öffentlichen Museen
nicht viel besser ist. Gewiß darf man
anerkennen, daß hier die schlimmsten
Zeiten bereits hinter uns liegen und
daß es das ehrliche und öfters auch
erfolgreiche Streben moderner Gale-
riedirektoren ist, die Kunstwerke in
solchen Rahmen aufzustellen, daß
sie zuneuem Leben erwachen. Allein
die Herren werden selbst am besten
wissen, bis zu welchem Grade dies
nur annähernd erreicht worden ist,
vielleicht erreicht werden kann. Dies
wäre jedocheinunabsehbaresThema,
und es soll deshalb nur ein einzelner
Punkt hier herausgegriffen werden,
bei dem die Grundnatur des Kunst-
werkes sich zur musealen Aufstel-
lung in einen gewissen Widerspruch
setzt. Ich meine die Einordnung
allermodernster Kunstwerke in die
Bestände eines Museums. Dies ge-
schieht zuverlässig in den allermei-
sten Fällen mit den besten Ab-
sichten ; um einen Künstler zu
ehren oder um ihm zu helfen. Und
doch ist es falsch. Bleibt wenigstens
solange falsch, als der Künstler selbst
noch ein Werdender ist, der sich von
Jahr zu Jahr zu ändern vermag und
der in jedem neuen Werk einen Teil
seines Blutes vergießt. Die Aufhän-
gung in einem Museum ist immer
eine Art Einbalsamierung. Und
ein Kunstwerk muß bereits äußerst
durchgegoren sein, wenn es das
vertragen soll, und womöglich eine
erneute Steigerung seiner Lebens-
kraft dadurch zu gewinnen vermag.
Werke solcher Künstler hingegen,
die noch im Kampf und Krampf der
Entwicklung sich bewegen, die vom
Parteigeschrei schwankender Wer-
tungen stetig umbraust sind, die
gleichsam die kühne Brust allen Wo-
gen und Winden darbieten, müssen,
in einem Museum aufgehängt, wie
von einem Starrkrampf befallen wer-
den: es drängt sie, ins Leben hinaus,
in den Kampf, in die Schlacht —
und sie stehen hier wie in einem
Stall, am goldenen Halfter, in all
ihren Impulsen verkümmernd. Et-
was anderes ist es noch, wo ein
Museum, oder wenigstens der Saal

BILDHAUER ARISTIDE MAILLOL. BRONZE-PLASTIK »FLORA«

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